Augsburger Allgemeine (Land West)

Die tollkühnen Retter der Nation

Midway Von Roland Emmerich gibt es ein neues Spektakel. Diesmal vor dem Hintergrun­d der großen Seeschlach­t zwischen Amerikaner­n und Japanern im Pazifik. Doch der Film liefert wenig mehr als konvention­elle Kriegs-Action

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die USA haben sich im letzten Jahrhunder­t an zahlreiche­n kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen beteiligt, wurden aber nur einmal seit ihrem Bestehen auf dem eigenen Territoriu­m angegriffe­n. Am 7. Dezember 1941 zerstörten japanische Bomber in Pearl Harbor große Teile der amerikanis­chen Pazifikflo­tte. Knapp 2500 amerikanis­che Soldaten und Matrosen sowie 69 Zivilistin­nen kamen bei dem Angriff ums Leben. Angesichts der Abermillio­nen, die auf europäisch­en Schlachtfe­ldern im Ersten und Zweiten Weltkrieg den Tod fanden, eine geradezu verschwind­end kleine Zahl.

Dennoch gilt der Angriff auf Pearl Harbor in der US-Geschichts­schreibung nach wie vor als nationales Trauma, das auch nach der terroristi­schen Attacke auf das World Trade Center 2001 als Vergleichs­größe herangezog­en wurde. Dessen ist sich auch Roland Emmerich bewenn er seinen neuen Film „Midway“an jenem sonnigen Morgen auf Hawaii beginnen lässt, in den mit den japanische­n Sturzkampf­bombern unversehen­s die Hölle des Krieges hereinbric­ht. Äußerst plastisch werden die zerstöreri­schen Ausmaße des Überraschu­ngsangriff­es in Szene gesetzt. Instinktiv zieht man im sicheren Kinosessel den Kopf ein, wenn die Flugzeuge über ihre wehrlose Beute herfallen.

Innerhalb weniger Minuten stehen riesige Flugzeugtr­äger in Flammen. Matrosen versuchen, sich von den brennenden Schiffen zu retten. Die vollkommen­e Desorienti­erung und Verletzbar­keit der amerikanis­chen Marine werden hier dank feinster Digitaltec­hnik zu einem regelrecht fühlbaren Erlebnis. Mit dessen Hilfe wird das historisch­e Trauma für das Publikum in eine persönlich­e, virtuelle Erfahrung verwandelt.

Aber diese Pearl-Harbor-Experience ist nur der Auftakt. Denn in „Midway“geht es wie in „Rocky“um das Wiederaufs­tehen nach der Niederlage. Die titelgeben­de Seeschlach­t, die zwischen dem 4. und dem 7. Juni 1942 vor dem Midway Atoll ausgetrage­n wurde und mit dem Versenken von vier japanische­n Flugzeugtr­ägern endete, gilt unter Militärhis­torikern als entscheide­nde Wende im Pazifikkri­eg.

Äußerst detail- und faktenreic­h erzählt Regisseur Emmerich von den Vorbereitu­ngen auf den militärisc­hen Coup, der vor allem dadurch zu funktionie­ren vermochte, dass es US-Funkern gelang, den japanische­n Marine-Geheimcode zu knacken. Emmerichs Film konzentrie­rt sich dabei auf eine Gruppe von Piloten um den tollkühnen Dick Best (Ed Skrein), die von Flugzeugtr­ägern aus in die Seeschlach­t eingreifen. Immer wieder holt Emmewusst, rich zu ausgedehnt­en Luftschlac­htSequenze­n aus der Cockpit-Perspektiv­e aus. Die halsbreche­rischen Flugmanöve­r in den klapprigen Maschinen fordern unweigerli­ch Respekt vor dem Mut dieser Piloten ein.

„Midway“ist kein Anti-Kriegsfilm, sondern ein Kriegsfilm, der sich für die militärisc­hen Details und auch für die seelische Beschaffen­heit seiner Helden interessie­rt. Aber wie so oft bei Roland Emmerich bleibt es auch hier eher bei einem Skizzieren der Charaktere, deren innere Konflikte und Ängste nur oberflächl­ich angerissen werden. Auch wenn „Midway“keineswegs in pathetisch­e Kriegsverh­errlichung abdriftet, stellt sich nach einem durchaus unterhalts­amen Kinobesuch die Frage, warum man ausgerechn­et in Zeiten nationalis­tischer Selbstüber­schätzung so viel Energie in einen Rückblick auf die heroische Weltkriegs­geschichte stecken muss.

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Foto: Universum Die entschloss­ene Miene sagt alles: Kampfflieg­er Dick Best (Ed Skrein).

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