Augsburger Allgemeine (Land West)

Flicks Chancen steigen

Champions League Taktik, Aufstellun­g, Spielidee? Es ist nicht klar, nach welchen Kriterien die Münchner ihren neuen Trainer suchen. Einem Kandidaten sagten die Bayern nun ab

- VON TILMANN MEHL

München Es bleibt die Frage, was von einem Trainer erwartet wird. Diskutiert wird meist über Aufstellun­gen. Hätte nicht statt x besser y gespielt? Sollte jedoch die Hauptaufga­be eines Trainers darin bestehen, elf Namen auf einen Spielberic­htsbogen schreiben zu lassen, dürfte ihm die ausufernde Tagesfreiz­eit bald zur Last fallen. Wer das Tätigkeits­feld eines Trainers derart definiert, benötigt keine Zeit, um einen passenden Nachfolger zu finden, falls statt y dann doch z spielt.

An anderer Stelle herrscht die Meinung vor, dass ein Coach vor allem für das Erarbeiten von Strategien und Spielprinz­ipien verantwort­lich ist. Und schließlic­h gibt es noch jene, deren Augenmerk darauf liegt, jeden Spieler jeden Tag besser zu machen.

Niko Kovac entsprach am Ende seiner eineinhalb­jährigen Amtszeit keiner der drei Anforderun­gen. Bis auf den außergewöh­nlichen Robert Lewandowsk­i befand sich zuletzt kein Akteur in einer Verfassung, die es ihm erlauben würde, argumentat­iv gegen eine Strafverse­tzung auf die Bank vorzugehen. Auch daher tendierten die Aufstellun­gen von Kovac am Ende in Richtung Beliebigke­it. Das ist nur dann nicht problemati­sch, wenn Automatism­en in Defensive und Offensive derart eingeübt sind, dass eine Aufstellun­g von x,y oder z kaum einen Unterschie­d macht – weil die Mannschaft sich ihres strategisc­hen Vorteils bewusst ist.

Mit einer übergeordn­eten Idee aber belastete Kovac seine Spieler nicht. Er appelliert­e an Einstellun­g und Einsatzber­eitschaft. Die Trennung von ihm war unumgängli­ch. Mit ihr einhergeht selbstvers­tändlich der Glauben nach Besserung. Auch deswegen irren all jene, die behaupten, nach drei Tagen unter der Obhut von Hans Flick könne sich ja noch gar nichts verbessert haben. Das Team hat drei Jahre benötigt, sich der unter Pep Guardiola eingeübten Dominanz zu entledigen. Sie kann nicht nach 72 Stunden wieder zurückgefu­nden haben. Jene 27 Torschüsse, die der FC Bayern am Mittwoch gegen Olympiakos Piräus abgab, weisen aber eine Tendenz auf, die von den lediglich drei Versuchen der Griechen bestätigt wird. Gleiches gilt für die 14:1-Ecken der Bayern. Am Ende standen ein schnöder 2:0-Erfolg und der vorzeitige Einzug ins Achtelfina­le der Champions League.

Flick war mit der Leistung seiner Mannschaft „sehr zufrieden“vor dem Hintergrun­d, dass die „Situation nicht einfach“gewesen sei. Vor allem das Defensivve­rhalten hatte ihm gut gefallen. „Wir haben mit viel Risiko weit vorne verteidigt“, erläuterte Flick eine seiner ersten Maßnahmen. Strukturen in der Abwehr zu verbessern funktionie­rt immer leichter, als das Offensivsp­iel auf ein neues Level zu haben.

Derartiges können Thiago und Philippe Coutinho an guten Tagen allein durch ihre individuel­len Fähigkeite­n. Der Herbst 2019 aber ist offenbar nicht gesät mit guten Tagen. Ohne aber zumindest einen der beiden Sonderbega­bten auf dem Feld, dürfte dem bajuwarisc­hen Spiel auch künftig der Glanz fehlen.

Von geradezu blendendem Glanz war phasenweis­e jene Mannschaft, die Arsène Wenger vor rund 15 Jahren trainierte. Arsenal London berauschte sich und die Fans durch temporeich­en Offensivfu­ßball. Auch deswegen galt der Franzose als einer von wenigen namhaften Kandidaten, der kurzfristi­g die Bayern übernehmen könnte. Die Münchner aber haben planen nicht mit dem Franzosen. „Arsène Wenger hat Karl-Heinz Rummenigge am Mittwochna­chmittag angerufen und grundsätzl­ich Interesse am Trainerpos­ten beim FC Bayern signalisie­rt. Der FC Bayern schätzt Arsene Wenger für seine Arbeit als Trainer bei Arsenal London sehr, aber er ist keine Option als Trainer beim FC Bayern München“, teilte der Verein der Bild mit.

Uli Hoeneß, Rummenigge und Hasan Salihamidz­ic haben sich von Kovac getrennt, weil keine spielerisc­he Idee zu erkennen war. Die drei maßgeblich­en Entscheide­r selbst scheinen allerdings auch ein gutes Stück von einer klaren Vorstellun­g entfernt zu sein, wie sie sich kurzfristi­g die Betreuung der Mannschaft vorstellen.

Grundsätzl­ich ist ihre Anforderun­g an den neuen Mann an der Seitenlini­e aber eine recht simple: Er muss lediglich Erfolg haben. Bei einem Sieg am Samstag gegen Dortmund würde Flick recht gut dem Jobprofil entspreche­n.

 ?? Foto: Getty Images ?? Hans Flick, dankbarer Arbeitnehm­er. „Es interessie­rt mich überhaupt nicht, was nach dem Samstag passiert. Ich bin niemand, der in der Vergangenh­eit oder in der Zukunft lebt. Ich genieße es aktuell, weil die Mannschaft wirklich hervorrage­nd arbeitet.“
Foto: Getty Images Hans Flick, dankbarer Arbeitnehm­er. „Es interessie­rt mich überhaupt nicht, was nach dem Samstag passiert. Ich bin niemand, der in der Vergangenh­eit oder in der Zukunft lebt. Ich genieße es aktuell, weil die Mannschaft wirklich hervorrage­nd arbeitet.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany