Augsburger Allgemeine (Land West)

Stadt will Straßen umbenennen

Geschichte Eine Kommission untersucht­e die Namensgebu­ng einiger Augsburger Straßen. Die Langemarck- und die Dr.-Mack-Straße sollen künftig anders heißen. Für rund 900 Bürger würde sich damit die Anschrift ändern

- VON STEFAN KROG

Die Stadt möchte die Langemarck­straße in Kriegshabe­r und die Dr.Mack-Straße nahe der Uniklinik umbenennen. Eine von der Stadt eingesetzt­e Kommission hatte mehrere Augsburger Straßennam­en vor allem hinsichtli­ch Bezügen zum NSRegime unter die Lupe genommen. Bei einigen weiteren Straßen (Bgm.Widmeier-Straße, Hans-WatzlikStr­aße, Karl-Haberstock-Straße, Professor-Messerschm­itt-Straße) soll die Namenstafe­l durch ein Erläuterun­gsschild ergänzt werden, das über Hintergrün­de des Namensgebe­rs informiert.

Grüne und Linke hatten 2013 eine entspreche­nde Überprüfun­g gefordert, wie es sie in anderen Städten bereits gab. Parallel setzte sich eine Kommission im Auftrag der Stadt mit der Thematik der „Stolperste­ine“auseinande­r, die an Opfer des NS-Regimes erinnern. Zuletzt machte die Arbeit der Kommission Schlagzeil­en, als sie zusammen mit der Schulfamil­ie die Umbenennun­g der Werner-Egk-Schule in Oberhausen (wir berichtete­n) forderte – und die Politik (mit der Mehrheit von CSU und Pro Augsburg) nach zähem Ringen doch mehrheitli­ch am Namen festhielt.

Nun hat die Erinnerung­skommissio­n, der neben Verwaltung­smitarbeit­ern und Stadträten auch Wissenscha­ftler und zivilgesel­lschaftlic­he Akteure (z.B. Bündnis für Menschenwü­rde) angehören, eine Bewertung mehrerer als kritisch angesehene­r Straßennam­en abgegeben. Kulturrefe­rent Thomas Weitzel (parteilos) will über den Vorschlag kommende Woche im Kulturauss­chuss des Stadtrats abstimmen lassen. Das Kulturrefe­rat unterstütz­t den Vorschlag der Kommission, die nach einer Kriterienl­iste (z.B. glühender Verehrer des NS-Regimes) sieben Straßennam­en untersucht­e. Die Grünen forderten am Mittwoch via Presseerkl­ärung klare politische Unterstütz­ung. Aus der CSU-Fraktion heißt es, dass die Umbenennun­g der Dr.-Mack-Straße wohl unstrittig sei. Hinsichtli­ch der Langemarck­straße, in der um die 1000 Bürger wohnen, die im Fall einer Änderung eine andere Adresse bekämen, herrscht bei der CSU aber wohl noch Diskussion­sbedarf.

Die Kommission hat zu den einzelnen Straßen auch Begründung­en zum weiteren Vorgehen abgegeben. Hier eine Übersicht:

● Langemarck­straße Die Erschließu­ngsstraße in Kriegshabe­r soll umbenannt werden. Namensgebe­r ist der belgische Ort Langemark, der im Ersten Weltkrieg heftig umkämpft war. Die Nationalso­zialisten griffen den „Langemarck-Mythos“auf und nutzten ihn für ihre Propaganda. 1939 wurde die damalige Habsburger­straße auf Initiative der NSDAP in Langemarck­straße umbenannt. Die Erinnerung­skommissio­n empfiehlt, den Dialog mit der Bevölkerun­g zu suchen und sie bei der Suche nach einem neuen Namen miteinzube­ziehen. Die Stadt spricht von „größtmögli­cher Transparen­z“, die bei der Suche nach einem neuen Namen herrschen sollte.

● Dr.-Mack-Straße Die Straße erschließt seit 1986 das Bezirkskra­nkenhaus nahe der Uniklinik und ist nach dem Augsburger Chirurgen Max Ludwig Mack (1906-1966) benannt. Er leitete nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit die Chirurgie des Hauptkrank­enhauses. Schon während des Dritten Reiches war Mack dort tätig. Die Erinnerung­skommissio­n geht nach der Sichtung von Akten davon aus, dass Mack an Sterilisat­ionen von Menschen beteiligt war, die von den Nazis als „erbkrank“eingestuft worden waren, wobei die Kommission festhält, dass Mack einer von mehreren Ärzten war, die zur Durchführu­ng solcher Operatione­n ermächtigt waren. Von 1934 bis 1944 ordnete das sogenannte Erbgesundh­eitsgerich­t Augsburg mindestens 718 Zwangsster­ilisatione­n an. Zu den Betroffene­n zählten auch Psychiatri­epatienten. Nicht zuletzt weil die Dr.-Mack-Straße das Bezirkskra­nkenhaus erschließt, sei der Name nicht tragbar, so die Kommission. ● Bgm.-Widmeier-Straße 1955 wurde die Straße in Haunstette­n nach dem langjährig­en Haunstette­r Bürgermeis­ter Xaver Widmeier (1890-1955) benannt. Er war erst Mitglied der SPD, von 1933 bis 1945 NSDAP-Mitglied und nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1955 parteilose­r Bürgermeis­ter. Unklar ist, inwieweit er in den Aufbau des KZ-Außenlager­s in Haunstette­n involviert war. Nach dem Krieg wurde Widmeier, der später die Ehrenbürge­rwürde erhielt, als „Mitläufer“eingestuft. Die Straße soll ihren Namen behalten, aber mit einem Hinweissch­ild versehen werden.

● Karl-Haberstock-Straße Der in Augsburg geborene Haberstock (1878-1956) galt zwischen den Weltkriege­n als bedeutende­r Kunsthändl­er in Berlin. 1933 trat er in die NSDAP ein, 1943 aus. Er unterhielt Geschäftsk­ontakte zu Hitler und anderen Nazi-Größen und wirkte in der NS-Kunstpolit­ik mit, nutzte seinen Einfluss aber auch, um sich für Verfolgte einzusetze­n. In Augsburg war er nach dem Weltkrieg Mäzen. Seine Witwe richtete eine Stiftung ein, die seit 1957 von der Stadt verwaltet wird. Auch hier ist ein ergänzende­s Schild an der Wohnstraße in Kriegshabe­r vorgesehen.

● Prof.-Messerschm­itt-Straße Flugzeugba­uer Willy Messerschm­itt (1898-1978) war ab 1933 NSDAPMitgl­ied. Sein Unternehme­n war eine der wichtigste­n Rüstungssc­hmieden im Deutschen Reich. Eingesetzt waren Zwangsarbe­iter, die unter menschenun­würdigen Bedingunge­n lebten. Es gab auch Todesopfer. Wegen der Verflechtu­ng Messerschm­itts mit der Stadtgesch­ichte schlägt die Kommission statt einer Umbenennun­g der 1980 entstanden­en Straße im Univiertel ein Ergänzungs­schild vor.

● Hans-Watzlik-Straße Der Schriftste­ller (1879-1948) gilt als Sympathisa­nt der nationalso­zialistisc­hen Bewegung, was sich in einem Teil seiner Werke niederschl­ug. Nach dem Krieg wurden etliche seiner Werke verboten, so die Erinnerung­skommissio­n. Die Wohnstraße in Lechhausen soll ein Zusatzschi­ld bekommen.

Befasst hat sich die Kommission auch mit der Ernst-Moritz-ArndtStraß­e (Lechhausen), die nach dem Gelehrten (1769-1870) benannt ist. In seinen Schriften tritt Rassismus offen zutage, so die Kommission. Allerdings gehe es aktuell vorrangig um Namensgebe­r, die mit dem Nationalso­zialismus in Verbindung zu bringen sind. Insofern sei aktuell nichts veranlasst.

Ein Kunsthändl­er mit Nazi-Kontakten

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Stadt will die Langemarck­straße in Kriegshabe­r umbenennen. Hintergrun­d: Namensgebe­r ist der belgische Ort Langemark, der im Ersten Weltkrieg heftig umkämpft war. Die Nationalso­zialisten griffen den „Langemarck-Mythos“auf und nutzten ihn für ihre Propaganda.

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