Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Geheimnis der Müllberg-Quelle

Geschichte Vielen Besuchern gibt das sprudelnde Wasser Rätsel auf, doch es gibt eine einfache Erklärung. Für die Augsburger ist die Deponie zum Ausflugszi­el geworden – auch wegen des guten Rundumblic­ks / Serie (9)

- VON FRANZ HÄUSSLER

Über den „Gipfel“auf über 510 Meter Meereshöhe und 50 Meter über dem Lechtal weht meist Wind und oftmals herrscht gute Thermik, doch Gleitschir­mfliegen ist verboten! Drohnen sind ebenso tabu wie Modellflie­ger und kleine Flugdrache­n. Die Flugsicher­ung im Tower des Flugplatze­s hat Sichtkonta­kt zum Müllberg und würde wegen möglicher Gefährdung des Flugbetrie­bs sicherlich sofort Alarm auslösen.

Am „Südweg“sprudelt im Trockenber­eich auf fast 500 Metern Meereshöhe zeitweise eine kräftige „Quelle“. Sie gab schon vielen Besuchern Rätsel auf. Blubbernd quillt bei einer Wegbiegung zwischen Bruchstein­en klares Wasser in ein Bachbett. Darin begleitet es den Weg mehrere hundert Meter abwärts, ehe es im „Bergbach“spurlos verschwind­et. Schafe trinken an der Quelle, Rehe und andere Wildtiere kommen zu dieser komfortabl­en Tränke.

Deponielei­ter Robert Mayr lüftet das Geheimnis der „Quelle“auf dem Müllberg: „Im Süden der Deponie befindet sich in der Tiefe ein ergiebiger Feuerlösch­brunnen. Im Bedarfsfal­l müssen daraus 1000 Liter Wasser pro Sekunde entnommen werden können. Um Versandung­en vorzubeuge­n und die stetige Funktionsf­ähigkeit zu gewährleis­ten, saugt eine Hochdruckp­umpe stunden- oder tageweise Wasser aus dem Brunnen und drückt es fast 45 Meter höher in den Ablaufgrab­en.“Aus der rätselhaft­en „Quelle“sprudelt also sauberes Grundwasse­r, das unter dem Berg und in dessen Umgebung reichlich vorhanden ist.

Der Müllberg ragt weithin sichtbar aus der Ebene. Sein höchster Punkt liegt bei 510,7 Meter über Normal-Null (NN). Es ist die für Besucher freigegebe­ne nördliche Kuppe. Der südliche (nicht zugänglich­e) „Gipfel“bringt es auf 508,4 Meter. Wilfried Matzke, Leiter des städtische­n Geodatenam­tes, verfügt über die aktuellen Höhendaten von Augsburg. Diesen zufolge ragt der „Hauptgipfe­l“der hügeligen Mülldeponi­e rund 50 Meter aus dem umgebenden Gelände. Das belegen die zentimeter­genauen Höhennivel­lements des Geodatenam­tes.

Als einer der Höhenmessp­unkte diente der rund 2,5 Kilometer entfernte Flugplatz im Osten des Müllbergs. Auf ihn schaut man von der höchsten Kuppe rund 49 Meter herunter: Die Flugzeuge starten oder landen auf 462 Meter Meereshöhe. 40 Zentimeter höher verläuft die Fahrbahn der nahen Autobahn bei der Firnhabera­uer Brücke zum Müllberg. Der Obere Auweg ist die Adresse des „Wertstoff- & Servicepun­ktes der Deponie AugsburgNo­rd“. Er liegt 460 Meter über NN. Diese drei Daten belegen: Rund 50 Meter liegen zwischen dem umgebenden Gelände und der höchsten Stelle des Müllbergs.

Es gibt eine tiefere Stelle im Norden des Müllbergs: Der Wasserspie­gel des „Europaweih­ers“liegt auf 455,7 Metern über NN, also genau 55 Meter unterhalb des höchsten Punktes auf dem Müllberg. Doch von dort aus ist der Weiher nicht zu sehen. Ein dichtes Wäldchen aus stattliche­n Laubgehölz­en verhindert den „Tiefblick“. Auch der nahe Lech und das Lechwehr westlich des Müllbergs sind aus demselben Grund von oben nicht mehr sichtbar. In die Ferne reicht der Ausblick von oberhalb der „Waldgrenze“rundum weit über die Lechebene zu den westlichen und östlichen Höhenzügen. Augsburg ist im Süden breit hingelager­t überblickb­ar. Die auf dem Hochplatea­u erbaute Ulrichsbas­ilika steht auf „nur“494 Meter über NN, das Rathaus auf 486 Meter. Der höchste Geländepun­kt im Augsburger Territoriu­m erreicht 561 Meter, 50 Meter mehr als der Müllberg. Er liegt weitab von der Kernstadt im Wald bei Bergheim.

Eine Überraschu­ng haben die Geodaten der Stadtverwa­ltung bereit: Der Müllberg wird von Jahr zu Jahr niedriger! Das können sie seit 2003 durch regelmäßig­es Laserscann­ing des Stadtgebie­ts mit dem Flugzeug nachweisen. Das Schrumpfen bewegt sich allerdings nur im Zentimeter­bereich: Etwa zwei Zentimeter wird er pro Jahr kleiner. Das „Zusammensa­cken“wird durch biochemisc­he Zersetzung­sprozesse organische­n Materials im Innern des Müllbergs verursacht. Das wird noch lange so bleiben. Bei derzeit rund 8,2 Millionen Kubikmeter Gesamtvolu­men ist noch viel deponierte­r Müll „aktiv“.

Das Volumen der Deponie wird sich dagegen nur mehr gering erhöhen: Bei 8,6 Millionen Kubikmeter soll es am Ende der Deponierun­g auf dem dritten Müllhügel an der Ostseite der Deponie im Jahr 2023 liegen. Die Zusammense­tzung dieses jüngsten Deponietei­ls unterschei­det sich erheblich vom Inhalt der versiegelt­en Altdeponie: Der Osthügel ist entschiede­n kompakter, da brennbare und kompostier­bare Materialie­n dort schon lange nicht mehr abgelagert werden dürfen.

 ?? Fotos: Franz Häußler ?? Ungewöhnli­che Ausblicke bietet der Müllberg zuhauf. Mit dem Teleobjekt­iv herangehol­t, wirkt die ferne Alpenkette stadtnah. Kamine der Papierfabr­ik UPM und der Turm St. Ulrich, der das MAN-Hochhaus überragt, bilden die Bildbegren­zungen.
Fotos: Franz Häußler Ungewöhnli­che Ausblicke bietet der Müllberg zuhauf. Mit dem Teleobjekt­iv herangehol­t, wirkt die ferne Alpenkette stadtnah. Kamine der Papierfabr­ik UPM und der Turm St. Ulrich, der das MAN-Hochhaus überragt, bilden die Bildbegren­zungen.
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Ein von einer künstliche­n Quelle mit Grundwasse­r gespeister „Bergbach“dient Schafen als Tränke.
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