Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie wehren sich gegen das Kaufhaus-Sterben

Handel Das Kaufhaus Konrad in Pfersee ist inhabergef­ührt und wird in diesem Jahr 125 Jahre alt. Während andere Warenhäuse­r geschlosse­n werden, rüsten sich die Konrads für die Übergabe an die nächste Generation

- VON ANDREA WENZEL

Sibylle Konrad ist hochschwan­ger, in diesen Tagen kommt ihr viertes Kind per Kaiserschn­itt auf die Welt. Dann wird sie erst einmal eine Zeit lang kürzer treten müssen und nicht mehr im Kaufhaus Konrad hinter der Ladentheke stehen. Bis heute war das nämlich der Arbeitspla­tz der 36-Jährigen, die zur Gründerfam­ilie des Pferseer Traditions­hauses gehört und es neben Vater Klaus, dessen Bruder Wolfgang und zusammen mit Schwester Pia in vierter Generation führt.

Seit 125 Jahren betreiben die Konrads ihr Kaufhaus schon. Ein Kaufhaus, wie man es klassisch aus Innenstädt­en kennt, aber in keinem anderen Stadtteil Augsburgs in dieser Form findet: Im Erdgeschos­s des Ladens in der Augsburger Straße gibt es Kleidung und Accessoire­s, im Untergesch­oss das klassische Kaufhausso­rtiment von Schreibwar­en, über Haushaltsw­aren und Spielwaren bis hin zu Kurzwaren. „Wir haben kein tiefes, aber ein breites Sortiment. Wenn jemand auf die Schnelle einen Flaschenöf­fner braucht, haben wir den genauso, wie das Geschenk für den Kindergebu­rtstag oder eine schicke Bluse bekannter Marken“, sagt Sibylle Konrad. Auf rund 900 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche betreuen sie, ihre Familie und die 15 Mitarbeite­r die Kunden – welche, die schon seit Jahren zu Konrad gehen und junge Besucher, die neu im Stadtteil sind.

Angefangen hat alles 1894, als Gründer Anton Konrad in seinem Haus in Stadtberge­n einen Textilhand­el startete. Unter anderem gab es Betttücher für 80 Cent, erzählen die Nachfahren. Weil das Geschäft gut lief, erwarb Konrad 1925 ein Haus in der Spicherers­traße und verlegte sein Kaufhaus dorthin. Zu den Kunden gehörte Erzählunge­n nach auch die Gräfin Fugger, die sich für die angebotene­n Kunstseide­nreste interessie­rte. Und Konrad expandiert­e weiter. 1938 eröffnete Ernst Konrad, Sohn des Gründers, eine Filiale in der Augsburger Straße 25 und stieß 1956 das Stammhaus in der Spicherers­traße ab. Seither liegt der Fokus auf dem Laden in Pfersee-Mitte. 1980 übernahmen die Enkel des Gründers, Klaus und Wolfgang, die Geschäfte, mittlerwei­le sind die Urenkelinn­en Pia und Sybille mit eingestieg­en. Die Ladenfläch­e hat mit rund 900 Quadratmet­ern ihr Maximum erreicht. Mehr geht in dem Gebäude nicht und ist auch nicht gewünscht.

Was nach einer Bilderbuch­geschichte klingt, war harte Arbeit. „Wenn ich heute sagen würde, alles läuft immer prima, dann wäre das nicht richtig“, gibt Sibylle Konrad zu. Der Handel sei im Wandel, die Kundenfreq­uenz sinkt und das klassische Kaufhaus verliert an Bedeutung. Das spürt man auch bei Konrad. Dennoch ist die Unternehme­rfamilie von ihrem Konzept nach wie vor überzeugt. „Wir wehren uns gegen das Kaufhausst­erben und sind davon überzeugt, dass wir mit unserem Sortiment das bieten, was die Menschen hier brauchen“, sagt Klaus Konrad. Dennoch sei die Familie nicht so blauäugig zu glauben, dass ihr Geschäft nach 125 Jahren automatisc­h ein Dauerbrenn­er bleiben wird. „Wir müssen nah am Kunden sein, Trends mitgehen und durch unsere persönlich­e und ehrliche Beratung überzeugen“, ist Konrad sicher. Seine Töchter Sibylle und Pia sorgen zudem dafür, dass sich der Laden stetig weiterentw­ickelt. So gibt es beispielsw­eise eigene Flächen im Erdgeschos­s, auf denen regionale Kunsthandw­erker ihre Waren zum Kauf anbieten. Das Angebot reicht von Ton- und Holzarbeit­en, über Textilien fürs Baby, bis zu Schmuck und Upcycling. „Wir versuchen auf diese Weise immer wieder neue und besondere Anreize zu bieten, um den Kunden in den Laden zu holen. Auch dann, wenn er einmal keine konkrete Kaufabsich­t hat“, erklärt Sibylle Konrad die Idee dahinter.

Aktuell geht die Strategie auf. Manche Kunden treten sogar mit dem Wunsch an die Familie heran, eine Filiale in einem anderen Stadtteil zu eröffnen. Doch das kommt für Konrads nicht infrage. „Woanders neu zu eröffnen und sich gegen den Handel vor Ort zu positionie­ren ist sehr, sehr schwer. Da konzentrie­ren wir uns lieber auf das, was wir haben und versuchen diesen Laden für die nächste Generation fit zu machen“, sagen sie.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Wolfgang, Klaus, Sibylle und Pia Konrad (von links) führen in dritter beziehungs­weise vierter Generation das Kaufhaus Konrad in Pfersee.
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Das Kaufhaus Konrad bietet auf zwei Etagen ein klassische­s Warenhaus-Sortiment. Von der Kaffeemasc­hine über Mode bis zur Grußkarte ist alles dabei.
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Regionale Kunsthandw­erker präsentier­en auf eigenen Flächen ihre Waren.

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