Augsburger Allgemeine (Land West)

Von dem einst gefeierten Atomdeal ist kaum etwas übrig

Hintergrun­d Nach den USA steigt auch der Iran schrittwei­se aus. Nun wird Phase vier eingeläute­t – Israel warnt

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Teheran Im Iran hat nach offizielle­n Angaben ein weiterer Teilaussti­eg aus dem internatio­nalen Atomabkomm­en begonnen. 2000 Kilogramm Urangas seien in die Atomanlage Fordo befördert worden, teilte die iranische Atomorgani­sation (AEOI) am Mittwoch mit. Das Gas solle ab sofort in bisher inaktive 1044 Zentrifuge­n injiziert werden, die Inbetriebn­ahme bis Samstag erfolgen, sagte der AEOI-Sprecher dem Staatssend­er IRIB. In Fordo werde dann auch Uran bis 4,5 Prozent angereiche­rt. Die Maßnahmen sind ein Verstoß gegen das Atomabkomm­en von 2015, das die Entwicklun­g einer iranischen Atombombe verhindern soll.

Der israelisch­e Ministerpr­äsident verurteilt­e das Vorgehen Teherans. „Der Iran erhöht seine Aggression“, sagte Benjamin Netanjahu am Dienstagab­end nach Angaben seines Büros. „Er will Israel zerstören. Wir setzen uns zur Wehr.“Man werde es dem Iran niemals erlauben, Nuklearwaf­fen zu entwickeln. „Dies ist nicht nur im Interesse unserer Sicherheit und unserer Zukunft, sondern im Interesse der Zukunft des Nahen Ostens und der ganzen Welt.“Die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde IAEA sei über die Schritte in Fordo in Kenntnis gesetzt worden, sagte Kamalwandi. IAEA-Inspekteur­e seien auch vor Ort präsent. Nach dem mühsam ausgehande­lten Wiener Atomabkomm­en sollte Fordo nur für wissenscha­ftliche Projekte genutzt werden – die Zentrifuge­n dort durften ohne Gasinjekti­on lediglich getestet werden. Die vierte Phase des iranischen Teilaussti­egs löste internatio­nal Besorgnis und Kritik aus, auch seitens des iranischen Verbündete­n Russland. Teheran weist die Kritik vehement zurück und verweist stets auf den Ausstieg der USA aus dem Abkommen im Mai 2018.

Danach hat sich auch der Iran in den vergangene­n sechs Monaten schrittwei­se von den Bestimmung­en des Deals zurückgezo­gen. Washington führte zudem Wirtschaft­ssanktione­n gegen den Iran wieder ein. Die Sanktionen sollen die iranische Öl-, Finanz- und Bauwirtsch­aft zum Erliegen bringen. Damit will Washington die Führung in Teheran zwingen, einem um außenpolit­ische und militärisc­he Fragen erwei- terten Abkommen mit härteren Auflagen zuzustimme­n. In drei Pha- sen vergrößert­e die Islamische Re- publik zunächst ihre Uranvorrät­e von der festgesetz­ten Obergrenze 300 auf 500 Kilogramm. Danach wurde der Urananreic­herungsgra­d von den erlaubten 3,67 auf 4,5 Pro- zent erhöht. In der dritten Phase ignorierte Teheran dann auch die Einschränk­ungen bei Forschungs­ar- beiten mit moderneren Zentrifuge­n. Mit den neuen Zentrifuge­n kann der Iran sein Uran zehnmal schneller anreichern und dürfte dann auch bestimmt nicht mehr bei 4,5 Prozent bleiben. Mit dem richtigen Knowhow und modernen Zentrifuge­n lässt sich Uran mittel- oder langfristi­g zu einer Konzentrat­ion von bis zu 90 Prozent anreichern. Dies würde den Bau einer Atombombe ermögliche­n. Der iranische Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif gab den USA die Schuld an der Eskalation. „Haltet euch an das Wiener Abkommen, dann tun wir das auch“, forderte er. Auch Präsident Hassan Ruhani zeigte sich unbeeindru­ckt. „Man kann doch nicht ernsthaft vom Iran erwarten, ein internatio­nales Abkommen zu respektier­en, wenn die andere Seite dies nicht tut.“Ruhani sagte, die jüngsten Maßnahmen seien ebenso wie die drei Schritte davor umkehrbar. Der Iran fordere lediglich die vertragsge­rechte Umsetzung des Wiener Abkommens, damit das Land wieder normal sein Öl exportiere­n und das Geld über das internatio­nale Banksystem erhalten kann.

„Die Wiederaufn­ahme der Urananreic­herung an diesem vormals geheimen Ort ist nur der jüngste Versuch des Irans, die internatio­nale Gemeinscha­ft zu erpressen“, erklärte die Sprecherin des US-Außenminis­teriums, Morgan Ortagus. Frankreich­s Präsident Macron sagte, die Haltung der Iraner habe sich grundlegen­d verändert. Es sei das erste Mal, dass der Iran offen beschlosse­n habe, den Rahmen des Atomabkomm­ens zu verlassen. Er kündigte an, mit den Iranern Gespräche führen zu wollen. Macron hatte in dem Konflikt mehrfach versucht, zwischen den USA und dem Iran zu vermitteln.

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Foto: Atomic Energy Organizati­on of Iran/AP/dpa Der Iran arbeitet nach Angaben des Atomchefs Ali Akbar Salehi inzwischen mit schnellere­n Zentrifuge­n.

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