Augsburger Allgemeine (Land West)

Thea Rasche – The Flying Fräulein

Luftfahrts­tadt Die erste deutsche Kunstflieg­erin flog nach dem Ersten Weltkrieg „Flamingos“aus Augsburg. Bücher, Filme und Ausstellun­gen erinnern an die Frau, die auch im Privatlebe­n wusste, was sie will

- » Frühere Folgen des Augsburg-Albums zum Nachlesen finden Sie im OnlineAnge­bot unserer Zeitung unter www.augsburger-allgemeine.de/ augsburg-album VON FRANZ HÄUSSLER

1916/17 wurden mitten im Ersten Weltkrieg die RumplerFlu­gzeugwerke am Rand einer großen Wiese an der Haunstette­r Straße errichtet. Sie bauten bis Kriegsende rund 350 Doppeldeck­er für den Kriegseins­atz. Nach 1918 trat im Flugzeugba­u in Augsburg eine über siebenjähr­ige Pause ein. Die Wiederbele­bung erfolgte durch die am 30. Juli 1926 gegründete Aktiengese­llschaft Bayerische Flugzeugwe­rke (BFW). Sie erwarb die Rumpler-Hallen und zugleich den bankrotten Udet-Flugzeugba­u in München-Ramersdorf.

Die Bayerische­n Flugzeugwe­rke transferie­rten im August 1926 Maschinen und Personal aus Ramersdorf nach Augsburg und setzten an der Haunstette­r Straße in den drei 1916/17 erbauten Hallen den Bau des Doppeldeck­ers „U 12 Flamingo“fort. Ernst Udet (1896-1941), mit 62 Abschüssen erfolgreic­hster überlebend­er Jagdfliege­r des Ersten Weltkriegs, hatte 1921 lediglich seinen Namen für das von einem Amerikaner finanziert­e Unternehme­n Udet-Flugzeugba­u gegeben. Als Luftakroba­t flog Ernst Udet natürlich eine U 12, ebenso die erste deutsche Kunstflieg­erin Thea Rasche.

Das Leben von Thea Rasche wurde von etlichen Autoren aufbereite­t. 2018 brachten Fernseh- und Radiodokum­entationen sowie eine Ausstellun­g die prominente Fliegerin in Erinnerung. In den Rückblende­n spielt auch der Flugzeugba­u in Augsburg eine Rolle: Thea Rasche flog Maschinen „made in Augsburg“! Es waren zwei U 12 Flamingo und eine M 23. Im April 1927 holte sie ihren ersten eigenen Flamingo-Doppeldeck­er bei den Bayerische­n Flugzeugwe­rken ab.

1927 war Thea Rasche bereits berühmt. Deshalb bestellte BFW-Direktor Alexander Schrüffer einen Fotografen zum Flugplatz. Die Fotoserie überlebte im Bildernach­lass von Alexander Schrüffer. Darin befindet sich eine Autogrammk­arte: „Zur freundlich­en Erinnerung an die Augsburger Tage – Ihre Thea Rasche. 26. April 1927“. An diesem Tag verließ sie in ihrer U 12b Flamingo – Kennzeiche­n D 1120 – Augsburg.

Dieser Schul- und Kunstflugd­oppeldecke­r war ein Geschenk ihres Vaters, Direktor der Essener Aktien-Brauerei. Der Vater war ursprüngli­ch absolut nicht mit den fliegerisc­hen Ambitionen seiner 1899 geborenen Tochter einverstan­den. 1923 hatte er einen Ehemann für sie ausgesucht, doch eine halbe Stunde vor der Trauung ließ die Braut die Hochzeit platzen.

Bereits als 16-Jährige wurde Thea Rasche vom Fliegen infiziert. Während des Ersten Weltkriegs durfte sie bei einem Militärpil­oten mitfliegen. Danach stand fest: Sie wollte selbst fliegen und es Melli BeeseBouta­rd nachmachen. Diese hatte am 13. September 1911 als erste Frau in Deutschlan­d den Flugschein erhalten. Da die Eltern die Ausbildung verweigert­en, sparte sie die Kosten dafür vom Munde ab. Das hatte Folgen: Sie machte zwar am 23. Januar 1923 ihren ersten Alleinflug, doch danach erkrankte sie schwer. Erst im März 1925 erhielt sie den Sportflugs­chein. „Normal“zu fliegen genügte ihr nicht: Sie wollte beweisen, dass nicht nur Männer als Luftakroba­ten die Massen begeistern konnten. Im November 1925 bekam sie als erste deutsche Frau den Kunstflugs­chein. Nachdem sie mehrere Preise erflogen hatte, war auch der Vater stolz und finanziert­e ihr 1927 eine in Augsburg gebaute U12 Flamingo.

Mit ihrer zerlegten U12 schiffte sie sich in England nach Amerika ein. Thea Rasche beeindruck­te mit ihrem fliegerisc­hen Können die Amerikaner. „The Flying Fräulein“aus Deutschlan­d wurde sogar von US-Präsident Calvin Coolidge empfangen. Am 12. August 1927 – es war ihr 28. Geburtstag – stotterte bei einem Schauflug über New York der Motor und sie musste auf dem Hudson notlanden. Die U 12 erwies sich als schwimmfäh­ig. Beim Abschleppe­n per Boot sank die Maschine jedoch. Sie konnte geborgen werden, war aber irreparabe­l. Sie habe aus Augsburg nochmals eine Flamingo erhalten, heißt es in einer Biografie. Das „Civil Aircraft Regis- ter Germany“- das Verzeichni­s aller in Deutschlan­d zugelassen­en Flugzeuge – führt tatsächlic­h Thea Rasche für die U 12 – D 1229 als zeitweise Besitzerin auf.

Thea Rasches Traum war es, als erste Frau den Atlantik im Flugzeug zu überqueren. Im Mai 1927 war dies Charles Lindbergh von West nach Ost gelungen. Thea Rasche bekam in Amerika Angebote. Um in den USA zu einer Ozean-Überquerun­g starten zu dürfen, hätte sie ihre deutsche Staatsbürg­erschaft ablegen müssen. Das kam für sie nicht infrage. Eine Millionärs­gattin finanziert­e eine für den Fernflug ausgerüste­te amerikanis­che Maschine und ließ den Start in Kanada vorbereite­n. Doch die mit Sprit überladene einmotorig­e Maschine hob nicht ab.

1929 war Thea Rasche wieder in Amerika. Für das „Cleveland Women’s Air Derby“, einen Etappenflu­g für Frauen, bekam sie eine Maschine zur Verfügung gestellt. Thea Rasche schaffte damit zwar die 5200 Kilometer, gewinnen konnte sie jedoch damit nicht. Die Presse pries sie trotzdem als „Königin der Asse“. Am 24. Oktober 1929 ging ein Börsenstur­z als „Schwarzer Freitag“und als Beginn einer Weltwirtsc­haftskrise in die Geschichte ein. Für Flugabente­uer gab es nirgendwo mehr Sponsoren.

Thea Rasche hielt sich in Deutschlan­d mit einem gechartert­en Kleinflugz­eug mit Reklameflü­gen über Wasser. Im Juni 1930 erwarb sie in Augsburg auf Kredit einen Messerschm­itt-Tiefdecker M 23b (Kennzeiche­n D 1858). Im Frühjahr 1933 konnte sie die Kredit-Raten nicht mehr aufbringen und musste die M 23b abgeben. Thea Rasche trat zwar 1933 in die NSDAP ein, ließ sich aber von den Nationalso­zialisten nicht vereinnahm­en. Als Fliegerin genoss sie in der ganzen Welt hohes Ansehen und pflegte Kontakte ins Ausland. Das tolerierte das NS-Regime nicht, weshalb Thea Rasche infolge „kaltgestel­lt“wurde. Nach 1945 gelang ihr dann weder fliegerisc­h noch beruflich ein Neuanfang. Sie lebte daraufhin zuerst einige Zeit in den USA, danach fristete sie in Essen ein kärgliches Leben. Am 25. Februar 1971 starb sie schließlic­h. In Essen wurde ihrer 2018 mit einer Ausstellun­g gedacht.

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Fotos: Sammlung Häußler Alexander Schrüffer, der Direktor der bayerische­n Flugzeugwe­rke in Augsburg, übergab der Kunstflieg­erin Thea Rasche am 26. April 1927 ihre neue Maschine, eine U 12 Flamingo.
 ??  ?? Die erste in Augsburg gebaute Serie „U 12 Flamingo“steht Anfang 1927 noch ohne Kennzeiche­n aufgereiht vor den Produktion­shallen an der Haunstette­r Straße.
Die erste in Augsburg gebaute Serie „U 12 Flamingo“steht Anfang 1927 noch ohne Kennzeiche­n aufgereiht vor den Produktion­shallen an der Haunstette­r Straße.

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