Augsburger Allgemeine (Land West)
„Krawalltouristen“bleiben unentdeckt
Vor dem AfD-Bundesparteitag hatte die Internetseite mit möglichen Zielen für Anschläge für viel Wirbel gesorgt. Die Justiz ermittelte intensiv nach den Urhebern – ohne Erfolg
Die Internetseite ist immer noch im Netz, aktualisiert wird sie aber seit Monaten nicht mehr. „Augsburg für Krawalltouristen“nennt sie sich, in einem dort auffindbaren „Reiseführer“werden konkrete Ziele für Straftaten benannt. Die 44-seitige Broschüre war für den Bundesparteitag der AfD am 30. Juni und 1. Juli 2018 in Augsburg verfasst worden und hatte einiges an Wirbel verursacht. Sie liest sich in Duktus und Inhalt wie das Werk von Linksextremisten; als mögliche Ziele für Anschläge wurden unter anderem Privatadressen von AfD-Mitgliedern, Behörden, Polizeireviere, Denkmäler und Hotels genannt.
Anfang Juni machten das Steigenberger-Hotel Drei Mohren und das Holiday Inn Express Schlagzeilen, weil sie AfD-Politikern absagten. Um „die Sicherheit und das Wohlergehen all unserer Gäste zu gewährleisten“, wie es in einer Stellungnahme der SteigenbergerGruppe damals hieß. Die Polizei warnte vor Panikmache, nahm die Drohungen aber durchaus ernst; bei der Generalstaatsanwaltschaft in München wurde ein Ermittlungsverfahren wegen „Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“eingeleitet.
Wer die Autoren des „Krawallreiseführers“sind, ist aber auch Monate später nach wie vor unklar. Mittlerweile sind die Ermittlungen eingestellt worden, wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt. Einen oder mehrere Täter habe man nicht ermitteln können, heißt es weiter. Dazu, welche Ermittlungsmaßnahmen es in den vergangenen Monaten noch gegeben hatte, wolle man sich nicht äußern, heißt es von der Behörde.
Eine frühere Ermittlungsmaßnahme in dem Fall hatte allerdings bundesweite Reaktionen und viel Kritik hervorgerufen. Am 20. Juni rückten deutschlandweit Polizisten aus, um Wohnungen von Netzaktivisten zu durchsuchen und Datenträger zu beschlagnahmen, unter anderem im Augsburger Open Lab, einer IT- und Tüftlerwerkstatt. Die Ermittler erhofften sich, Hinweise zu den Erstellern der Internetpublikation zu bekommen. Die Verbindung der Netzaktivisten zu der Seite war allerdings ziemlich dünn: Die Ersteller der Internetseite nutzen eine E-Mail-Adresse des Anbieters rise up, der keine Nutzerdaten erfasst. Wer den E-Mail-Anbieter unterstützen will, kann über ein Konto des Vereins Zwiebelfreunde, der Projekte zur sicheren und vertraulichen Kommunikation unterstützt, dafür spenden. In Augsburg wurden die Wohnräume des Vereinsvorstandes Moritz Bartl durchforstet, der auch im Open Lab aktiv ist.
Als Tatverdächtige wurden die Zwiebelfreunde-Mitglieder nicht geführt, sondern als Zeugen. Nicht nur in der IT-Szene sorgte die Aktion der Ermittlungsbehörden für massive Kritik. Die Betroffenen gingen juristisch gegen die Polizeiaktion vor und bekamen recht. Das Landgericht München 1 erklärte die Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsbeschlüsse später für rechtswidrig. Es habe keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Auffinden relevanter Daten bestanden, hieß es in der Begründung. Zudem habe es gebe keinerlei Anhaltspunkte gegeben, dass die Betroffenen, deren Verein Zwiebelfreunde oder die Gruppierung „auch nur zum Umfeld der unbekannten Täter“gehören. Und es sei auch nicht „unmittelbar ersichtlich, dass sich bei ihnen Informationen zum Täterumfeld oder zu den Tätern finden lassen“. Man könne nicht die Zwiebelfreunde mit dem E-Mail-Anbieter gleichsetzen, wo der Verein doch nur Spenden dafür sammele.
Der AfD-Bundesparteitag war von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet worden. Zu Ausschreitungen oder größeren Zwischenfällen kam es dann aber nicht. Rund 6000 Menschen protestierten auf dem Augsburger Rathausplatz gegen den AfD-Parteitag in der Stadt.
Gericht: Durchsuchung war rechtswidrig