Augsburger Allgemeine (Land West)
Wirtschaftsweise: Keine schwere Krise
Konjunktur Der lange Aufschwung ist zu Ende. Was soll die Politik nun tun? Das Expertengremium hat eine klare Botschaft an die Bundesregierung: Die Wachstumskräfte stärken
Berlin Der Aufschwung in Deutschland ist zu Ende – droht nun eine schwere Wirtschaftskrise? Die fünf „Wirtschaftsweisen“als Top-Berater der Bundesregierung sehen diese Gefahr derzeit nicht. Sie senden ihr aber eine klare Botschaft: Sie muss mehr tun, damit „Wachstumskräfte“gestärkt werden. Also Unternehmen entlasten und mehr in Bildung und Forschung sowie den Ausbau des schnellen Internets investieren – und sich notfalls höher verschulden. Denn es gibt große Zukunftsaufgaben: Der digitale Wandel, der die Arbeitswelt tiefgreifend verändert, und der Kampf gegen den Klimawandel. Deutschland stehe an der Schwelle zu einem herausfordernden Jahrzehnt, sagte der Vorsitzende der fünf „Weisen“, Christoph Schmidt, am Mittwoch in Berlin. Und Rückenwind durch die Konjunktur gibt es derzeit nicht.
Wie zuvor die Bundesregierung senkte auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung seine Konjunkturprognose. Das Gremium renommierter Wirtschaftswissenschaftler erwartet nun für dieses Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 0,5 Prozent und von 0,9 Prozent für 2020.
Für den Arbeitsmarkt und die Entwicklung von Einkommen hat dies aber bisher noch keine großen Folgen. Denn die Binnenwirtschaft läuft weiter gut, vor allem Handwerk und Bau machen gute Geschäfte. Die Bundesregierung aber müsse nun mehr machen, um die Wirtschaft anzukurbeln, fordern die „Wirtschaftsweisen“. Dabei geht es um Fragen wie: Wie können Unternehmen wettbewerbsfähiger werden und wieder mehr Firmen in Deutschland gegründet werden – mit mehr Wagniskapital? Wie können aus guten Ideen an Unis mehr Geschäftsmodelle als bisher werden? Wie kann die Bildung verbessert werden? Denn Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich mitten in einem digitalen Wandel. In vielen Betrieben übernehmen zunehmend Maschinen menschliche Arbeiten – Beschäftigte müssen qualifiziert werden für andere Tätigkeiten, Stichwort „lebenslanges Lernen“. Dazu kommen Umbrüche zum Beispiel in der Autoindustrie hin zu alternativen Antrieben.
Die Regierung hält bisher am Kurs einer „schwarzen Null“fest – einer Politik ohne Neuverschuldung. Und auch von Konjunkturprogrammen halten die maßgeblichen Akteure zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel, wie Finanzminister Olaf Scholz noch einmal bekräftigte: „Wir haben alle Möglichkeiten, im Falle einer Krise zu handeln, aber wir sehen keine solche Krise.“
Auch die „Wirtschaftsweisen“sind gegen Konjunkturprogramme. Stattdessen gehe es darum, im Falle eines Einbruchs bestehende Instrumente wirken zu lassen. Als ein solches gilt etwa das Kurzarbeitergeld für kriselnde Firmen. Zugleich verweisen die Ökonomen aber darauf, dass die Schuldenbremse eine Neuverschuldung nicht ausschließe und Spielräume für eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen lasse. In einer konjunkturellen Schwächephase erlauben die Schuldenbremse und die europäischen Fiskalregeln gesamtstaatliche Finanzierungsdefizite, die über jene in konjunkturell normalen Zeiten hinausgehen. Auch eine Lockerung der „schwarzen Null“halten die „Wirtschaftsweisen“für denkbar. Schmidt sagte, in einer Krise wäre das Festhalten an der „schwarzen Null“nicht sinnvoll – aktuell gebe es aber keine Notwendigkeit, sie infrage zu stellen.