Augsburger Allgemeine (Land West)
Sie wehren sich gegen das Kaufhaus-Sterben
Handel Das Kaufhaus Konrad in Pfersee ist inhabergeführt und wird in diesem Jahr 125 Jahre alt. Während andere Warenhäuser geschlossen werden, rüsten sich die Konrads für die Übergabe an die nächste Generation
Sibylle Konrad ist hochschwanger, in diesen Tagen kommt ihr viertes Kind per Kaiserschnitt auf die Welt. Dann wird sie erst einmal eine Zeit lang kürzer treten müssen und nicht mehr im Kaufhaus Konrad hinter der Ladentheke stehen. Bis heute war das nämlich der Arbeitsplatz der 36-Jährigen, die zur Gründerfamilie des Pferseer Traditionshauses gehört und es neben Vater Klaus, dessen Bruder Wolfgang und zusammen mit Schwester Pia in vierter Generation führt.
Seit 125 Jahren betreiben die Konrads ihr Kaufhaus schon. Ein Kaufhaus, wie man es klassisch aus Innenstädten kennt, aber in keinem anderen Stadtteil Augsburgs in dieser Form findet: Im Erdgeschoss des Ladens in der Augsburger Straße gibt es Kleidung und Accessoires, im Untergeschoss das klassische Kaufhaussortiment von Schreibwaren, über Haushaltswaren und Spielwaren bis hin zu Kurzwaren. „Wir haben kein tiefes, aber ein breites Sortiment. Wenn jemand auf die Schnelle einen Flaschenöffner braucht, haben wir den genauso, wie das Geschenk für den Kindergeburtstag oder eine schicke Bluse bekannter Marken“, sagt Sibylle Konrad. Auf rund 900 Quadratmetern Verkaufsfläche betreuen sie, ihre Familie und die 15 Mitarbeiter die Kunden – welche, die schon seit Jahren zu Konrad gehen und junge Besucher, die neu im Stadtteil sind.
Angefangen hat alles 1894, als Gründer Anton Konrad in seinem Haus in Stadtbergen einen Textilhandel startete. Unter anderem gab es Betttücher für 80 Cent, erzählen die Nachfahren. Weil das Geschäft gut lief, erwarb Konrad 1925 ein Haus in der Spichererstraße und verlegte sein Kaufhaus dorthin. Zu den Kunden gehörte Erzählungen nach auch die Gräfin Fugger, die sich für die angebotenen Kunstseidenreste interessierte. Und Konrad expandierte weiter. 1938 eröffnete Ernst Konrad, Sohn des Gründers, eine Filiale in der Augsburger Straße 25 und stieß 1956 das Stammhaus in der Spichererstraße ab. Seither liegt der Fokus auf dem Laden in Pfersee-Mitte. 1980 übernahmen die Enkel des Gründers, Klaus und Wolfgang, die Geschäfte, mittlerweile sind die Urenkelinnen Pia und Sybille mit eingestiegen. Die Ladenfläche hat mit rund 900 Quadratmetern ihr Maximum erreicht. Mehr geht in dem Gebäude nicht und ist auch nicht gewünscht.
Was nach einer Bilderbuchgeschichte klingt, war harte Arbeit. „Wenn ich heute sagen würde, alles läuft immer prima, dann wäre das nicht richtig“, gibt Sibylle Konrad zu. Der Handel sei im Wandel, die Kundenfrequenz sinkt und das klassische Kaufhaus verliert an Bedeutung. Das spürt man auch bei Konrad. Dennoch ist die Unternehmerfamilie von ihrem Konzept nach wie vor überzeugt. „Wir wehren uns gegen das Kaufhaussterben und sind davon überzeugt, dass wir mit unserem Sortiment das bieten, was die Menschen hier brauchen“, sagt Klaus Konrad. Dennoch sei die Familie nicht so blauäugig zu glauben, dass ihr Geschäft nach 125 Jahren automatisch ein Dauerbrenner bleiben wird. „Wir müssen nah am Kunden sein, Trends mitgehen und durch unsere persönliche und ehrliche Beratung überzeugen“, ist Konrad sicher. Seine Töchter Sibylle und Pia sorgen zudem dafür, dass sich der Laden stetig weiterentwickelt. So gibt es beispielsweise eigene Flächen im Erdgeschoss, auf denen regionale Kunsthandwerker ihre Waren zum Kauf anbieten. Das Angebot reicht von Ton- und Holzarbeiten, über Textilien fürs Baby, bis zu Schmuck und Upcycling. „Wir versuchen auf diese Weise immer wieder neue und besondere Anreize zu bieten, um den Kunden in den Laden zu holen. Auch dann, wenn er einmal keine konkrete Kaufabsicht hat“, erklärt Sibylle Konrad die Idee dahinter.
Aktuell geht die Strategie auf. Manche Kunden treten sogar mit dem Wunsch an die Familie heran, eine Filiale in einem anderen Stadtteil zu eröffnen. Doch das kommt für Konrads nicht infrage. „Woanders neu zu eröffnen und sich gegen den Handel vor Ort zu positionieren ist sehr, sehr schwer. Da konzentrieren wir uns lieber auf das, was wir haben und versuchen diesen Laden für die nächste Generation fit zu machen“, sagen sie.