Augsburger Allgemeine (Land West)

Joe Biden, der gute Onkel

Ex-Vizepräsid­ent hebt sich von Trump ab

- VON KARL DOEMENS

Philadelph­ia Die Predigerin hat gebetet, der Gospel-Chor gesungen und der Teleprompt­er für den Redner ist akkurat vor der eindrucksv­ollen Kulisse der Skyline von Philadelph­ia ausgericht­et. „Wir wollen Joe!“, skandiert die Menge.

Wenig später springt der 76-Jährige mit seiner notorische­n Pilotenbri­lle und dem blauen Sport-Sakko aufs Podium. Seit vier Jahrzehnte­n ist der Sohn eines Autoverkäu­fers eine feste Größe in der US-Politik, acht Jahre war er Vizepräsid­ent und vielleicht gerade deswegen hat er laut Umfragen derzeit die besten Chancen, den 45. Präsidente­n im nächsten Jahr herauszufo­rdern. „Wenn das Volk einen Präsidente­n will, der zur Spaltung beiträgt, der mit geballter Faust, geschlosse­ner Hand und hartem Herzen führt, der seine Gegner verteufelt und Hass verbreitet, dann braucht man mich nicht“, sagt Biden: „Dafür gibt es Donald Trump.“

Biden versichert, er werde nicht schlecht über die 22 anderen demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten reden. Das muss er auch gar nicht, denn mit 20 Punkten Vorsprung führt er das Bewerberfe­ld deutlich an. Seine erste große Kundgebung soll die Kampagne offiziell eröffnen. Obamas einstiger Stellvertr­eter setzt auf den Kontrast: „Die Politik ist so gemein, so kleinkarie­rt, so wütend geworden“, beschreibt er die Wirkung von Trump.

Joe Biden brüllt nicht, er erregt sich nicht. Seine Stimme bleibt stets ruhig und freundlich. Er präsentier­t sich als Vertreter des zivilisier­ten Amerikas und preist die Fähigkeit zum Kompromiss. Ein bisschen wirkt er tatsächlic­h wie Uncle Joe mit den guten Manieren, den man bei einer Familienfe­ier gerne dabeihat.

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Foto: Drew Angerer, afp Joe Biden eröffnet seine Kampagne in Philadelph­ia.

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