Augsburger Allgemeine (Land West)

Baiers furchtbare­r Geburtstag

Fußball Der FCA-Kapitän geht an seinem Wiegenfest mit Augsburg beim VfL Wolfsburg mit 1:8 unter. Dort erlebt er auch wütende Fans

- VON JOHANNES GRAF

Mit einem Sonderzug waren die Fans des FC Augsburg nach Wolfsburg gefahren. Ein letztes Mal die Mannschaft begleiten, im Stadion anfeuern, die Bundesliga-Spieler mit Applaus in die Sommerpaus­e verabschie­den, auf der Rückfahrt bei ein, zwei Bierchen über die Saison sinnieren. So zumindest die gemeine Vorstellun­g, die dem Ausflug gen Niedersach­sen vorausging. Doch der Nachmittag nahm einen ganz anderen Verlauf, Augsburgs Anhänger erlebten Historisch­es, auf das sie gerne verzichtet hätten. Mitte der zweiten Hälfte, als sich das Debakel abzeichnet­e, hatte sich die Stimmung im Gästefanbl­ock vollends gedreht, statt Versöhnlic­hem Anfeindung­en und Beschimpfu­ngen.

Reichlich Überredung­skunst von FCA-Kapitän Daniel Baier war nötig, um seine Mitspieler vom Gang vor die wütenden Anhänger zu überzeugen. Auf halber Strecke blieb die Mannschaft stehen. Baier zeigte Verständni­s für den Unmut der Anhängersc­haft, wollte sich das aber nicht lange ansehen, wie er gestand. „Das muss nicht sein, dass ich mich mit 35 noch beschimpfe­n lassen muss.“

Baier, eine Identifika­tionsfigur des Vereins, wurde am Samstag besagte 35 Jahre alt. Mit dem FC Augsburg hat er stets die Erstklassi­gkeit bewahrt, erlebte Höhepunktm­omente im Europapoka­l. Dennoch widerfährt ihm gelegentli­ch noch Unerwartet­es im Augsburger Trikot.

Das 1:8 in Wolfsburg bedeutete einen Negativrek­ord, nie zuvor hatte der FCA in der Bundesliga höher verloren. „Diesen Rekord nehmen wir auch noch mit“, merkte Baier sarkastisc­h an. Die Gegentore sorgten bei ihm nicht zum ersten Mal für Kopfschütt­eln. In Bremen, Freiburg oder Nürnberg hatte der FCA ebenfalls Auflösungs­erscheinun­gen gezeigt. Dass sich der FCA nicht wehrte, war für Baier eine Erkenntnis der Saison.

Zudem war er in dieser Spielzeit Zeuge, dass der bedingungs­lose Rückhalt der Anhänger geschwunde­n ist. Selbst die Ultras, die sich stets verpflicht­et sahen, ihr Team fernab von Ergebnisse­n zu unterstütz­en, wendeten sich in der abgelaufen­en Spielzeit ab. In ihrem Flugblatt, den „Supporter News“, die sie an Heimspielt­agen verteilen, äußerte die aktive Fanszene jüngst ihre Unzufriede­nheit über die Darbietung­en der abgelaufen­en Spielzeit; und in Wolfsburg wiederholt­e sich, was sich schon in Freiburg nach dem 1:5 abgespielt hatte: Nach dem Schlusspfi­ff schlug der Mannschaft Wut entgegen. „Du bemerkst natürlich die Aggression­en“, beschrieb Baier.

Ein Vorwurf der Fans, den sie durch Klopfen auf die linke Brust mit Gesten untermalte­n: die fehlende Leidenscha­ft, die gemeinhin im Herzen vermutet wird. Baier, der sich zumindest ansatzweis­e auf dem Rasen dem Wolfsburge­r Siegeswill­en entgegenge­stellt hatte, missfielen die Äußerungen der Fans, doch auch er bemängelte die fehlende Wertschätz­ung einiger Mitspieler, auf der Bühne Bundesliga zu stehen. Baier betonte: „Auch wenn du drei Wochen gerettet bist, musst du dich freuen und geil darauf sein, hier zu spielen. Das haben wir vermissen lassen.“Er hoffte, die Schmach von Wolfsburg diene als „Warnschuss“. „Sonst stehen wir nicht mehr hier“, schob Baier im Kabinentra­kt der Wolfsburge­r Arena hinterher.

Für den einzigen Lichtblick sorgte Julian Schieber. Der Angreifer, der im vergangene­n Jahr aus Berlin gekommen war, blickt auf eine unbefriedi­gende Spielzeit, geprägt von langwierig­en Verletzung­en, zurück, er verabschie­dete sich allerdings mit einem besseren Gefühl in die Sommerpaus­e als seine Mitspieler. In Wolfsburg gelang Schieber der Premierent­reffer im Augsburger Trikot.

So recht freuen konnte er sich über das zwischenze­itliche 1:6 indes nicht. Der Angreifer fasste zusammen: „Das war nicht bundesliga­tauglich, das ist ein trauriger Tag für uns. Die Körperspra­che war von Anfang an schlecht, wir haben keinerlei Reaktion gezeigt.“

Auch wenn es Schieber an diesem Nachmittag schwerfiel, er persönlich mühte sich um einen positiven Blick in die Zukunft. Er fühle sich fit und freue sich auf zwei weitere Jahre in Augsburg. Allein wegen seiner wiederholt­en Verletzung­spausen weiß es Schieber sehr wohl zu schätzen, noch in der Bundesliga zu spielen.

„Das muss nicht sein, dass ich mich mit 35 Jahren noch beschimpfe­n lassen muss.“

Daniel Baier auf die Reaktion der Fans

 ?? Foto: Peter Steffen, dpa ?? Daniel Baier ist fassungslo­s. Eine so hohe Niederlage hat er in seiner bisherigen Zeit mit dem FCA nicht erlebt.
Foto: Peter Steffen, dpa Daniel Baier ist fassungslo­s. Eine so hohe Niederlage hat er in seiner bisherigen Zeit mit dem FCA nicht erlebt.

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