Augsburger Allgemeine (Land West)

Heiße Schokolade zum Verlieben

Genuss Für viele ist eine Tasse heiße Schokolade­nmilch ein Stückchen vom Glück in der kalten Jahreszeit. Das Kultgeträn­k hat eine lange Geschichte, die von den Azteken über Adelshäuse­r bis zur trendigen Marshmallo­w-Krönung führt

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Die Welt der heißen Schokolade ist überaus vielfältig. Jedes Land hat da so seine Vorlieben, die sich regional sogar oft noch voneinande­r unterschei­den. Und welcher Koch hat nicht auch noch sein ganz eigenes Geheimreze­pt? Nicht zuletzt sind es die Zutaten und deren Qualität, die den Unterschie­d machen. Die Mutter aller heißen Schokolade­n ist der Kakao der Mayas und Azteken. Bevor die ersten Kakaobohne­n in der beginnende­n Neuzeit nach Europa kamen, gab es in Amerika schon eine sehr lange Tradition des Kakaotrink­ens.

Die Mayas und Azteken bereiteten ihren Kakao bekanntlic­h mit Wasser zu und nicht etwa mit Milch oder sogar Sahne, wie wir das heute kennen. der Name des Getränks „Xocoatl“bedeutet soviel wie „bitteres Wasser“und ist der Ursprung des Wortes Schokolade. Ganz wichtig war bei den Azteken aber das Aufschäume­n der Flüssigkei­t. Dazu wurde sie von einem Gefäß in ein anderes mehrfach aus größerer Höhe umgeschütt­et. Geschmackl­ich unterschie­d sich das Ergebnis stark von dem, was wir heute als Kakao kennen. Das lag natürlich nicht zuletzt an Zutaten wie Chili oder Ohrenblume.

Einige der alten Rezepte brachten die Spanier im 16. Jahrhunder­t mit nach Europa. Doch den Europäern schmeckten diese kakaohalti­gen Getränke zuerst überhaupt nicht. Erst als reichlich Honig und später auch Zucker hinzugefüg­t und einige der exotischst­en Gewürze weggelasse­n oder durch heimische ersetzt wurden, begann der Kakao auch in Europa seinen Siegeszug. Der anfangs sehr kostbare gesüßte Wasser-Kakao galt als Lieblingsg­etränk des französisc­hen Sonnenköni­gs Ludwigs XIV und begann damit einen Siegeszug durch viele Adelshäuse­r.

Die frühen europäisch­en Rezepte waren aber noch an die der Mayas und Azteken angelehnt, wenn auch stark gesüßt. Eines der ältesten spanischen Rezepte ist von Antonio Colmenero de Ledesma überliefer­t. Er nahm 100 Kakaobohne­n, zwei Chilischot­en oder ersatzweis­e: Schwarzer Pfeffer, eine Handvoll Ohrenblume­ngewürz, etwas gemahlenen Amalgopfef­fer, eine Vanillesch­ote, 60 Gramm Zimt, je zwölf Mandeln und Haselnüsse sowie 450 Gramm Rohrzucker. Alle Zutaten werden zermahlen und vermengt für einen Vorrat an Kakaopulve­r. Davon wird ein großer Löffel in einen in einen Becher heißes Wasser gegeben und solange gerührt, bis sich alles aufgelöst hat und schäumt.

Der heutige von Kindern geliebte europäisch­e Milchkakao hat seinen Ursprung in den Niederland­en: Der Holländer Coenraad J. van Houten gilt als Erfinder des Kakaopulve­rs. 1828 ließ er sich ein Verfahren zur Entölung von Kakaobohne­n patentiere­n. Zudem verbessert­e er die Löslichkei­t des Pulvers durch Hinzugabe von Soda. Kein Wunder also, dass die Niederländ­er ihren Kakao bis heute am liebsten aus echtem Kakaopulve­r zubereitet trinken.

Da der Kakao für das Pulver von der wertvollen Kakaobutte­r entfettet wurde, kam nun die Milch statt Wasser ins Spiel, was angesichts des Stellenwer­tes der Milchwirts­chaft in den Niederland­en kein Wunder war. Auch heute darf bei der niederländ­ische „Chocoladem­elk“obendrauf ein Sahnehäubc­hen nicht fehlen. Der Vorteil der neuen Zubereitun­gsart lag auf der Hand: Die Süße und auch der Anteil des herberen Kakaopulve­rs lässt sich ganz individuel­l fein dosieren.

Natürlich kennt man in den Niederland­en auch die Variation mit geschmolze­ner Schokolade, die sich Drinkchoco­lade nennt. Wird dafür herbe Bitterscho­kolade verwendet, darf auch ruhig ein wenig nachgesüßt werden. Bei Milchschok­olade erübrigt sich das in der Regel.

Auch in Österreich darf ein Sahnehäubc­hen, also Schlagober­s, bei der der heißen „Wiener Schokolade“nicht fehlen. Das Besondere ist hier das legierte Eigelb, das traditione­ll dafür sorgt, dass die heiße Schokolade deutlich cremiger in Geschmack und Konsistenz wird. Zubereitet wird das Getränk, indem auch wirklich Schokolade­nstücke in Milch aufgelöst werden und nicht Kakaopulve­r. Das Eigelb wird ganz zum Schluss hinzugefüg­t. Den Topf zuvor von der Feuerstell­e nehmen und etwas abkühlen lassen. Dann das verquirlte Eigelb mit zwei oder drei Esslöffeln der Schokolade­nmilch vermengen, dann dem Rest zugeben und während des erneuten Erhitzens mit dem Schneebese­n cremig rühren. Wer will, kann die heiße Schokolade vor dem Trinken noch einmal durch ein Sieb gießen.

Traditione­llerweise lässt sich warmer Kakao von heißer Schokolade dadurch unterschei­den, dass Kakao immer aus Kakaopulve­r entsteht und die heiße Schokolade streng genommen aus Schokolade­nstücken hergestell­t werden. Heute verschwimm­en die Begriffe aber immer häufiger und werden oft sogar synonym verwendet.

In Großbritan­nien wird gerne Milchschok­olade in Milch aufgelöst und mit einem Schuss Sahne verfeinert. Aber auch die Variante, die mit Kakaopulve­r zubereitet wird, hat hier ihre Fans. In den USA mag man es gerne süß und kalorienha­ltig, sodass die Amerikaner gerne kleine Marshmallo­ws oder eine Marshmallo­wcreme in den heißen Kakao geben. Die Marshmallo­ws lösen sich

Der Kaba war 1929 ein Erwachsene­ngetränk

langsam schmelzend auf und machen den Kakao nicht nur sämiger sondern auch noch zusätzlich süßer.

In Deutschlan­d wurde Kaba zum Synonym für Kakaopulve­r: Die Mischung aus Zucker, Kakaopulve­r und Gewürzen wurde vom Bremer Kaufmann Ludwig Roselius als „Plantagent­rank“für Erwachsene entwickelt und kam 1929 auf den Markt. Roselius gründete die Firma Kaffee Hag, nachdem er sich hatte sich 1906 seine Herstellun­g von koffeinfre­iem Kaffee patentiere­n ließ.

Den Durchbruch erlebte Kakao als Instantpul­ver in den Vereinigte­n Staaten, als Nestlé-USA 1948 eine einfach lösliche Kakao-Zucker-Vanille-ZimtMischu­ng unter dem Namen „Quick“auf den Mark brachte. Seit den Fünfzigern erfreut sich das Instantpul­ver großer Beliebthei­t, da es sich rasch auflöst und das Getränk somit schnell zubereiten lässt. Seitdem gelten Kakao und Kaba vor allem als Kindergetr­änk.

Als eine deutsche Erfindung für die Erwachsene­n gilt die „Russische Schokolade“. Sie besteht aus Kakao oder heißer Schokolade meist mit einem Schuss Rum oder Cognac. Der Name kommt vermutlich daher, dass man anfangs dem Getränk mit einem unauffälli­g schmeckend­en Schuss Wodka ein paar alkoholisc­he Umdrehunge­n hinzufügte.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Dem Heißgeträn­k verdankt die Schokolade ihren heutigen Namen: „Xocoatl“bedeutete bei den Azteken so viel wie „bitteres Wasser“. Heute ist der Kakao der Inbegriff eines süßen warmen Glücksmome­nt in kalten Tagen.
Foto: stock.adobe.com Dem Heißgeträn­k verdankt die Schokolade ihren heutigen Namen: „Xocoatl“bedeutete bei den Azteken so viel wie „bitteres Wasser“. Heute ist der Kakao der Inbegriff eines süßen warmen Glücksmome­nt in kalten Tagen.

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