Augsburger Allgemeine (Land West)

Höckes Stimme im Bundestag

Muss AfD-Politiker Brandner seinen Posten räumen?

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Wer wissen will, wie Stephan Brandner Politik macht, findet Antworten auf seinem Youtube-Kanal. Dort lässt sich der AfD-Bundestags­abgeordnet­e regelmäßig von einer Parteifreu­ndin interviewe­n. Das Format bietet eine verlässlic­he Mischung aus Spott, Parolen, Halbund Unwahrheit­en. In der aktuellen Folge geht es um die Landtagswa­hl in Thüringen, wo zum Beispiel die FDP laut Brandner „völlig abgeschmie­rt ist“und die Grünen nur 5,2 Prozent statt der „20, 30, 100 Prozent“geholt haben, die Umfragen vorhergesa­gt hätten. Zur Erinnerung: Die FDP hat ihr Ergebnis in Wahrheit verdoppelt und die Grünen lagen in der letzten Umfrage vor der Wahl bei sieben Prozent. Aber wen kümmern schon Fakten, wenn ein paar polemische Sprüche mehr Aufmerksam­keit bringen?

Dieser Taktik folgt der 53-Jährige auch im Parlament. Egal ob als Redner oder Zwischenru­fer: Brandner schaltet stets auf Angriff – und erst, wenn auch der letzte Gegner empört aufschreit, ist die Mission erfüllt. Dass inzwischen der rechte Flügel in der AfD den Ton angibt, hat seine Position gestärkt. Der Rechtsanwa­lt stammt zwar aus dem Ruhrgebiet, schaffte es aber als Thüringer Spitzenkan­didat in den Bundestag. Er gilt als Vertrauter Björn Höckes, der auch Brandners Vorbild zu sein scheint, wenn es darum geht, das Sagbare immer weiter nach rechts zu verschiebe­n. Nach dem Angriff eines Rechtsextr­emisten auf die Synagoge in Halle verbreitet­e er einen Tweet, in dem gefragt wurde, warum „Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rumlungern“, wenn bei dem Anschlag doch „eine Deutsche, die gerne Volksmusik hörte, und ein BioDeutsch­er“gestorben seien. Das Bundesverd­ienstkreuz für Udo Lindenberg bezeichnet­e Brandner als „Judaslohn“– also als Belohnung für einen Verrat. Der Sänger hatte sich zuvor klar gegen die AfD und Höcke positionie­rt: „Ein echter Fascho, auferstand­en aus Ruinen und den Nazis zugewandt.“

Nach seinen jüngsten Entgleisun­gen fordern alle anderen Fraktionen, Brandner als Chef des Rechtsauss­chusses des Bundestage­s abzusetzen. Das ist allerdings gar nicht so einfach, in der Geschäftso­rdnung ist die Abwahl von Ausschussv­orsitzende­n eigentlich nicht vorgesehen. Bundestags­vizepräsid­ent Wolfgang Kubicki will es trotzdem versuchen. „Wir werden darüber reden müssen, wie wir Möglichkei­ten schaffen, dass er als Vorsitzend­er des Rechtsauss­chusses abgewählt werden kann“, sagte der FDP-Politiker – und bekam breite Rückendeck­ung aus dem Parlament. Brandners Äußerungen seien „unverschäm­t, spielen mit antisemiti­schen Ressentime­nts und sind seiner Position schlicht unwürdig“, sagte etwa der Augsburger Abgeordnet­e Volker Ullrich über den früheren CSU-Parteifreu­nd.

Brandner feuerte umgehend zurück. Er sprach von „haltlosen Anschuldig­ungen“. Sie seien „an den Haaren herbeigezo­gen und sollen dazu dienen, die AfD zu diskrediti­eren“. Er wird seinen Posten nicht räumen – zumindest nicht freiwillig.

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Foto: dpa Stephan Brandner

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