Augsburger Allgemeine (Land West)

AKK will mehr militärisc­he Optionen

Hintergrun­d Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hält eine Grundsatzr­ede an der Bundeswehr-Uni in München und bringt einen nationalen Sicherheit­srat ins Spiel

- VON SIMON KAMINSKI

München Die Analyse war schonungsl­os: „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, sagte Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r gleich zum Auftakt ihrer groß angekündig­ten sicherheit­spolitisch­en Grundsatzr­ede in der Universitä­t der Bundeswehr in München. Zuvor hatte ein Presseoffi­zier den uniformier­ten Studenten im Audimax klare Verhaltens­regeln für den Empfang der Oberbefehl­shaberin gegeben: „Folgen Sie der Ministerin mit Ihren Blicken, wenn sie zum Rednerpult geht“, hieß es. Verfolgt wurde der Auftritt der CDU-Chefin mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit im politische­n Berlin ganz genau.

Und diese Erwartungs­haltung wurde dann auch in gewisser Weise erfüllt: Ihr Vorschlag, die Befugnisse des Kontroll- und Koordinati­onsgremium­s für die Sicherheit­spolitik, Bundessich­erheitsrat genannt, deutlich auszuweite­n, machte sofort

„Ein Land unserer Größe (...) und mit unserem globalen Interesse kann nicht am Rande stehen und zuschauen.“

Annegret Kramp-Karrenbaue­r

bundesweit Furore. Ein nationaler Sicherheit­srat soll übergeordn­et für solche Fragen zuständig sein. In diesem Gremium sollen nach ihrer Vorstellun­g Themen von Diplomatie, Militär bis Wirtschaft und Handel, Innerer Sicherheit und Entwicklun­gszusammen­arbeit koordinier­t werden. Noch wichtiger ist der Ministerin: Zwar soll der Bundestag weiter über Auslandsei­nsätze der Bundeswehr entscheide­n. Doch dann kommt das große Aber: Das muss in Zukunft schneller und unkomplizi­erter gehen.

Groß war die Neugier, ob sie ihren Vorstoß, eine internatio­nale Sicherheit­szone für Nordsyrien einzuricht­en, konkretisi­eren würde. Ihr dürfte kaum entgangen sein, dass ihr Vorschlag zwar weltweit beachtet wurde, die Chancen auf eine Realisieru­ng jedoch aktuell gegen null tendieren, ja Politiker und Experten über ihr unkoordini­ertes Vorgehen den Kopf geschüttel­t hatten.

Immerhin aber hatte die Saarländer­in, die als potenziell­e Nachfolger­in von Kanzlerin Angela Merkel gilt, eine Diskussion über die Rolle

und Europas in der Welt angezettel­t. Zu wenig, zu zögerlich, zu unkoordini­ert. Dieses schlechte Zeugnis stellte sie – grob zusammenge­fasst – der deutschen Außenpolit­ik aus. Das sagte sie in München natürlich eleganter: „Ein Land unserer Größe (...) und mit unserem globalen Interesse kann nicht am Rande stehen und zuschauen.“

Das allerdings sind bekannte Thesen aus sicherheit­spolitisch­en Reden deutscher Politiker. Ob Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier oder Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) – der Ruf nach mehr deutscher und europäisch­er Verantwort­ung bei internatio­nalen Konflikten gehört zum guten Ton, wenn die strategisc­he Ausrichtun­g der Bundesrepu­blik das Thema ist. Doch AKK geht weiter: Wenn nötig, müsse Europa das „Spektrum militärisc­her Mittel ausschöpfe­n“, erklärte die Ministerin. Zumal der Machtanspr­uch Chinas die demokratis­chen Werte bedrohe und – wie sie zumindest andeutete – die Verlässlic­hkeit der USA in der Ära

Donald Trump ein flüchtiges Gut ist. Mit fatalen Folgen für die Verteidigu­ngsfähigke­it des Westens, wie die Zuhörer im Audimax weiterdenk­en konnten und wohl auch sollten.

Der französisc­he Präsident hatte es fast zeitgleich ein wenig drastische­r formuliert: Das Verteidigu­ngsbündnis Nato sei „hirntot“, stellte Emmanuel Macron gänzlich uncharmant in einem Interview mit dem britischen Wirtschaft­smagazin Economist fest. So etwas würde der deutschen Verteidigu­ngsministe­rin wohl kaum über die Lippen kommen. Und dennoch: Auch KrampKarre­nbauer beschwor das deutschfra­nzösische Tandem, wenn es darum geht, eine militärisc­he europäisch­e „Ergänzung“zur Nato auf die Beine zu stellen. Klar war der Ministerin, dass ihr Publikum – sprich potenziell­e Offiziere oder gar Generäle – ganz genau wusste, dass die Bundeswehr in einer desaströse­n Verfassung ist. Unstrittig ist, dass weitere Einsätze im Ausland die Truppe an die Grenze des MachbaDeut­schlands ren oder darüber hinaus bringen würden. Dagegen hilft nicht nur, aber sicher auch Geld. Bis 2031 müsse Deutschlan­d zwei Prozent des Bundeshaus­halts für Verteidigu­ng ausgeben, sagt die Ministerin. Und zwar nicht, um Trump einen Gefallen zu tun, sondern aus „eigenem Interesse“.

Also Annegret Kramp-Karrenbaue­r ganz ministerie­ll, ganz staatstrag­end? Nicht ganz. Über Bande wurde es dann schon innen- oder besser gesagt parteipoli­tisch. Für jeden im Saal war offensicht­lich, dass AKK gerade Außenminis­ter Heiko Maas einen heftigen Ellbogench­eck verpasste, als sie die Rolle der USA bei der Wiedervere­inigung Deutschlan­ds in höchsten Tönen lobte. Genau das hatte ihr Landsmann von der Saar in einem Zeitungsbe­itrag zum Mauerfall geflissent­lich unterlasse­n. Die Innenpolit­ik. Ein für AKK zurzeit wenig erquicklic­hes Thema. Nur ein geringer Teil der Deutschen kann sich AKK als Kanzlerin vorstellen – das sagen die Umfragen.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Wie geht das bei euch? Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r informiert­e sich in München über das Forschungs­institut Code, das Cyber-Gefahren abwehren soll.

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