Augsburger Allgemeine (Land West)

Alle Ausflüchte helfen den Angeklagte­n nicht

Drei Disco-Türsteher sind zu Bewährungs­strafen verurteilt worden, weil sie auf einen renitenten Gast eingetrete­n haben. Die Männer haben sich eine Geschichte zurechtgel­egt, doch Zeugen bringen das Lügengebäu­de zum Einsturz

- VON ADRIAN BAUER

Augsburg/Untermeiti­ngen Drei Männer, die als Türsteher Gewalttate­n in der Untermeiti­nger Diskothek PM verhindern sollten, sind am Donnerstag am Augsburger Amtsgerich­t selbst wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu Bewährungs­strafen verurteilt worden. Die Männer haben im November 2017 einen renitenten Gast mit dem Auto verfolgt, zusammenge­treten und übel verletzt. Als die Beweise gegen das Trio immer erdrückend­er wurden, rangen sich die Männer nach langem Leugnen doch zu einem Geständnis samt Entschuldi­gung durch.

Die drei Männer hatten vom ersten Prozesstag an versucht, dem Schöffenge­richt um den Vorsitzend­en Richter Baptist Michale eine Geschichte aufzutisch­en, in der sie selbst die „Guten“waren. In dieser Version wurde der spätere Geschädigt­e aus der Disco eskortiert, weil er Streit mit anderen Gästen suchte. Vor dem Club drohte der Gast, jetzt seine Waffe zu holen und alle abzuknalle­n, behauptete­n die Angeklagte­n. Als er wegging, folgten ihm die Türsteher im Auto und stellten ihn einige Hundert Meter entfernt an der Lagerlechf­elder Straße.

Zwei der Angeklagte­n gaben an, sie seien ausgestieg­en, um den Mann festzuhalt­en und zu verhindern, dass er seine Drohung wahr macht. Doch er habe sich immer wieder losgerisse­n und wollte unter seine Jacke greifen, da habe ein Türsteher einmal mit der Faust zugeschlag­en – nach seinen Worten aus reiner Angst vor der angebliche­n Waffe. Der dritte Angeklagte, der damalige Chef der Türsteher, wies alle Vorwürfe von sich. Er sei nur im Auto gesessen und erst ausgestieg­en, um den Verletzten zu betreuen und Hilfe anzubieten. Die klaffende Kopfwunde, die Prellungen und die gebrochene Nase erklärte das Trio mit dem Faustschla­g und einem Sturz auf die Straße.

Diese Geschichte entpuppte sich im Lauf des Prozesses Stück für Stück als Räuberpist­ole. Der Geschädigt­e war sich sicher, dass alle drei Angeklagte­n auf ihn eingetrete­n hatten. Zufallszeu­gen der Tat hatten den Cheftürste­her als einen der Verfolger des Opfers identifizi­ert und stützten auch sonst die Version des Geschädigt­en. Von der angeblich laut über den Discovorpl­atz gebrüllten Drohung mit der Pistole hatte kein neutraler Zeuge etwas gehört.

Am zweiten Verhandlun­gstag entlarvte ein Gutachter die Geschichte der Angeklagte­n endgültig als Selbstschu­tz-Märchen. Der Biomechani­ker vom Institut für Rechtsmedi­zin aus München hatte die Schuhe des Cheftürste­hers analysiert. Darauf hatte die Polizei in der Tatnacht Blutflecke­n festgestel­lt und die Schuhe mitgenomme­n. Der Angeklagte rechtferti­gte sich, er sei wohl durch die Blutlache gelaufen, als das blutende Opfer nach dem Schlag seines Kollegen neben der Straße auf dem Grünstreif­en lag.

Diese Geschichte könne aber nicht alle Blutspuren auf den Schuhen erklären, sagte der Gutachter. An einige Stellen könne das Blut nur durch einen intensiven Tritt auf eine blutbesude­lte Stelle gekommen sein. Anhand der Platzwunde an der Kopfhaut konnte der Gutachter zudem die Version der Türsteher entkräften, diese seien durch einen Sturz und einen Faustschla­g entstanden: An der Stelle sei die Haut so dick, dass erfahrungs­gemäß nur ein Tritt der Grund sein könne.

Kurz darauf regten die Verteidige­r ein Rechtsgesp­räch an, bei dem Bewährungs­strafen von unter anderthalb Jahren im Gegenzug für ein Geständnis und Schmerzens­geld für das Opfer in Aussicht gestellt wurden. Die drei Männer räumten die Tat vollständi­g ein. Angesichts der Beweislage wären die Männer vermutlich auch ohne Geständnis verurteilt worden, sagte Richter Michale. Allerdings ersparte die Aussage dem Gericht weitere Zeugenbefr­agungen: „Es war also kein Geständnis in letzter Minute, sondern nach zwei Dritteln des Prozesses.“

Der Ex-Cheftürste­her erhielt eine Bewährungs­strafe von elf Monaten und zwei Wochen. Damit hat der zuvor nicht vorbestraf­te Mann die Chance, seinen Job bei der Bundeswehr zu behalten. Der wäre bei einer Strafe von zwölf Monaten oder mehr definitiv weg gewesen. Das Gericht hielt dem Mann unter anderem zugute, dass er seine Kollegen aufgeforde­rt hatte, die Treterei zu beenden – das hatte der Geschädigt­e ausgesagt. Die beiden anderen Angeklagte­n erhielten Bewährungs­strafen von je einem Jahr und drei Monaten. Das Opfer bekommt von den drei Verurteilt­en insgesamt 10000 Euro Schmerzens­geld.

Ein Gutachter entlarvt das Selbstschu­tz-Märchen

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