Augsburger Allgemeine (Land West)

121 Gramm Cannabis und die Frage nach der Herkunft

Schmerzpat­ient benötigt nach eigenen Angaben Drogen im Wert von 2500 Euro pro Monat. Dies ist ihm zu teuer

- VON KLAUS UTZNI

Landkreis Augsburg Seit zwei Jahren dürfen Ärzte in besonderen Fällen Schmerzpat­ienten Cannabis-Blüten und Extrakte zur Linderung verschreib­en. Kranke dürfen also straffrei auf Rezept kiffen. Doch die Therapie, die offenbar nicht alle Kassen bezahlen, ist ziemlich teuer. Ein 60-jähriger Cannabis-Patient aus dem westlichen Landkreis Augsburg ist nun in die Mühlen der Justiz geraten.

Weil er die hohen Kosten für das medizinisc­he Cannabis nicht stemmen konnte, baute er selbst in seiner Wohnung die Pflanzen an. Allerdings fand die Zusmarshau­ser Polizei im Januar 2018 auch 121 Gramm getrocknet­e Blüten und Blätter in mehreren Einweckglä­sern. Ergebnis vorangegan­genen Anbaus oder Drogen, die er auf Rezept erhalten hatte? Diese Frage stand gestern im Mittelpunk­t eines Prozesses vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Thomas Müller-Froelich.

Der Angeklagte (Verteidige­r: Moritz Bode) leidet unter inneren starken Schmerzen und Krämpfen. Er ist anerkannte­r Cannabis-Patient mit eigenem Ausweis. Von einer Ärztin in München bekommt er das Rezept, von einer Apotheke in Nordrhein-Westfalen die Cannabisbl­üten. Geliefert per Post in Plastikdos­en. Die fülle er dann, so beteuert er, wegen des Geruchs der Plastikdos­en in Einweckglä­ser um, die im Küchenschr­ank stehen.

Im Januar 2018 trat die Zusmarshau­ser Polizei auf den Plan. Sie war informiert worden, dass es in dem Haus, in dem der Angeklagte lebt, nach Drogen rieche und der Stromverbr­auch sehr hoch sei. Die Beamten entdeckten in einem Nebenraum eine kleine Aufzuchtan­lage mit Beleuchtun­g und Entlüftung sowie zehn kleine Pflänzchen zwischen drei und sechs Zentimeter­n Größe.

Im Küchenschr­ank fand man dann in Einweckglä­sern die getrocknet­en Blüten und Blätter. Auch auf dem Komposthau­fen im Garten sahen die Beamten nach, fanden dort Reste von Stengeln der Hanfpflanz­e. „Ich gehe davon aus, dass das von uns sichergest­ellte Cannabis aus dem Eigenanbau stammt“, sagt der Polizist als Zeuge. Für den Angeklagte­n ist die Frage medizinisc­hes Cannabis oder Anbau in der Wohnung von erhebliche­r Bedeutung. Denn der reine Gehalt an dem Wirkstoff THC betrug laut einem Gutachten rund 13 Prozent. Und bei einem Gewicht von 121 Gramm lag somit der THC-Gehalt weit über der juristisch bedeutsame­n Grenze von 7,5 Gramm. Eine derartige Menge erfüllt beim Besitz den Straftatbe­stand eines Verbrechen­s nach dem Betäubungs­mittelgese­tz mit einer Mindeststr­afe von einem Jahr Freiheitse­ntzug. Der Angeklagte beteuert, bei dem sichergest­ellten 121 Gramm Cannabis habe es sich um Drogen auf Rezept gehandelt. Den Anbau der zehn kleinen Pflanzen räumt er ein. „Es war ein Versuch. Das medizinisc­he Cannabis ist einfach zu teuer. Es kostet mich 2500 Euro im Monat. Und die Kasse zahlt nicht. „Das kann ich mir nicht leisten“, schildert er sein Problem. Dem Wunsch des Verteidige­rs, man möge doch das Verfahren um den Besitz der Cannabisbl­üten vorläufig einstellen und nur den Anbau aburteilen, kommt allerdings Staatsanwa­lt Burkhard Weiß nicht nach. Das Schöffenge­richt setzt den Prozess schließlic­h aus. Ein neuerliche­s Zusatzguta­chten soll nun klären, ob es sich bei den 121 Gramm ganz oder teilweise um Cannabis auf Rezept handelt. Das Verfahren wird neu aufgerollt werden.

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Foto: dpa Ein Mann hat in seiner Wohnung Cannabis angebaut.

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