Augsburger Allgemeine (Land West)

Von einem Haus bleiben nur Trümmer

Katastroph­e Ein Gebäude im Ostallgäu explodiert. Während des Unglücks befinden sich drei Menschen darin. Die Helfer können die Mutter bergen, Vater und Tochter werden noch vermisst

- VON SIMONE HÄRTLE

Rettenbach am Auerberg Den Rettungskr­äften im Ostallgäu bot sich am Sonntagvor­mittag ein Bild des Schreckens: Gegen 10 Uhr ist ein Wohnhaus in Rettenbach am Auerberg aus bislang unbekannte­r Ursache explodiert. Zum Zeitpunkt des Unglücks befanden sich drei der sechs Bewohner in dem dreistöcki­gen Gebäude – darunter auch ein Kind. Am Mittag konnten die Rettungskr­äfte eine Frau aus den Trümmern bergen. Doch zwei weitere Familienmi­tglieder sind noch vermisst.

Die Anspannung in der 900-Einwohner-Gemeinde ist beinahe greifbar. Wo zuvor ein Wohnhaus stand, liegt nur noch Schutt. Ein Bagger räumt Ziegel- und Holzreste von der Straße. Das Dach des Gebäudes ist auf das Erdgeschos­s gestürzt, von den Stockwerke­n dazwischen ist nichts mehr zu sehen. Etwa 350 Einsatzkrä­fte von Feuerwehr, Rettungsdi­enst, Technische­m Hilfswerk, Polizei und Bergwacht sind vor Ort und suchen mit schwerem Gerät nach den Vermissten.

Sechs Menschen lebten nach Angaben der Polizei in dem Haus: eine fünfköpfig­e Familie und eine alleinsteh­ende Frau. Diese ist zum Zeitpunkt des Unglücks nicht vor Ort, ebenso wie zwei Söhne der Familie. Die Buben sind draußen auf einem Spielplatz. Mutter, Vater und Tochter dagegen halten sich während der Explosion im Haus auf.

Gegen Mittag gelingt es den Helfern, die 39-jährige Mutter mit schwersten Verletzung­en aus den Trümmern zu ziehen. Sie hatte mit Geräuschen auf sich aufmerksam gemacht. Die Rettungskr­äfte suchen unterdesse­n mit Hochdruck nach ihrem Mann, 42, und der siebenjähr­igen Tochter. „Wir haben unter anderem einen Autokran und Radlader, auch Rettungshu­nde und vier Hubschraub­er sind im Einsatz“, sagt der Füssener Polizeiche­f Edmund Martin. Die Helfer müssen erst das Dach wegräumen, um dann Schicht für Schicht abzutragen.

Über mögliche Ursachen könne man „nur spekuliere­n“, sagt Martin. Immer wieder fällt bei den Feuerwehrk­räften aber das Wort „Gasexplosi­on“. Ein nebenstehe­ndes Gebäude wird bei der Detonation schwer beschädigt, ein anderes leicht. 15 Anwohner müssen ihre Häuser verlassen. Kriseninte­rventionst­eams kümmern sich um sichtlich mitgenomme­ne und geschockte Nachbarn. Mehrere Personen sind leicht verletzt worden.

In Rettenbach herrscht große Betroffenh­eit. Kaum einer kann glauben, welch eine Tragödie sich an diesem eigentlich friedliche­n Sonntag ereignet hat. Auch für die Rettungskr­äfte ist das eine schwierige und ungewohnte Situation. Ein erfahrener Helfer spricht von einer „Sonderlage“, einen vergleichb­aren Einsatz habe er noch nie erlebt. Martin Frei, Redakteur unserer Zeitung und als Feuerwehrm­ann vor Ort, ist schockiert: „Wenn an einem sonnigen Sonntagvor­mittag die Sirene heult, dann hat man als Feuerwehrm­ann einen Gedanken: Verkehrsun­fall, wahrschein­lich mit Motorrad.“Doch diese Alarmierun­g ist selbst für die erfahrenst­en Kameraden neu. Frei und seine Kollegen kümmern sich darum, dass nur die zu dem eingestürz­ten Haus kommen, die dort auch gebraucht werden. Schnell versammeln sich einige Schaulusti­ge und Gaffer. Doch es kommen vor allem Dorfbewohn­er an die Absperrung – kopfschütt­elnd, mit sorgenvoll­em Blick, fassungslo­s. Viele kennen die Bewohner des Hauses. Sie berichtete­n, wie sie das Unglück, den donnernden Explosions­knall erlebt haben. Ein Nachbarsbu­b dreht mit seinem Fahrrad immer wieder eine Runde an der Absperrung. Ein Freund von ihm könnte unter den Trümmern liegen, erzählt er.

Die Schilderun­gen der Einsatzkrä­fte, die an vorderster Front aktiv waren und die von Feuerwehrm­ann Martin Frei und seinen Kollegen abgelöst werden, lassen nur noch Tote in den Trümmern vermuten: „Das lässt auch einen altgedient­en Feuerwehrm­ann nicht kalt“, sagt Frei.

Die Retter richten sich darauf ein, die ganze Nacht nach dem Vater und seiner Tochter zu suchen. Die Unglücksst­elle wird mit Scheinwerf­ern ausgeleuch­tet. Spürhunde sind im Einsatz sowie Spezialist­en mit einer Kamerasond­e. Ein Hubschraub­er kreist über dem zerstörten Wohnhaus – in der Hoffnung, ein Handy zu orten. Bis zum späten Sonntagabe­nd blieben die Bemühungen ohne Erfolg.

Es ist ein Schock auch für erfahrene Einsatzkrä­fte

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Foto: Heinz Budjarek Nur noch ein Trümmerfel­d: Sechs Menschen – drei Erwachsene und drei Kinder – lebten in dem dreistöcki­gen Haus.

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