Augsburger Allgemeine (Land West)
Baiers furchtbarer Geburtstag
Fußball Der FCA-Kapitän geht an seinem Wiegenfest mit Augsburg beim VfL Wolfsburg mit 1:8 unter. Dort erlebt er auch wütende Fans
Mit einem Sonderzug waren die Fans des FC Augsburg nach Wolfsburg gefahren. Ein letztes Mal die Mannschaft begleiten, im Stadion anfeuern, die Bundesliga-Spieler mit Applaus in die Sommerpause verabschieden, auf der Rückfahrt bei ein, zwei Bierchen über die Saison sinnieren. So zumindest die gemeine Vorstellung, die dem Ausflug gen Niedersachsen vorausging. Doch der Nachmittag nahm einen ganz anderen Verlauf, Augsburgs Anhänger erlebten Historisches, auf das sie gerne verzichtet hätten. Mitte der zweiten Hälfte, als sich das Debakel abzeichnete, hatte sich die Stimmung im Gästefanblock vollends gedreht, statt Versöhnlichem Anfeindungen und Beschimpfungen.
Reichlich Überredungskunst von FCA-Kapitän Daniel Baier war nötig, um seine Mitspieler vom Gang vor die wütenden Anhänger zu überzeugen. Auf halber Strecke blieb die Mannschaft stehen. Baier zeigte Verständnis für den Unmut der Anhängerschaft, wollte sich das aber nicht lange ansehen, wie er gestand. „Das muss nicht sein, dass ich mich mit 35 noch beschimpfen lassen muss.“
Baier, eine Identifikationsfigur des Vereins, wurde am Samstag besagte 35 Jahre alt. Mit dem FC Augsburg hat er stets die Erstklassigkeit bewahrt, erlebte Höhepunktmomente im Europapokal. Dennoch widerfährt ihm gelegentlich noch Unerwartetes im Augsburger Trikot.
Das 1:8 in Wolfsburg bedeutete einen Negativrekord, nie zuvor hatte der FCA in der Bundesliga höher verloren. „Diesen Rekord nehmen wir auch noch mit“, merkte Baier sarkastisch an. Die Gegentore sorgten bei ihm nicht zum ersten Mal für Kopfschütteln. In Bremen, Freiburg oder Nürnberg hatte der FCA ebenfalls Auflösungserscheinungen gezeigt. Dass sich der FCA nicht wehrte, war für Baier eine Erkenntnis der Saison.
Zudem war er in dieser Spielzeit Zeuge, dass der bedingungslose Rückhalt der Anhänger geschwunden ist. Selbst die Ultras, die sich stets verpflichtet sahen, ihr Team fernab von Ergebnissen zu unterstützen, wendeten sich in der abgelaufenen Spielzeit ab. In ihrem Flugblatt, den „Supporter News“, die sie an Heimspieltagen verteilen, äußerte die aktive Fanszene jüngst ihre Unzufriedenheit über die Darbietungen der abgelaufenen Spielzeit; und in Wolfsburg wiederholte sich, was sich schon in Freiburg nach dem 1:5 abgespielt hatte: Nach dem Schlusspfiff schlug der Mannschaft Wut entgegen. „Du bemerkst natürlich die Aggressionen“, beschrieb Baier.
Ein Vorwurf der Fans, den sie durch Klopfen auf die linke Brust mit Gesten untermalten: die fehlende Leidenschaft, die gemeinhin im Herzen vermutet wird. Baier, der sich zumindest ansatzweise auf dem Rasen dem Wolfsburger Siegeswillen entgegengestellt hatte, missfielen die Äußerungen der Fans, doch auch er bemängelte die fehlende Wertschätzung einiger Mitspieler, auf der Bühne Bundesliga zu stehen. Baier betonte: „Auch wenn du drei Wochen gerettet bist, musst du dich freuen und geil darauf sein, hier zu spielen. Das haben wir vermissen lassen.“Er hoffte, die Schmach von Wolfsburg diene als „Warnschuss“. „Sonst stehen wir nicht mehr hier“, schob Baier im Kabinentrakt der Wolfsburger Arena hinterher.
Für den einzigen Lichtblick sorgte Julian Schieber. Der Angreifer, der im vergangenen Jahr aus Berlin gekommen war, blickt auf eine unbefriedigende Spielzeit, geprägt von langwierigen Verletzungen, zurück, er verabschiedete sich allerdings mit einem besseren Gefühl in die Sommerpause als seine Mitspieler. In Wolfsburg gelang Schieber der Premierentreffer im Augsburger Trikot.
So recht freuen konnte er sich über das zwischenzeitliche 1:6 indes nicht. Der Angreifer fasste zusammen: „Das war nicht bundesligatauglich, das ist ein trauriger Tag für uns. Die Körpersprache war von Anfang an schlecht, wir haben keinerlei Reaktion gezeigt.“
Auch wenn es Schieber an diesem Nachmittag schwerfiel, er persönlich mühte sich um einen positiven Blick in die Zukunft. Er fühle sich fit und freue sich auf zwei weitere Jahre in Augsburg. Allein wegen seiner wiederholten Verletzungspausen weiß es Schieber sehr wohl zu schätzen, noch in der Bundesliga zu spielen.
„Das muss nicht sein, dass ich mich mit 35 Jahren noch beschimpfen lassen muss.“
Daniel Baier auf die Reaktion der Fans