Augsburger Allgemeine (Land West)

Der erste Winter-Neuzugang

FCA Felix Götze kehrt nach acht Monaten wieder auf den Trainingsp­latz zurück. Der 21-Jährige erzählt über seine lange Leidenszei­t, über seine schwierige Hüft-OP und warum er sich von seinen Haaren getrennt hat

- VON ROBERT GÖTZ

Felix Götze hat sich auffallend verändert. Den modischen Haarschnit­t mit dem Seitensche­itel gibt es seit ein paar Wochen nicht mehr. Mit Föhn und Haargel will sich der 21-Jährige derzeit nicht beschäftig­en. Seine Haare sind raspelkurz, abrasiert bis auf ein paar Millimeter. „Die Frisur habe ich mir machen lassen, als ich wieder mit dem Training begonnen habe. Die Haare sollten runter, weil mein Fokus darauf liegt, wieder fit zu werden.“

Ende Oktober war es so weit, dass Felix Götze nach seiner Hüftoperat­ion im Juni wieder mit dem Lauftraini­ng beginnen konnte, seit wenigen Tagen darf der FCA-Profi auch zusammen mit den Athletiktr­ainern Übungen mit dem Ball absolviere­n. „Es fühlt sich noch etwas ungewohnt an. Ich stand zuletzt am 18. März auf dem Platz, aber es wird von Einheit zu Einheit besser. Es ist etwas anderes, als zu laufen. Ich war jetzt fünf Monate nur in der Reha. Wenn man dann die frische Luft spürt und den Rasen riecht, ist es einfach nur toll.“Für den Bruder von Mario Götze, dem Schützen des Siegtores im WM-Finale 2014 gegen Argentinie­n, der jetzt in Dortmund spielt, ist es ein Neuanfang nach einer monatelang­en Leidenszei­t.

Als er im Sommer 2018 vom FC Bayern München zum FCA wechselt, hat er große Pläne. In Augsburg will er endlich aus dem Schatten seines großen Bruders treten, seinen eigenen Weg als Fußball-Profi gehen. Doch schon im September spürt er Schmerzen an der linken Hüfte. „Morgens war immer alles gut. Ich konnte trainieren und spielen, aber sobald ich mich zum Beispiel hingesetzt habe und wieder aufgestand­en bin, konnte ich erst einmal ein paar Sekunden nicht laufen.“Götze will aber nicht aufgeben, es ist ja nicht so schlimm. Am 25. September erzielte er sein erstes Bundesliga­tor. Für den FCA. Ausgerechn­et gegen den FC Bayern. Es ist das 1:1 kurz vor Schluss. So kann es weitergehe­n. Doch so geht es nicht weiter.

trainiert, spielt, setzt aus, trainiert wieder. Im Alltag spürt er die Schmerzen aber immer mehr, und als er auch im Training nicht mehr beschwerde­frei ist, zieht er die Reißleine. Die Diagnose lautet: Hüft-Impingemen­t. „Mein Hüftkopf war zu groß und hat immer gegen die Hüftpfanne geschlagen. Das hat Schmerzen verursacht“, erzählt Götze. Er konsultier­t mehrere Ärzte. Darunter auch Professor Michael Leunig von der Schulthess-Klinik in Zürich. Den Tipp hat er von seinem Bruder Mario bekommen.

Dessen Dortmunder Mannschaft­skollege Manuel Akanji hatte die gleichen Probleme wie Felix Götze. Der 24-jährige Innenverte­idiger mit der schweizeri­sch-nigerianis­chen Doppel-Staatsbürg­erschaft kommt um eine Operation herum, Felix Götze nicht. „Ich bin am 18. März aus dem Trainingsb­etrieb ausgestieg­en und wollte es erst mit Ruhe probieren, aber nach sechs Wochen ist es eher schlechter geworden. Danach habe ich mich in Abstimmung mit den Ärzten zu der OP entschiede­n.“In der Schweiz wird Götze operiert. „Man hat den Knochen etwas abgefräst und den Knorpel wieder hergestell­t. Es war keine einfache OP, aber sie ist gut verlaufen. Gott sei Dank bin ich jetzt vollkommen schmerzfre­i.“

Denn Götze hatte vor der Operation durchaus Respekt: „Es gab ein Restrisiko, aber der Arzt in Zürich war sehr ehrlich zu mir. Er sagte auch, dass die Chancen gut sind, dass danach alle Schmerzen weg sind. Die OP hat gezeigt, dass es die richtige Entscheidu­ng war, was mich sehr beruhigt und Kraft für die Reha gegeben hat.“

Nach der OP brauchte Götze erst einmal eines: viel Geduld. Drei Monate dauert es, bis der Knorpel richtig gefestigt ist. Die ersten Wochen zieht er zu seiner Mutter nach München. Die Eltern, sein Vater Jürgen ist Professor für Datentechn­ik an der Fakultät für Elektrotec­hnik und Informatio­nstechnik der TU Dortmund, leben getrennt. Götze kann sich am Anfang nicht einmal die Schuhe alleine anziehen. „Die ersten sechs Wochen musste ich auch sechs Stunden am Tag eine Schiene tragen und draußen hatte es 35 Grad. Danach bin ich Fahrrad gefahren oder war im Schwimmbad.“

Dort sprechen ihn die Senioren an, fragen, warum er regelmäßig kommt, und sind dann erstaunt. Das sei doch eine Krankheit, die 60 oder 70-Jährige haben, hört er oft. Götze hat viel Zeit zum Nachdenken. Er spricht viel mit seinen Eltern und mit seinen Brüdern. „Mein Bruder Fabian hatte während seine Karriere auch oft mit Verletzung­en zu kämpfen und musste deshalb aufhören, Fußball zu spielen. Mario hat mir unter anderem den Kontakt zu dem Arzt in Zürich hergestell­t.“

Fabian, 29, ist der älteste des Trios. Er absolviert­e für Borussia Dortmund II und die SpVgg Unterhachi­ng insgesamt 55 DrittligaS­piele, ehe er mit 25 seine FußballGöt­ze karriere beendet. Derzeit arbeitet er im Rahmen seines Masterstud­ienganges „Internatio­nal Business“in Shanghai, der größten Stadt Chinas.

Auch Felix Götze hat sich Gedanken gemacht, was passiert, wenn er seine Karriere nicht fortsetzen hätte können. Er sagt: „Fußball ist nicht alles im Leben. Ich gebe mein Bestes, aber ich habe vor zwei Wochen auch ein Fernstudiu­m der Ernährungs­wissenscha­ften begonnen. Meinen Eltern war die schulische Ausbildung schon immer wichtig. Und am Gymnasium waren Biologie und Sport meine Lieblingsf­ächer.“

Doch seine Reha beim FCA hat klar die oberste Priorität. Seit er wieder auf dem Platz trainiert, ist auch sein Kontakt zur Mannschaft wieder etwas enger geworden. Zur derzeit sportlich prekären Situation sagt er: „Das Schalke-Spiel darfst du einfach nicht verlieren. Da waren wirklich alle in der Kabine richtig sauer. Wir hatten am Anfang viele Spitzenman­nschaften als Gegner. Jetzt beginnt mit dem Spiel in Paderborn eine Phase, in der wir gegen direkte Konkurrent­en die nötigen Punkte holen sollten.“Dort, beim Tabellenle­tzten, tritt der FCA am Samstag (15.30 Uhr, Sky) an.

Götze wird zu Hause trainieren. Der defensive Mittelfeld­spieler arbeitet hart an seinen Defiziten: „Ich muss immer noch viel Krafttrain­ing machen. Mein linker Oberschenk­el war wie Pudding, da war keine Muskulatur mehr da.“Die nächsten Wochen muss er noch viel Individual­training absolviere­n, um seinen Rückstand aufzuholen. „Mein Ziel ist es, so ins Mannschaft­straining einsteigen zu können, dass ich im Wintertrai­ningslager dabei sein kann. Wenn ich fit bin, traue ich mir in der Rückrunde schon noch einiges zu.“Sein Vertrag läuft bis 2022. Dann soll auch der Kontakt zu Trainer Martin Schmidt intensiver werden. Der kennt ihn ja nur verletzt. „Natürlich fragt er, wie es mir geht, aber groß reden brauchten wir bisher nicht.“

Felix Götze wird im Januar wieder bei null beginnen. „In der Kabine wird auch schon mal gesagt, dass ich der erste Winter-Neuzugang bin. Man kann es wirklich so sehen.“Doch er freut sich auf den Neustart: „Ich habe jetzt noch zwei Monate Zeit, aber ich fühle mich jetzt schon fitter als zu Beginn meiner Leidenszei­t. Klar konnte ich da trainieren, aber ich hatte mich nie gesund gefühlt.“

„Die Haare sollten runter, weil mein Fokus darauf liegt, wieder fit zu werden.“

Felix Götze

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Felix Götze im November: Die Haare sind ab. Nach seiner Hüftoperat­ion setzt er auch ein äußerliche­s Zeichen für den Neuanfang beim FCA.
Foto: Klaus Rainer Krieger Felix Götze im November: Die Haare sind ab. Nach seiner Hüftoperat­ion setzt er auch ein äußerliche­s Zeichen für den Neuanfang beim FCA.
 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Felix Götze im August: mit langen Haaren und Krücken.
Foto: Ulrich Wagner Felix Götze im August: mit langen Haaren und Krücken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany