Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Adelsried vor 100 Jahren aussah

Vortrag Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl nimmt seine Zuhörer mit auf eine Zeitreise. Er erklärt, was in der Gemeinde um 1900 los war und wie sich das Leben verändert hat. Im Mittelpunk­t stehen auch Berufe, die es längst nicht mehr gibt

- VON MICHAELA KRÄMER

Adelsried Auf eine Zeitreise durch die ländliche Welt von Adelsried hat Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl die Zuhörer bei einem Vortrag mitgenomme­n. Die von Friedrich Geiger organisier­te Reihe anlässlich des Jubiläums Adelsried Eintausend geht damit in die dritte Runde.

Anhand der Aufnahme vom Hof der Familie Stegherr ging Peter Fassl auf das häusliche Zusammenle­ben von Mann und Frau in den eher ärmlichen bäuerliche­n Verhältnis­sen ein. Erst wenn diese geklärt waren, konnte geheiratet werden. Die Eheschließ­ung war eine wirtschaft­liche Basis, erklärte er. Daher habe man auch sehr spät – im Schnitt mit 35 Jahren – geheiratet.

Bis in die jüngste Vergangenh­eit war der Fleischkon­sum ein Gradmesser für Wohlstand oder Not. Die alten Bauern, die ihren Hof an ihre Kinder übergeben haben, bekamen im Jahr unter anderem 40 Pfund Schweinefl­eisch. Die Hauptnahru­ng bestand aus Milch, Getreide und Gemüse, das selbst angebaut wurde. Fleisch hingegen gab es oftmals nur an den hohen christlich­en Festtagen. Vom Ertrag ihrer landwirtsc­haftlichen Tätigkeit konnte die normale Bauernfami­lie allerdings nicht leben. Sie mussten ihren Lebensstan­dard als Köhler und mit Holzhandel aufbessern.

Handwerk war nicht gleich Handwerk: Insbesonde­re die Berufe im Nahrungsmi­ttelgewerb­e wie Brauer, Metzger, Bäcker und Wirte zählten früher zum einkommens­starken Gewerbe. Schuster, Schneider oder Schreiner wurden hingegen nicht gut bezahlt. Die bedeutends­ten handwerkli­chen Produkte waren im textilen Bereich zu finden, wie der Bezirkshei­matpfleger ausführte. So verzeichne­te der Raum Augsburg 1810 zum Beispiel neben 212 Webern, 89 Schneider, 98 Schuster, 81 Branntwein­brauer, 56 Metzger und 23 Töpfer. In den 30er-Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts ist das Handwerk dann langsam verschwund­en.

Einen großen Raum nahmen die Wirtshäuse­r ein. Sie waren Treffpunkt der Dorfgemein­schaft, oft mit Brauerei, Metzgerei und mit Beherbergu­ng verbunden. Angeschlos­sen war zumeist ein Hopfengart­en für die eigene Brauerei. In den Gaststätte­n galten strenge Regeln. Sie durften nicht länger als bis 21 Uhr geöffnet haben. Alle Feste und Feierlichk­eiten wurden im Wirtshaus abgehalten, sogar Rechtsgesc­häfte und Gerichtsve­rhandlunge­n. Erst viel später kam dann eine Theaterbüh­ne oder ein Kino hinzu. Als große Ereignisse im gesellscha­ftlichen Leben galten früher Prozession­en und Bittgänge.

Wie schnellleb­ig die Zeit ist, konnte der Zuhörer anhand eines Beispiels erfahren: Erst ab den 1950er-Jahren gab es Wohnungen, die mit einem Badezimmer ausgestatt­et waren. Manch einer mag sich erinnern: Samstag ist Badetag. Peter Fassl spannte mit seinen Ausführung­en einen großen Bogen zur Geschichte der agrarische­n Welt in der Region.

Er präsentier­te seinen interessan­ten Vortrag mit viel Augenmerk für Details. So konnten die Zuhörer viel über die Entwicklun­g ihres Ortes erfahren.

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Foto: Familie Stegherr Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl erklärte, warum die Bevölkerun­g damals aus kleinbäuer­lichen Familien stammte.

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