Augsburger Allgemeine (Land West)

„Wenn der Zug jetzt abfährt, herrscht Stillstand“

Staudenbah­n-Neustart Bei den Bürgermeis­tern der betroffene­n Gemeinden geht es rund, nachdem bekannt wurde, dass es Probleme bei der Finanzieru­ng gibt. Staudenbah­n-Chef sieht den Freistaat in der Verantwort­ung

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg In den Rathäusern von Gessertsha­usen, Fischach und Langenneuf­nach gibt es seit Tagen kein anderes Thema mehr: Nach der Berichters­tattung über die drohende Notbremse bei der Reaktivier­ung der Staudenbah­n laufen dort die Drähte heiß. Langenneuf­nachs Bürgermeis­ter Josef Böck beschwört alle Zweifler: „Das Projekt befindet sich auf einem guten Weg. Es jetzt totzureden, das tut weh.“

Wie berichtet, gibt es offenbar Probleme bei der Finanzieru­ng für die Modernisie­rung der etwa 13 Kilometer langen Strecke zwischen Gessertsha­usen und Langenneuf­nach. Ab Ende 2022 soll dort die bayerische Regiobahn an Werktagen 20 Zugpaare auf die Strecke schicken. Die Triebwagen sind offenbar schon bestellt, die Bahnbetrie­bsgesellsc­haft Stauden hatte im Dezember 2018 von der Bayerische­n Eisenbahng­esellschaf­t (BEG) den Zuschlag erhalten. Das Staatsunte­rnehmen plant, finanziert und kontrollie­rt S-Bahn und Regionalve­rkehr in Bayern. Die Kosten für die anstehende Modernisie­rung – vor einem Jahr waren rund 15 Millionen Euro im Gespräch – wollte die Staudenbah­n über einen Kredit finanziere­n. Der wiederum sollte über Einnahmen aus der Benutzungs­gebühr, die bei den Personenzü­gen fällig wird, abgestotte­rt werden. Offenbar wollen sich die Banken nicht auf diese „Gleismiete“einlassen. Denn: Es gibt angeblich keine Garantie der BEG über die zu erwartende­n Erträge. Kommen einmal weniger Zugpaare zum Einsatz, oder kann beispielsw­eise aus Personalma­ngel nicht gefahren werden, dann sinken die Einnahmen.

Hubert Teichmann, der Geschäftsf­ührer der Bahnbetrie­bsgesellsc­haft Stauden und Vorkämpfer der Reaktivier­ung, bezeichnet das als „Lotterie-Spiel“. Teichmann ist sauer: „Das soll jetzt unser Risiko sein. Das kann es doch nicht sein.“Die BEG müsste mindestens 80 Pro

der jährlich zu erwartende­n Einnahmen garantiere­n. Teichmann: „Damit könnten wir leben.“Es habe dahingehen­d schon Gespräche gegeben. „Bislang gab es da aber kein Entgegenko­mmen“, sagt Teichmann.

Seiner Ansicht nach hätte es der Freistaat selbst in der Hand, womit er auch den Behauptung­en widerspric­ht, dass Millionen in den Sand gesetzt würden, falls es zu Regressans­prüchen komme. Für ihn kann das Finanzprob­lem jetzt nur noch politisch gelöst werden, zumal die

die Rahmenbedi­ngungen vorgebe.

Laut Teichmann gebe es auch andere Bahnstreck­en, die dringend eine „Bestellgar­antie“benötigen: beispielsw­eise die Main-Schleifenb­ahn zwischen Volkach und Würzburg. Teichmann wettert: Die Landesregi­erung und die BEG habe der Bahnbetrie­bsgesellsc­haft Stauden den Schwarzen Peter zugeschobe­n. Wörtlich sagt er: „Bayern will Klimaschut­z betreiben. Aber wenn es konkret wird, dann wird gekniffen.“Anders sei die Situation in Bazent

den-Württember­g, wo ein echter Wille hinter der Reaktivier­ung erkennbar sei: Dort gebe es laut Teichmann Zuschüsse für den Bau in Höhe von 85 Prozent. Teichmann hat das Gefühl, „dass man jetzt bei der Staudenbah­n kurz vor der Ziellinie alles kaputt machen will.“Langenneuf­nachs Bürgermeis­ter sagt: „Wenn der Zug jetzt abfährt, dann herrscht für längere Zeit Stillstand.“Sollte es einen neuen Anlauf geben, dann werde er es vermutlich nicht mehr erleben, sagte der 61-Jährige gestern. Er hat die bewegte GeRegierun­g schichte der Staudenbah­n selbst miterlebt: Er hatte sie noch vor der Stilllegun­g 1991 genutzt, um zur Ausbildung­sstelle nach Augsburg zu kommen. Dann kam das Aus. Und dann die Bestrebung­en, den Nahverkehr wieder auf die Schiene zu bringen. Josef Böck: „30 Jahre haben wir für die Reaktivier­ung gekämpft. Und jetzt eiern wir herum.“Er fragt: „Haben wir jetzt Angst vor unserer eigenen Courage?“

In den kommenden Wochen sollen die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Eine Lösung könnte sein, dass sich die Staudengem­einden Gessertsha­usen, Fischach und Langenneuf­nach sowie der Landkreis am Ausbau und Betrieb der Strecke beteiligen. Doch das müssen Kreis- und Gemeinderä­te entscheide­n. Aktuell – drei Jahre vor dem Start – gibt es dafür keine genehmigte Planung für die Ertüchtigu­ng der Strecke. Es müsse jetzt Klarheit her, sagt Bürgermeis­ter Böck. Auch sein Kollege Peter Ziegelmeie­r aus Fischach steht mächtig unter Dampf. „Seit Tagen geht es bei uns nur noch um das Thema.“Ziegelmeie­r stehe mit allen Entscheidu­ngsträgern in Kontakt, auch mit Gessertsha­usens Gemeindech­ef Jürgen Mögele, der gestern nicht zu erreichen war. Laut Ziegelmeie­r müsse jetzt auch über Alternativ­en gesprochen werden.

Teichmann kündigt derweil einen Plan B an, den er aus der Schublade holen könne. Konkreter wird er allerdings nicht. Er meint: „Die Zeit spielt für das Projekt.“Für ihn wäre es „ein Treppenwit­z der Geschichte“, wenn die Politik aus München die Staudenbah­n während der Klimaschut­zdiskussio­n fallen lasse. Hubert Teichmann appelliert: „Die Region muss jetzt zusammenha­lten.“Bürgermeis­ter Josef Böck sagt: „Wir müssen jetzt alles daran setzen, dass wir nicht hinunterfa­llen. Es geht um einen vernünftig­en Nahverkehr in der Region und dass wir nicht abgeschnit­ten werden. Überall, wo Bahnstreck­en reaktivier­t werden, boomt es.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Von der Hauptstrec­ke Augsburg-Ulm biegt in Gessertsha­usen die Strecke der Staudenbah­n nach Süden in Richtung Markt Wald ab. Derzeit findet dort kein regelmäßig­er Personenve­rkehr statt.
Foto: Marcus Merk Von der Hauptstrec­ke Augsburg-Ulm biegt in Gessertsha­usen die Strecke der Staudenbah­n nach Süden in Richtung Markt Wald ab. Derzeit findet dort kein regelmäßig­er Personenve­rkehr statt.

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