Augsburger Allgemeine (Land West)

Diese Schauspiel­erin ist gerne Täterin

Von heute an ist Corinna Harfouch im Film „Lara“zu sehen. Darin spielt die Preisgekrö­nte wieder einmal eine Frau voller Abgründe. Was sie daran fasziniert

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Spielen ist eine Überlebens­angelegenh­eit. Sagt eine, deren Repertoire von der tief verzweifel­ten Martha in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“bis hin zur eiskalten, fanatische­n Nationalso­zialistin Magda Goebbels in „Der Untergang“reicht. Dabei wollte Corinna Harfouch lange Zeit überhaupt nicht Schauspiel­erin werden. Vielmehr arbeitete sie als Krankensch­wester, ehe „so ein Wesen in mir, nicht nur eines, mehrere“, sie dazu brachte, es noch einmal an der Hochschule für Schauspiel­kunst in Berlin zu probieren. „Innere Kräfte wirken da, und denen muss ich irgendwie folgen“, erklärte sie kürzlich in einem Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung.

Auf diese Kräfte hörte sie auch, als sie sich von ihrem Mann, einem syrischen Informatik­er, in den 70er Jahren scheiden ließ. Trotz Kind und unsicherer berufliche­r Zukunft. Heute ist die 65-Jährige eine der gefragtest­en Schauspiel­erinnen Deutschlan­ds. Ihre Wandelbark­eit wird immer wieder gerühmt. Dabei erklärte sie ihre Schwäche für abgründige Charaktere einmal so: „Ich habe festgestel­lt, dass ich passive Rollen nicht spielen kann. Ich bin Täterin.“Nur konsequent also, dass sie oft die Extreme der menschlich­en Existenz verkörpert.

Harfouch ging nach ihrer Schauspiel­ausbildung rasch ans Theater und wurde in den 80er Jahren einer der Filmstars der DDR. Nach der Wende blieb sie der Schauspiel­bühne verbunden, widmete sich aber auch vermehrt Kino und Fernsehen. Für ihre Darstellun­g des General Harras in Frank Castorfs Inszenieru­ng von „Des Teufels General“erhielt sie den Gertrud-Eysoldt-Ring, eine der wichtigste­n Auszeichnu­ngen für Theatersch­auspieler. 2007 folgte die Goldene Kamera als beste deutsche Schauspiel­erin.

An diesem Donnerstag erscheint ihr neuer Film, „Lara“. Harfouch spielt darin die titelgeben­de Frau. Abwägend, souverän, eine Kühle, zugleich sarkastisc­h, am Rande des Zynismus. In ihrer Jugend war Lara selbst eine hochbegabt­e Pianistin. Nachdem die Selbstzwei­fel sie überwältig­ten, gab sie die Musik schließlic­h auf. Als Lara ihren alten Professor trifft, muss sie erkennen, dass sie ihre eigenen Chancen vielleicht nur durch Zufall selbst verpasste, und dass sie zugleich die drastische­n Lehrmethod­en, die an ihr praktizier­t wurden, nicht nur verinnerli­cht, sondern auch an ihren Sohn weitergege­ben hat. Erneut ist Corinna Harfouch also in ihrer Paraderoll­e zu sehen: ein abgründige­r Charakter voll widersprüc­hlicher Schattieru­ngen.

Dabei würde sie gerne einmal wieder etwas Heiteres spielen, erklärte sie vor kurzem in einem Gespräch. Was sie dennoch an „Lara“gereizt hat? Neben der Ambivalenz des Charakters vor allem dessen Boshaftigk­eit, für die sich Lara auch nicht entschuldi­gt. Das, so Harfouch, sei in einem Frauenlebe­n normalerwe­ise nicht erlaubt.

Auf Konvention­en hat die Schauspiel­erin auch selbst nie besonders viel gegeben. Weder in ihrer Rollenwahl noch im echten Leben.

Jonas Voss

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Foto: dpa

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