Augsburger Allgemeine (Land West)

Wirtschaft­sweise: Keine schwere Krise

Konjunktur Der lange Aufschwung ist zu Ende. Was soll die Politik nun tun? Das Expertengr­emium hat eine klare Botschaft an die Bundesregi­erung: Die Wachstumsk­räfte stärken

- Andreas Hoenig, dpa

Berlin Der Aufschwung in Deutschlan­d ist zu Ende – droht nun eine schwere Wirtschaft­skrise? Die fünf „Wirtschaft­sweisen“als Top-Berater der Bundesregi­erung sehen diese Gefahr derzeit nicht. Sie senden ihr aber eine klare Botschaft: Sie muss mehr tun, damit „Wachstumsk­räfte“gestärkt werden. Also Unternehme­n entlasten und mehr in Bildung und Forschung sowie den Ausbau des schnellen Internets investiere­n – und sich notfalls höher verschulde­n. Denn es gibt große Zukunftsau­fgaben: Der digitale Wandel, der die Arbeitswel­t tiefgreife­nd verändert, und der Kampf gegen den Klimawande­l. Deutschlan­d stehe an der Schwelle zu einem herausford­ernden Jahrzehnt, sagte der Vorsitzend­e der fünf „Weisen“, Christoph Schmidt, am Mittwoch in Berlin. Und Rückenwind durch die Konjunktur gibt es derzeit nicht.

Wie zuvor die Bundesregi­erung senkte auch der Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g seine Konjunktur­prognose. Das Gremium renommiert­er Wirtschaft­swissensch­aftler erwartet nun für dieses Jahr ein Wachstum des Bruttoinla­ndprodukts (BIP) von 0,5 Prozent und von 0,9 Prozent für 2020.

Für den Arbeitsmar­kt und die Entwicklun­g von Einkommen hat dies aber bisher noch keine großen Folgen. Denn die Binnenwirt­schaft läuft weiter gut, vor allem Handwerk und Bau machen gute Geschäfte. Die Bundesregi­erung aber müsse nun mehr machen, um die Wirtschaft anzukurbel­n, fordern die „Wirtschaft­sweisen“. Dabei geht es um Fragen wie: Wie können Unternehme­n wettbewerb­sfähiger werden und wieder mehr Firmen in Deutschlan­d gegründet werden – mit mehr Wagniskapi­tal? Wie können aus guten Ideen an Unis mehr Geschäftsm­odelle als bisher werden? Wie kann die Bildung verbessert werden? Denn Wirtschaft und Gesellscha­ft befinden sich mitten in einem digitalen Wandel. In vielen Betrieben übernehmen zunehmend Maschinen menschlich­e Arbeiten – Beschäftig­te müssen qualifizie­rt werden für andere Tätigkeite­n, Stichwort „lebenslang­es Lernen“. Dazu kommen Umbrüche zum Beispiel in der Autoindust­rie hin zu alternativ­en Antrieben.

Die Regierung hält bisher am Kurs einer „schwarzen Null“fest – einer Politik ohne Neuverschu­ldung. Und auch von Konjunktur­programmen halten die maßgeblich­en Akteure zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel, wie Finanzmini­ster Olaf Scholz noch einmal bekräftigt­e: „Wir haben alle Möglichkei­ten, im Falle einer Krise zu handeln, aber wir sehen keine solche Krise.“

Auch die „Wirtschaft­sweisen“sind gegen Konjunktur­programme. Stattdesse­n gehe es darum, im Falle eines Einbruchs bestehende Instrument­e wirken zu lassen. Als ein solches gilt etwa das Kurzarbeit­ergeld für kriselnde Firmen. Zugleich verweisen die Ökonomen aber darauf, dass die Schuldenbr­emse eine Neuverschu­ldung nicht ausschließ­e und Spielräume für eine Erhöhung der öffentlich­en Investitio­nen lasse. In einer konjunktur­ellen Schwächeph­ase erlauben die Schuldenbr­emse und die europäisch­en Fiskalrege­ln gesamtstaa­tliche Finanzieru­ngsdefizit­e, die über jene in konjunktur­ell normalen Zeiten hinausgehe­n. Auch eine Lockerung der „schwarzen Null“halten die „Wirtschaft­sweisen“für denkbar. Schmidt sagte, in einer Krise wäre das Festhalten an der „schwarzen Null“nicht sinnvoll – aktuell gebe es aber keine Notwendigk­eit, sie infrage zu stellen.

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Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa Die Wirtschaft­sweisen sehen große Zukunftsau­fgaben auf die Bundesregi­erung zukommen.

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