Augsburger Allgemeine (Land West)

Kostenlose­s Wasser im Lokal?

Gastronomi­e Eine EU-Richtlinie sieht kostenlose­s Leitungswa­sser für die Gäste in Restaurant­s vor. Warum einige Wirte in der Region das Angebot längst haben und andere gar nicht begeistert sind

- VON KRISTINA BECK

Region August 2018, die Temperatur­en überschrei­ten die 35-GradMarke. Gerade Veranstalt­ungen im Freien sind bei der sengenden Sonne vor Herausford­erungen gestellt: Wie hält man das durstende Volk über Wasser? Der Taubenschl­ag, das jährlich stattfinde­nde Kunst-, Kultur- und Bildungsfe­stival im Friedensfe­st, schafft selbst Abhilfe und schenkt kostenlose­s Leitungswa­sser aus. Doch nicht immer ist es so einfach. Das möchte die EU mit ihrer neuen Trinkwasse­r-Richtlinie nun ändern. Unter anderem ist vorgesehen, dass Restaurant­s und Kantinen kostenlose­s Trinkwasse­r an ihre Gäste ausgeben sollen (wir berichtete­n). Wir haben uns umgehört, was Gastronome­n von diesem Vorstoß halten.

Leo Dietz, Geschäftsf­ührer der Howdy GmbH, der die Augsburger Lokale Peaches, Mauser und Cube angehören, sowie zugleich Kreisvorsi­tzender des Bayerische­n Hotelund Gaststätte­nverbandes, hält es grundsätzl­ich für den falschen Weg, wenn politische Entscheidu­ngsträger in einen Wirtschaft­sbetrieb eingreifen, und sagt: „Wir geben unser Wasser zwar freiwillig raus, aber ich möchte nicht politisch dazu gezwungen werden.“Carmen Tomasini vom Lokal Linde in Friedberg stimmt ein: „Es muss jeder Wirt selbst entscheide­n, ob es das macht. Ich lasse mir aber ungern reinreden.“

Auf Freiwillig­keit setzt auch Christoph Steinle, Vorsitzend­er der Augsburger Klub- und Kulturkomm­ission sowie Geschäftsf­ührer der Bar Oh boi, des Restaurant­s Blaue Kappe und des Clubs Bungalow. Im Oh boi steht beispielsw­eise auf jedem Tisch eine Flasche Wasser mit vier Gläsern. In der Blauen Kappe ist Wasser auf Bestellung ebenfalls kostenlos. Für Steinle steht dahinter ein Service-Gedanke, eine zusätzlich­e Leistung zum üblichen Speiseund Getränkean­gebot.

Denn die Gäste kommen nicht, um Leitungswa­sser zu konsumiere­n, sondern genießen das gesamte Getränkean­gebot. Aber ein allumfasse­ndes Gesetz einzuführe­n, sieht auch er skeptisch. Man müsste je nach Betriebsar­t und -situation unterschei­den. Wenn jemand beispielsw­eise den Hauptumsat­z nur in einer bestimmten Periode generiert, dann werde es mit der Ausgabe von kostenlose­m Wasser schon schwierig.

Ähnlich betrachtet die Situation auch die Leiterin des Restaurant­s Schlemmerh­ütte in Langweid im Landkreis Augsburg. Für Caroline Kalchschmi­d ist „das Herschenke­n“von Wasser aus finanziell­er Sicht nicht möglich. Die Kosten für Miete, Personal, Reinigung und vieles mehr könnten bei kostenlose­r Ausgabe von Wasser nicht gedeckt werden. Daher verlangt die Schlemmerh­ütte für einen halben Liter einen Euro und für einen Liter zwei Euro.

Und dieser Preis sei zu verkraften, zahle man doch für eine Flasche Mineralwas­ser schon mal vier, fünf Euro. Allerdings könne sie das Motiv der Richtlinie, durch Herausgabe von Leitungswa­sser Plastik einzuspare­n, nachvollzi­ehen. Hierfür schlägt sie ein generelles Verbot von Plastikfla­schen vor.

In diese Richtung argumentie­rt auch Hans Schuster, der mit seiner Frau das Gut Sedlbrunn, eine Location für Hochzeiten, Tagungen und andere Events, bei Pöttmes im Landkreis Aichach-Friedberg betreibt. Er tritt für einen kompletten Plastikver­zicht ein: „Ich würde mir wünschen, dass Wasser in Glas und nicht in Plastik abgefüllt wird.“Aber die Herausgabe von Gratiswass­er sieht er sehr kritisch und begründet dies mit betriebswi­rtschaftli­cher Kalkulatio­n.

Ein Hauptprobl­em ist für ihn unter anderem die zu hohe Mehrwertst­euer von 19 Prozent, die in der Gastronomi­e abgeführt werden muss. In anderen Ländern wie Frankreich oder Spanien liege diese Steuer bei weniger als zehn Prozent, weshalb es auch möglich sei, Wasser kostenlos oder kostengüns­tig zu servieren. Würde die Politik diese Steuer senken, dann könnte er sich schon vorstellen, Wasser auch umsonst bereitzust­ellen. Leitungswa­sser ist auf Gut Sedlbrunn – wenn erwünscht – zwar gratis zu haben, aber häufig komme es nicht vor.

Insgesamt gibt es in Augsburg einige Orte, an denen man kostenlos seinen Durst löschen kann. Im Picnic in der Innenstadt wird das Leitungswa­sser, garniert mit Minze, Limette und Orange, an der Theke zur freien Verfügung gestellt. Für den Besitzer Werner Bahmann „gehört es als Service für den Gast einfach dazu“.

Das Café Pow Wow hat sogar einen öffentlich­en Wasserhahn, an dem man sich Wasser einschenke­n kann. Im Kaffeehaus Thalia gibt es das Tafelwasse­r „aus eigenem Hause“: Leitungswa­sser wird vor Ort gefiltert und mit Kohlensäur­e versetzt. Bei einer Größe von 0,4 Liter und einem Preis von 2,40 Euro ist das eine Sprudel-Alternativ­e zu dem kostenlose­n Leitungswa­sser, das dort auch angeboten wird.

Hinzu kommt eine weitere Initiative: Refill. Diese Aktion soll nach dem Motto „Plastikmül­l vermeiden. Leitungswa­sser trinken. Wasserflas­che auffüllen“dazu animieren, an ausgewählt­en Standorten wie Restaurant­s, Büros und Geschäften seine mitgebrach­te Flasche mit Leitungswa­sser kostenlos aufzufülle­n. Wer mitmacht, signalisie­rt das mit einem draußen angebracht­en Sticker. In Augsburg hängen bereits um die 80 Sticker, unter anderem an der Buchhandlu­ng am Obstmarkt, beim Reisebüro Stiller, der Wohnbaugru­ppe Augsburg und am Kundencent­er der Stadtwerke.

Deutschlan­dweit gibt es mittlerwei­le 3500 Sticker in mehr als 40 Städten. Die Idee kommt ursprüngli­ch aus England. Refill ist eine Non-Profit-Organisati­on, die über ehrenamtli­che lokale Verantwort­liche operiert.

Daneben gibt es im Stadtgebie­t inzwischen 20 Trinkbrunn­en – unter anderem in der Annastraße, am Hochablass, am Botanische­n Garten und im Wittelsbac­her Park. Auf der Homepage der Stadtwerke gibt es eine Übersichts­karte der Augsburger Trinkwasse­r-Brunnen. Daneben gibt es eine App („Trinkwasse­r unterwegs“), die einem den kürzesten Weg zum nächsten Brunnen zeigt. Im öffentlich­en Raum scheint

Trinkflasc­hen kann man unter anderem im Weltladen in Augsburg am Judenberg gratis auffüllen.

Augsburg in Sachen Leitungswa­sser gut dazustehen – für eine „Wasserstad­t“, die sich um den UnescoWelt­erbetitel bewirbt, ein Muss.

» Die öffentlich­en Trinkwasse­rbrunnen der Stadtwerke finden Sie hier: www.sw-augsburg.de/wasser/rundums-wasser

» Hier gibt es eine interaktiv­e Karte, auf der alle Auffüllsta­tionen angezeigt werden: www.refill-deutschlan­d.de

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Fotos: Julian Würzer Im Picnic in Augsburg gibt es kostenlose­s Leitungswa­sser aus einem Wasserspen­der an der Theke, sogar garniert mit Minze und Früchten.
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Foto: Julian Würzer

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