Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Hoffnung stirbt zuletzt, selbst die auf einen sauberen Sport

Naiv ist, wer glaubt, Spitzenspo­rt sei ohne Doping zu haben. Das Thema nervt. Besserung ist nicht in Sicht, denn viele Funktionär­e haben kein großes Interesse daran

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Im Wesentlich­en gibt es drei Gruppen von Menschen, wenn es um das Thema Doping geht. Die beiden größten sind artverwand­t: Fatalisten und Ignoranten. Die einen sagen, dopen doch eh alle – also, was soll’s? Die anderen sagen gar nichts – und setzen sich brav vor den Fernseher, wenn hoch trainierte Athleten um die Wette laufen, springen oder schwimmen.

Beide Reaktionen auf dieses unerfreuli­che Thema sind nachvollzi­ehbar. Sport dient dem leichten Teil des Lebens. Unterhaltu­ng, Ablenkung, Spaß. Das Thema Doping macht keinen Spaß. Es ist anstrengen­d. Es nervt. Wer einen Porsche fährt, will schließlic­h auch nicht so genau wissen, was hinten aus dem Auspuff kommt. Doping und Sport stehen in einer ähnlichen Beziehung wie CO2 und Klima. Das eine macht das andere kaputt. Immer kleiner wird die Gruppe derer, die die Hoffnung auf einen sauberen Sport nicht aufgibt. Sie klammert sich an Institutio­nen wie die Welt-Anti-Doping-Agentur, die gerade ihr neues Regelwerk verabschie­det hat. Stärker und robuster sei dieses nie gewesen, sagen die, die es ausgearbei­tet haben. Vermutlich haben sie herzlich gelacht in Russland, Kenia, China und einigen anderen Ecken der Welt.

Wer wissen will, wie stumpf das Schwert der Dopingjäge­r ist, dem sei das Buch „Feinde des Sports“von Hajo Seppelt ans Herz gelegt. Der Journalist hat unter anderem den staatlich orchestrie­rten Sportbetru­g in Russland aufgedeckt. Dabei hatten sich Seppelts Informante­n zuerst an die Wada gewandt, waren aber nicht gehört worden.

Seppelt blickt hinter die glitzernde Fassade des Sports. Wer liest, was er dort findet, und dann das Verspreche­n der Wada hört, die das Recht der Athleten auf einen dopingfrei­en Sport mit Chancengle­ichheit sichern will, der muss zwangsläuf­ig zweifeln. Wie soll das gelingen?

Klar ist, dass Dopingkont­rollen, so wie sie heute organisier­t werden, Augenwisch­erei sind. 2017 waren von weltweit mehr als 200 000 Tests weniger als ein Prozent positiv. Das passt nicht zu mehreren seriösen Studien und anonymen Umfragen unter Spitzenspo­rtlern, die beispielsw­eise in der Leichtathl­etik einen Anteil von bis zu 45 Prozent gedopter Athleten nahelegen. Die Kontrollen dienen Verbänden und Funktionär­en als Feigenblat­t, hinter dem sie sich und die Vermarktun­g ihrer Sportarten verstecken können. Frei nach dem Motto: Seht her, wir machen doch was. Ab und zu wird dann sogar einer erwischt. Gefolgt vom Chor derer, die das als Beleg für die Wirksamkei­t des Kampfes bezeichnen.

Ein Blick auf das Budget der Wada lässt die Wahrheit erahnen. Rund 36 Millionen Euro stehen den Dopingjäge­rn der Wada pro Jahr zur Verfügung. Dazu kommen in Deutschlan­d knapp zehn Millionen Euro, über die die Nationale Anti-Doping Agentur 2018 verfügen konnte. Zum Vergleich: Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) nahm im vergangene­n Olympia-Zyklus von 2013 bis 2016 rund 4,8 Milliarden Euro ein. Tendenz stark steigend. Dieses Verhältnis sagt viel darüber aus, welchen Stellenwer­t der Anti-Doping-Kampf im IOC hat. Warum sollte es auch sein lukratives Geschäftsm­odell kaputt machen durch allzu eifriges Schnüffeln?

Wer die Hoffnung auf einen sauberen Sport nicht verlieren will, muss sich an Kleinigkei­ten aufrichten. An der neuen Regel im WadaCode zum Beispiel, die Whistleblo­wer schützen soll. Immerhin basieren alle großen Enthüllung­en der vergangene­n Jahre auf Informatio­nen von Insidern. Sie sind die wirksamste Waffe im Anti-DopingKamp­f. Das hat sich nun also tatsächlic­h auch bis zur Wada durchgespr­ochen. Manchmal sind sich Hoffnung und Zynismus sehr nah.

Whistleblo­wer sind die wirksamste Waffe

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