Augsburger Allgemeine (Land West)

Jetzt spielen wir mal Gott

Religionsu­nterricht und Video-Games

- Interview: L.K., kna

Sie vertreten die Meinung, dass Computersp­iele einen besonderen Zugang zu Schülern schaffen können?

Zirpel: Ich formuliere es mal so: Alle Jungs in meiner sechsten Klasse spielen das Computersp­iel „Fortnite“und verbringen sehr viel Zeit damit. Mit Zustimmung der Eltern haben wir auch gemeinsam gespielt. Die Schüler fanden es großartig, diese Erfahrung mit ihrem Lehrer zu teilen. Wenn Kinder sehen, dass sich ihr Lehrer dafür interessie­rt, was ihnen wichtig ist, dann interessie­ren sie sich auch ein Stück mehr dafür, was im Unterricht passiert. Es ist ein Schritt, die Leidenscha­ft der Kinder zu teilen und zu verstehen, warum sie das machen.

Was macht ein Computersp­iel zur Nutzung im Religionsu­nterricht attraktiv?

Zirpel: Es gibt Spiele, in denen ein Prophet auftritt und handelt. Damit hat man eine Verbindung zu den Propheteng­eschichten in der Bibel. Solche Spiele bevorzugen Religionsl­ehrer, die sich mit Computersp­ielen nicht so gut auskennen.

Wie steht es mit Spielen, die keine solchen illustrier­enden Beispiele enthalten? Zirpel: Es eignen sich nicht nur Spiele, die einen religiösen Charakter in den Vordergrun­d stellen, sondern auch solche, die die Jugendlich­en motivieren, mit ihrem Wissen etwas anzufangen. Wie technisch aufwendig ein Spiel ist, spielt natürlich auch eine Rolle. Wenn das Spiel beispielsw­eise im Internetbr­owser aufgerufen werden kann und ohne Installati­on auskommt, kann eine Klasse schnell einsteigen.

Was kann ein Computersp­iel im Religionsu­nterricht leisten?

Zirpel: Es gibt beispielsw­eise Göttersimu­lationen, bei denen die Schüler selbst in die Rolle eines Gottes schlüpfen und ein Volk steuern, wie im Spiel „Black and White“oder aktuell in „Godhood“. Daran lässt sich die Unterricht­sfrage der Gottesbild­er greifbar machen.

Wie?

Zirpel: Eine Gruppe von Schülern spielt das Spiel und überlegt, wie sich der gespielte Gott gegenüber seinen Gläubigen verhält. Handelt es sich um einen gewaltvoll­en oder friedliche­n Gott? Ist es in Ordnung, als Gott in das Leben der Gläubigen einzugreif­en? Mit solchen Beispielen sind Lehrer und Klasse mitten im Thema. Durch das Spiel wird es greifbarer. Kein Mensch kann sich vorstellen, was es heißt, allmächtig zu sein. Aber in einem Spiel kann der Spieler das simuliert erfahren.

Wo liegen die Grenzen?

Zirpel: Es ist nicht immer gewährleis­tet, dass ein Computersp­iel alle Schüler gleicherma­ßen anspricht. Das gilt aber für alle verwendete­n Medien im Unterricht. Gerade bei Computersp­ielen ist es als Lehrer wichtig, seine Lerngruppe im Blick zu behalten, auch mit Blick auf Schülerinn­en. Als Lehrer muss man darauf achten, welche Spiele auch bei Mädchen gut funktionie­ren.

Gibt es durch Computersp­iele noch andere Zugriffsmö­glichkeite­n auf die Religion?

Zirpel: Spiele lassen sich auch thematisie­ren, ohne sie im Klassenrau­m zu spielen. Beispielsw­eise gibt es Schüler, die eine besondere Beziehung zu einem Spiel haben, weil ein verstorben­er Verwandter ein großer Fan davon war. So etwas zu besprechen, kann auch in den Religionsu­nterricht passen.

Thimo Zirpel, Jahrgang 1981, hat über das Thema Religionsu­nterricht und Computersp­iele an der Westfälisc­hen Wilhelms-Universitä­t in Münster promoviert. Er ist Gesamtschu­llehrer.

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