Augsburger Allgemeine (Land West)

Zahlt die Kasse bald den Bluttest auf Downsyndro­m?

Medizin Es gibt eine Empfehlung bei Risiko-Schwangers­chaften. Warum Kritiker davor warnen

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Berlin Die Debatte läuft schon einige Jahre und ist auch mit einem ersten Empfehlung­sbeschluss noch lange nicht beendet: Soll der Bluttest bei einer Schwangere­n zur Feststellu­ng von Trisomie 21 („Downsyndro­m“) bei dem Ungeborene­n womöglich zur Kassenleis­tung werden? Der Gemeinsame Bundesauss­chuss – ein Gremium von Ärzten, Kliniken, Krankenkas­sen und Patienten, das entscheide­t, was bezahlt werden muss und was nicht – hat sich in einer entspreche­nden Beschlussv­orlage am Freitag dafür entschiede­n. Darüber endgültig entscheide­n wird er allerdings voraussich­tlich frühestens im August.

Damit ist aber zunächst mal das offizielle Verfahren eingeleite­t. Dabei sollen unter anderem wissenscha­ftliche Fachgesell­schaften, die Bundesärzt­ekammer und der Deutsche Ethikrat Stellungna­hmen dazu abgeben. Ein Bündnis von Organisati­onen wendet sich gegen das Vorhaben. Es fürchtet mehr Abtreibung­en. Bislang müssen Schwangere den Bluttest (ab rund 130 Euro) meist selbst zahlen. Der Vorsitzend­e des Bundesauss­chusses, Josef Hecken, verwies auf die Risiken anderer Untersuchu­ngen wie der Biopsie der Plazenta oder von Fruchtwass­eruntersuc­hungen sowie die „hohe Testgüte“der Bluttests. Eine Anerkennun­g der Tests sehe der Ausschuss daher ausdrückli­ch nur im Einzelfall als medizinisc­h begründet an. „Es geht nicht etwa um eine Reihenunte­rsuchung aller Schwangere­n“, betonte Hecken. Die Patientenv­ertretung im Ausschuss plädiert dafür, die Tests generell erst ab der zwölften Schwangers­chaftswoch­e zur Kassenleis­tung zu machen und die Beratung der Frauen zu erweitern. Abtreibung­en sind nach diesem Zeitraum nicht mehr ohne Weiteres möglich.

Als Risiko-Schwangere gelten unter anderem Frauen ab 35 Jahren. Derzeit entscheide­n sich nach Expertenan­gaben etwa zehn Prozent der getesteten Frauen, die mit einem Kind mit Downsyndro­m schwanger sind, für das Baby. 90 Prozent der Kinder kommen nicht zur Welt.

Für die Tests wird den Schwangere­n ab der elften Woche Blut abgenommen. Anhand der darin enthaltene­n Chromosome­nteile des Kindes oder der Plazenta kann unter anderem die Wahrschein­lichkeit berechnet werden, mit der das Kind mit Downsyndro­m auf die Welt kommen würde. Die Treffsiche­rheit liegt nach Angaben des Hersteller­s bei 99 Prozent. Die Falsch-AlarmRate sei sehr gering: Etwa eine von 1000 Frauen bekomme fälschlich­erweise die Informatio­n, ihr Kind habe Trisomie 21.

Behinderte­nvertretun­gen kritisiere­n die sich nun abzeichnen­de mögliche Zulassung des Tests als Kassenleis­tung. Sie befürchten ein Screening, an dessen Ende sich kaum noch Eltern für behinderte Kinder entscheide­n und damit der Druck auf Behinderte selbst wächst. Katholisch­e Verbände wie die Caritas oder der Sozialdien­st Katholisch­er Frauen sprechen von einem Verstoß gegen die UNBehinder­tenrechtsk­onvention: „Embryos werden durch den Test danach eingeteilt, ob ihr Leben lebenswert oder nicht lebenswert ist.“

Im Bundestag setzt sich eine Gruppe von Abgeordnet­en für eine ethische Debatte über die Tests ein. Im April soll es dazu eine Orientieru­ngsdebatte im Parlament geben.

Reihenunte­rsuchungen soll es auf keinen Fall geben

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Foto: Uli Deck, dpa Auch dieses kleine Mädchen hat das Downsyndro­m.

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