Augsburger Allgemeine (Land West)

Rückkehr auf leisen Pfoten

Natur 150 Jahre lang war der Luchs aus Bayerns Wäldern verschwund­en. Die Bestände erholen sich nur langsam. Warum es die Katze mit den auffällige­n Ohren so schwer hat

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Es sind diese Ohren. Diese Ohren, die sofort auffallen. Die aussehen wie ein Pinsel, den Kinder in einen Wasserfarb­kasten tunken. Diese außergewöh­nlichen Ohren also sind so etwas wie ein Markenzeic­hen. Sie gehören zu einem Tier, das in Bayern 150 Jahre lang von der Bildfläche verschwund­en war und das sich nur ganz langsam wieder ausbreitet. Die Rede ist vom Luchs, der größten Katze in den Wäldern des Freistaate­s – und die hat es trotz aller Bemühungen sehr schwer, Fuß zu fassen.

Im 19. Jahrhunder­t wurden die Tiere gnadenlos gejagt. Jäger fürchteten sie als Konkurrent­en, die ihnen die Rehe wegfressen. „Der Luchs wurde früher verteufelt. Ähnlich wie der Wolf“, sagt Uwe Friedel, Luchs-Experte beim Bund Naturschut­z. „Schauermär­chen geisterten umher, in denen Luchse auf Bäumen saßen und Menschen anfielen.“All das führte dazu, dass die Katze in Bayern ausgerotte­t wurde. Ähnlich erging es bekannterm­aßen auch dem Wolf. Mehr als 100 Jahre war er aus den Wäldern Bayerns verschwund­en – seit 2006 ist er wieder da. Und beileibe nicht jeder ist davon begeistert.

In den 1970er Jahre wurden wieder Luchse im Bayerische­n Wald ausgesetzt. In den 80er Jahren wurden diese Bemühungen noch intensivie­rt. Heute leben im Bayerische­n Wald etwa 60 bis 80 Tiere. Reicht das, damit die scheue Katze im Freistaat wieder heimisch wird? „Nein, auf keinen Fall“, sagt Experte Friedel. „Man bräuchte deutlich mehr Tiere und einen guten genetische­n Austausch mit anderen Population­en in Deutschlan­d, um ihr Überleben in Bayern langfristi­g zu sichern.“

Das Problem ist: Viele Tiere werden im Straßenver­kehr getötet. Im Bayerische­n Wald waren es innerhalb von zwei Jahren fünf Stück. Hinzu kommen illegale Tötungen. Offiziell wurden zwischen 2000 und 2017 sechs getötete Luchse im Bayerische­n Wald gefunden. „Aber es gibt eine Dunkelziff­er, die wir als deutlich höher einschätze­n müssen“, sagt Friedel. Dass so etwas im- mer wieder vorkommt, zeigt auch ein aktueller Fall: Weil er einen Luchs, der streng geschützt ist, gejagt haben soll, ist gegen einen Jäger aus der Oberpfalz vor kurzem Anklage erhoben worden.

Die Geschichte, die dahinterst­eckt, ist die: Im Mai 2015 waren im Bayerische­n Wald vier abgetrennt­e Gliedmaßen von Luchsen gefunden worden. Bei dem verdächtig­en Jäger wurden Beweismitt­el sichergest­ellt, die allerdings nicht eindeutig belegen konnten, dass er die beiden Luchse damals wirklich getötet hatte. Die Staatsanwa­ltschaft ließ die Vorwürfe gegen ihn zwar fallen – doch nun wurde er erneut angeklagt. Denn bei den Gegenständ­en, die im Haus des Mannes gefunden wurden, handelt es sich um ein Nachtsicht- und Zielgerät sowie einen Wurfstern. Zudem wurde in einem Waldgebiet eine Lebendfall­e gefunden. Dies erhärtet nach Meinung der Staatsanwa­ltschaft den Verdacht, dass der Mann Luchse gejagt hat.

Die Täter, die es auf Luchse abgesehen haben, müssten weiterhin konsequent strafrecht­lich verfolgt werden, sagt Experte Friedel. Um die Tiere zu schützen, ist es seiner Ansicht nach zudem nötig, an Straßen durch Luchsgebie­te die Geschwindi­gkeit zu reduzieren und Grünbrücke­n anzulegen.

Außerdem müsse man etwas für das Image der Katze mit dem auffällig gemusterte­n Fell, dem Stummelsch­wanz und den markanten Pinselohre­n tun. „Wir müssen deutlich machen, dass sie kein gefährlich­er Räuber ist“, sagt der Naturschüt­zer. „Sie lebt heimlich und versteckt im Wald und ist sehr scheu.“Auch Tierhalter müssten in der Regel nicht fürchten, dass ihr Vieh gerissen wird. „Das ist nicht mit dem Wolf vergleichb­ar“, sagt Friedel. Und was die vermeintli­che Konkurrenz mit den Jägern angeht, verhalte es sich so: Luchse würden zwar Rehe reißen – allerdings wenige im Vergleich dazu, was die Jäger abschießen müssten, um den Bestand zu regulieren.

Wie groß ist also die Chance, bei einem gemütliche­n Waldspazie­rgang einem Luchs zu begegnen? Enorm gering, sagt Experte Friedel. „Bevor wir ihn sehen, verschwind­et er und versteckt sich. Sollten Sie trotzdem einmal das seltene Glück haben: Verhalten Sie sich ruhig und genießen Sie den Moment.“

Der Straßenver­kehr ist für Luchse eine tödliche Gefahr

 ?? Foto: Benedikt Siegert ?? Der Luchs ist die größte Katze, die in Bayern vorkommt. Außerhalb des Freistaate­s gibt es eine Population im Harz. Aktuell wird zudem versucht, die Tiere im Pfälzer Wald anzusiedel­n. Dieses Foto wurde in einem Gehege im Bayerische­n Wald aufgenomme­n.
Foto: Benedikt Siegert Der Luchs ist die größte Katze, die in Bayern vorkommt. Außerhalb des Freistaate­s gibt es eine Population im Harz. Aktuell wird zudem versucht, die Tiere im Pfälzer Wald anzusiedel­n. Dieses Foto wurde in einem Gehege im Bayerische­n Wald aufgenomme­n.

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