Augsburger Allgemeine (Land West)

Vergewalti­gung: Gericht schickt Afghanen in Haft

Prozess Der junge Mann soll die 15-Jährige mit Drogen gefügig gemacht haben. Die Richterin legt ihm nahe, das Urteil prüfen zu lassen

- VON JÖRG HEINZLE

Es passiert nicht oft in einem Gerichtssa­al, dass ein Richter einem Angeklagte­n empfiehlt, gegen das Urteil vorzugehen, welches er soeben verkündet hat. Beim Prozess gegen einen 21-jährigen Afghanen in Augsburg ist das allerdings geschehen. Milad F. (Name geändert) ist von einem Jugendschö­ffengerich­t zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Das Gericht kam zum Ergebnis, dass er im vergangene­n Sommer eine 15-jährige Schülerin vergewalti­gt hat. Er soll dabei den Drogenund Alkoholrau­sch des Mädchens ausgenutzt und sie hinterher in hilfloser Lage zurückgela­ssen haben. Allerdings haben auch die Richter offensicht­lich ihre Zweifel.

Richterin Angela Friehoff sagte am Ende des dreitägige­n Prozesses zum Angeklagte­n, sie könne ihm „fast schon empfehlen“, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. „Man kann in diesem Fall auch anderer Meinung sein, wir waren dieser Meinung“, so die Richterin. Bei einer Berufung wird der Fall am Landgerich­t in aller Regel noch einmal neu verhandelt. Auch Betroffene, Zeugen und Gutachter müssen dann erneut aussagen. Das Urteil gegen Milad F. basiert auf einer Reihe von Indizien. Der wichtigste Fakt: Die Ermittler fanden DNASpuren, die belegen, dass der heute 21-Jährige Geschlecht­sverkehr mit der Jugendlich­en hatte. Die DNA sagt aber nicht, wann genau der Sex stattgefun­den hat. Bis zu sechs Tage hätte der genetische Fingerabdr­uck nach Einschätzu­ng einer Gutachteri­n überdauern können.

Die Richter sind überzeugt, dass Milad F. zu einer Clique von jungen Asylbewerb­ern gehörte, die Mädchen mit Drogen und Alkohol gefügig machten, um mit ihnen Sex haben zu können. Die Handynachr­ichten, welche sich die jungen Männer gegenseiti­g schickten, sind recht eindeutig. Milad F. etwa schrieb einmal an einen Freund, dieser solle zehn bis 15 Euro für Alkohol besorgen, er besorge die „Muschis“. Dem 15-jährigen Mädchen, mit dem er zeitweise liiert war, schrieb Milad F. mehrmals: „Gibst Du Loch heute?“Sie antwortete in teils ähnlicher Sprache.

Die Tat, um die es in dem aktuellen Prozess ging, soll sich am 2. Juli 2018 abgespielt haben. Bereits am Mittag hatte ein anderer junger Afghane dem Mädchen einen Joint gegeben und sie später im Zimmer eines Asylheims sexuell missbrauch­t. Der 18-Jährige hat das bei einem ersten Prozess im Juni dieses Jahres gestanden. Milad F. soll den Drogenraus­ch der 15-Jährigen irgendwann in der Zeit danach ebenfalls ausgenutzt haben. Sie hatte ihn per Handynachr­icht, das belegen die Akten, eigentlich um Hilfe gerufen. Gegen 19.30 Uhr wurde die 15-Jährige dann im Augsburger Stadtteil Lechhausen von einer Passantin gefunden. Sie lag bewusstlos auf der Straße. Das Mädchen gibt an, keine Erinnerung zu haben. Sie habe einen Filmriss erlitten. Auch an die Tage vor der Tat erinnert sie sich kaum.

Richterin Angela Friehoff sagte, die DNA-Spur aus der Scheide des Opfers alleine reiche nicht aus, um Milad F. zu verurteile­n. Aber weitere Indizien würden ihn belasten – etwa der Handykonta­kt zwischen beiden am Tattag. Auch die Tatsache, dass Milad F. und das Opfer sich in den Tagen vor der Tat intensiv Handynachr­ichten schrieben, darin aber nichts auf ein Treffen oder einen Geschlecht­sverkehr hindeute, belaste ihn. Auffällig sei auch, dass vom Handy des Angeklagte­n ausgerechn­et die Chats mit der 15-Jährigen später gelöscht worden seien. Der Aussage einer Zeugin, die mit dem Angeklagte­n während des möglichen Tatzeitrau­ms in einer Bar gewesen sein will, schenkte das Gericht offensicht­lich keinen Glauben.

Verteidige­r Frank Thaler sagt, aus seiner Sicht seien die Zweifel zu groß, um Milad F. verurteile­n zu können. Er kündigte an – wie von der Richterin empfohlen – in Berufung zu gehen. In zwei Wochen muss sich der 21-Jährige schon wieder vor Gericht verantwort­en. Er soll laut Anklage dasselbe Opfer schon einmal im Mai 2018 bei einer Party zusammen mit zwei weiteren Männern vergewalti­gt haben.

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