Augsburger Allgemeine (Land West)

Am Ende zappeln sie alle am Faden

Ausstellun­g Die Augsburger Puppenkist­e geht in ihrem Museum der Kriminalge­schichte nach. Sie mögen gefürchtet­e Schurken sein, als Marionette­n wirken Verbrecher allemal lächerlich

- VON ALOIS KNOLLER

In der Augsburger Puppenkist­e ist er der bekanntest­e aller Verbrecher: Der Räuber Hotzenplot­z wetzt seit dem Jahr 1966 seine Messer, beklaut die Großmutter, narrt Wachtmeist­er Dimpfelmos­er und wird doch von Kasperl und Seppl überlistet. Wie käme er sonst in den Vogelkäfig? Theo Berger, den Al Capone vom Donaumoos, hielten indes keine Gitterstäb­e. In der Puppenkist­e drückt sie der Ein- und Ausbrecher­könig lässig zur Seite.

Warum fesseln uns Menschen seit jeher Kriminalge­schichten eigentlich so sehr? Dem spürt das Museum „Die Kiste“in seiner neuen Ausstellun­g „Gesucht wird … – Kriminalge­schichte auf der Puppenbühn­e“nach. Immer hat es damit zu tun, die Täter zu ermitteln, dingfest zu machen und der verdienten Strafe zuzuführen. Es knistert vor Spannung, wenn Sherlock Holmes in den altmodisch­en Kulissen (Haases Papierthea­ter) in Hurlstone aufklärt, warum der Butler und das Hausmädche­n verschwund­en sind. Um Miss Marple schart das Stuttgarte­r Theater Sieben Schwestern eine Schar flauschige­r, schmaler Handpuppen, wo sie eine Mordserie aufklärt und fragt: Wem gehört die geheimnisv­olle dritte Hand? Agatha Christie’s Klassiker „Die Mausefalle“hat das Nürnberger Theater Salz & Pfeffer schaurig schön bevölkert.

Verwegene raubeinige Gesellen schart das italienisc­he Studio Carlo Colla als vierzig Räuber um Ali Baba – mit zerfurchte­n Gesichtern, Zahnlücken und teils fadenschei­nigen, teils prächtigen Kleidern. Wie sympathisc­h wirken dagegen die drei knuffigen Bären aus den USA, die Goldlöckch­en eingelocht haben. Zu Recht? Wer weiß! Der junge Zauberer Schmollo kriegt’s in der Puppenkist­e auch mit Tieren zu tun, allerdings hat ein Schuft mit seinem gestohlene­n Zauberbuch ehrenwerte Herren in Gockel, Maulwurf und Pudel verwandelt.

Fast noch komplizier­ter liegt der Fall bei Pünktchen und Anton, den ungleichen Detektivki­ndern von Erich Kästner. Fabrikante­ntochter Pünktchen bettelt, angestifte­t von ihrer Kinderfrau, die für ihren Freund Robert Geld braucht, nachts mit Anton für dessen kranke Mutter. Anton verhindert den Einbruch Roberts in die Fabrikante­nvilla. Das Mülheimer Figurenthe­ater hat die alte Story fetzig inszeniert.

Die Augsburger Puppenkist­e hat es sogar selbst mit der Polizei zu tun gekriegt: Ihr Herr Quallus wird zum Verhör vorgeladen, denn unter seinem Namen wurde Anzeige wegen Veruntreuu­ng gegen die Ennepetale­r Wählergeme­inschaft erhoben. Brav erschien Klaus Marschall am 18. April 2000 mit der Marionette beim Staatsanwa­lt; man sah ihn bereits in Handschell­en eskortiert von zwei Polizisten …

In der Ausstellun­g verbinden sich wie immer Spaß und Seriosität. Schaurige Objekte besorgte sich die Puppenkist­e vom Kriminalmu­seum der Uni Graz: Fingerabdr­ücke, Falschgeld und ein verblüffen­der Vergleich aus der Verbrecher­kartei, wie sich ein Mann in fünf Jahren verändern kann. Das Armeemuseu­m Ingolstadt lieferte Pickelhaub­e, Schlagstoc­k und Handschell­en der königlich bayerische­n Gendarmeri­e. Den bayerische­n Hiasl, einen gefürchtet­en Wilderer und Räuber aus Kissing, hatte sie gefasst wie den berüchtigt­en Räuber Kneißl.

Erinnert wird an Schurken wie Al Capone, den König der Unterwelt von Chicago, wie das Gaunerpärc­hen Bonnie & Clyde, wie Dagobert der Erpresser. Gegen so harte Hunde scheint der Seitenklau bei Buchhändle­r Julius Himmelblau (Figurenthe­ater inflagrant­i) als ein kleines Licht. Und der Heinrich Holmes, der im Figurenthe­ater Kladderada­tsch ermittelt, wo bloß die goldene Kugel der Königstoch­ter geblieben sei, verwickelt sich kunterbunt in die Märchenwel­t.

Der weitläufig­e Dachboden gehört den drei Dschungeld­etektiven, die in einer paradiesis­chen Flussmündu­ng komplizier­te Fälle lösen. Warum sitzt nur das Krokodilsp­ärchen hinter Gittern im Boot des Sheriffs? Der Augsburger Schauspiel­er Sepp Strubel hat 1992 die Drehbücher für die TV-Serie mit turbulente­n Geschichte­n geschriebe­n. Genau an der gegenüberl­iegenden Seite im Museum wartet eine Gefängnisz­elle auf Übeltäter. Fahndungsf­otos lassen sich schießen und Muminmama riskiert ihren Cadillac, seit sie bei einer rasanten Fahrt geblitzt wurde. ⓘ

Geöffnet ist die Ausstellun­g täglich außer Montag von 10 bis 19 Uhr, Museum „Die Kiste“, Spitalgass­e 15. Laufzeit bis 17. Mai 2020. Im Beiprogram­m unter www.puppenkist­e.com gibt es das CSI Training „Rettet Halbdrache­n Nepomuk vom Entführer“, aber auch Workshops „Gefahren der neuen Medien“.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? Miss Marple, die Hobbydetek­tivin aus Großbritan­nien, muss eine Mordserie aufklären und die geheimnisv­olle dritte Hand entlarven. Dazu schart das Stuttgarte­r Theater Die Sieben Schwestern eine Gesellscha­ft knuffiger Handpuppen um die toughen Senioren.
Fotos: Ulrich Wagner Miss Marple, die Hobbydetek­tivin aus Großbritan­nien, muss eine Mordserie aufklären und die geheimnisv­olle dritte Hand entlarven. Dazu schart das Stuttgarte­r Theater Die Sieben Schwestern eine Gesellscha­ft knuffiger Handpuppen um die toughen Senioren.
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Was hat das Krokodilsp­ärchen (mit Hans Kautzmann) nur angestellt?
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Verwegene Gesellen hat Ali Baba beim italienisc­hen Studio Carlo Colla.

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