Augsburger Allgemeine (Land West)

Brutplätze dringend gesucht

Tiere Augsburgs Natur bietet wertvolle Lebensräum­e für Wildvögel, sogar für seltene Arten. Trotzdem finden auch „Allerwelts­vögel“immer schwerer Plätze zum Nestbau. Das soll sich ändern

- VON EVA MARIA KNAB

Eine Dohle sitzt auf halb Zwölf. Sie rastet kurz auf einem Zeiger der großen Turmuhr an der Kirche Sankt Thaddäus in Kriegshabe­r. Gleich wird sie in einer Öffnung unterhalb der Uhr verschwind­en. Dort ist ein künstliche­r Brutkasten in der Wand versteckt. In der Kirche gibt es Nisthilfen für verschiede­ne Vogelarten. Denn Wildvögel tun sich immer schwerer, in der Stadt Brutplätze zu finden. Das hat Gründe.

Beim Landesbund für Vogelschut­z (LBV) in Augsburg beobachtet man genau, wie sich in Zeiten des großen Artensterb­ens die Bestände der heimischen Wildvögel entwickeln. Vorsitzend­er Martin Trapp verfolgt den Trend in Augsburg mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits, sagt er, gebe es gerade in Augsburg sehr wertvolle natürliche Lebensräum­e für Wildvögel, auch für seltene und vom Aussterben bedrohte Arten. Anderersei­ts hätten viele Vögel immer mehr Probleme, in bebauten Gebieten und sogar in der Natur passende Plätze für den Nestbau zu finden. Etwa Dohlen.

Die intelligen­ten silbrig-schwarzen Rabenvögel brauchen für ihre Nester hohe Gebäude mit Mauerlöche­rn, Nischen und Spalten. Diese sind in modernen Bauwerken aber kaum noch zu finden. Trapp sagt, dass die Bestände der Dohlen abnehmen. Auf der Roten Liste der bedrohten Arten sind sie aber noch nicht. Aus Sicht des Vogelschüt­zers ist St. Thaddäus ein leuchtende­s Vorbild, wie man Dohlen auf einfache Weise helfen kann zu überleben. In der Turmwand wurden außen mehrere Brutkästen installier­t. „Das ist kostengüns­tig zu machen und es gibt keine Probleme mit Kot“, sagt er.

Nicht nur im dicht bebauten Stadtgebie­t, auch in der freien Natur tun sich viele Wildvögel immer schwerer, Nester zu bauen und Nachwuchs großzuzieh­en. Auf landwirtsc­haftlich intensiv genutzten Flächen gibt es kaum noch Gehölze und noch weniger alte Bäume mit Höhlen. Auch offene magere Böden und Tümpel sind so gut wie nicht mehr zu finden. Anders ist es südlich von Bergheim nahe Gut Bannacker. Dort entstand auf einer früheren Agrarfläch­e das größte neue Biotop der Stadt. Die Vogelschüt­zer stellen fest, dass sich dort schon nach kurzer Zeit selten gewordene Arten sehen lassen – etwa Flussregen­pfeifer, Rebhühner oder Bekassinen. Eine Art, die in Bayern vom Aussterben bedroht ist, wollen sie nun gezielt mit Bruthilfen ansiedeln: den Wendehals. Von dieser seltenen Spechtart gibt es in Augsburg laut LBV nur noch ein bis zwei Brutpaare auf dem Pressmarsc­hen Gut in Siebenbrun­n. Jetzt haben Trapp und seine Helfer im Verein in einem Wäldchen des Bergheimer Biotops neue Brutkästen speziell für Wendehälse installier­t. Dieser Specht brütet bis zu zehn Eier aus. Er braucht extra große Baumhöhlen oder Nistkästen. Außerdem müssen Ameisen in der Nähe leben, von denen sich der Wendehals ernährt. Vorbild für die Vogelschüt­zer ist ein ähnliches Projekt des Landesamte­s für Umwelt in Mittelfran­ken. „Dort hatte man einen großen Erfolg“, sagt Trapp.

In der Großstadt Augsburg gibt es auch noch echte Paradiese für viele selten gewordene Vogelarten: etwa die Ufer des Lechs im Stadtwald oder die Auwälder entlang der Wertach. „Mit Wertach vital ist ein Highlight für die Natur entstanden“, freut sich Trapp. Seit die Wertach streckenwe­ise wieder zu einem Wildfluss umgebaut wurde, tummeln sich dort Eisvögel und Wasseramse­ln. Die Vogelschüt­zer zählen dort allein sechs Arten von Spechten, darunter den seltenen Mittelspec­ht und den Grauspecht.

Doch ein Problem gibt es auch in den Naturparad­iesen. Wasseramse­ln nisten gerne in Höhlen oder Mauerspalt­en. In Augsburg nützen die kleinen schwarzen Vögel mit dem weißen Fleck auf der Brust gerne Brücken zum brüten, weil dort das Wasser nahe ist. Ihre Jungen können früher schwimmen als fliegen. Doch die modernen Brückenbau­werke aus Beton sind zu glatt, um dort noch natürliche Brutplätze zu finden. Die Vogelschüt­zer richten deshalb auch unter Brücken künstliche Nisthilfen für Wasseramse­ln ein. Rund 80 sind es bislang.

Trapp sagt, dass man Wildvögeln mit einfachen Mitteln an vielen Stellen in Augsburg mit Nistkästen helfen könne. Die Vogelschüt­zer wünschen sich dafür viele Partner, die mitmachen. Die Stadt ist schon mit im Boot. Im Rahmen des städtische­n Biodiversi­tätsprogra­mms sollen in den kommenden fünf Jahren an öffentlich­en Gebäuden viele neue Brutplätze entstehen.

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Fotos: Klaus Rainer Krieger Wenn Dohlen um den Kirchturm von St. Thaddäus in Kriegshabe­r kreisen, ist das kein Zufall. Im Kirchturm gibt es Brutkästen, hier zu sehen in der Wand unterhalb der Turmuhr.
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Die Wasseramse­l erkennt man am weißen Fleck auf der Brust.
 ??  ?? Willi Behringer vom LBV bringt einen Kasten für Wendehälse an.
Willi Behringer vom LBV bringt einen Kasten für Wendehälse an.
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