Augsburger Allgemeine (Land West)
Kann man dem Huawei-Chef vertrauen?
Ren Zhengfei ist Gründer des Telekommunikations-Giganten. Und damit jenes Unternehmens, das unter Spionage-Verdacht steht. In Deutschland wird diskutiert, ob es das 5G-Mobilfunknetz mit ausbauen soll. Der Druck auf Ren Zhengfei ist groß. Wie er darauf rea
Shenzhen Wenn Huawei-Gründer Ren Zhengfei zum Interview lädt, dann werden die Gäste im chinesischen Shenzhen in eine überdimensionale Säulenhalle gebeten, die wie eine kitschige Reminiszenz an das alte Europa wirkt: An den Wänden hängen Ölgemälde von der Schlacht von Waterloo und der Krönung Napoleons, die goldverzierten Wandschränke sind viktorianisch, die Statuen inspiriert vom antiken Griechenland.
Sichtlich entspannt erscheint der 75-Jährige dann in lachsrosa Hemd und dunklem Sakko. Angesprochen auf den Handelskrieg zwischen Washington und Peking, gibt sich der Huawei-Gründer siegessicher: „Die amerikanische Regierung kann machen, was immer sie für richtig für ihre eigenen Unternehmen hält. Doch ich kann Ihnen versichern, dass wir auch ohne amerikanische Technologie weiter wachsen werden.“Ren Zhengfei hat Huawei 1987 mit 3500 US-Dollar Startkapital gegründet – und zum weltgrößten Hersteller für Telekommunikationstechnik gemacht. Er gilt als verschlossen. Nur selten gibt er westlichen Medien Interviews.
Die Debatte in den USA oder Deutschland, Huawei sei der verlängerte Arm der Kommunistischen Partei Chinas und seine Technologie würde zur Spionage genutzt, hat ihn allerdings zu einer neuen Strategie gezwungen. Er möchte beweisen, dass Huawei ein global geführtes, transparentes Unternehmen sei.
Keine leichte Aufgabe. Am Freitag erst warnte US-Außenminister Mike Pompeo in einer Rede in Berlin vor „chinesischen Firmen, die 5G-Netze“in anderen Ländern aufbauen wollten. Er meinte vor allem Ren Zhengfeis Konzern. Selbst der Chef des Bundesnachrichtendienstes
habe vor Huawei gewarnt, ergänzte Pompeo. Während die USA sich – einmal mehr – damit eindeutig positioniert haben, lehnte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Ausschluss Huaweis vom Ausbau des deutschen 5G-Mobilfunknetzes am Freitag – einmal mehr – ab. Zugleich zitierten Medien sie mit dem Satz: „Wir wissen, dass wir jetzt für den 5G-Ausbau die Sicherheitsanforderungen noch einmal deutlich verschärfen müssen.“Und sie wies darauf hin, dass Huawei bereits beim 2G- und 3G-Ausbau in Deutschland tätig sei.
In Shenzhen blickt man so auf die Debatte: „Wir sind zwischen die Fronten geraten.“Das sagt der Australier Glenn Schloss, der als Vizepräsident die Kommunikationsabteilung Huaweis leitet. „Die Auswirkungen des Handelskriegs haben uns geschäftlich nicht groß getroffen, dafür unser Ansehen umso krasser.“Schloss hat einst als Journalist berichtet, unter anderem für die Hongkonger Zeitung South China Morning Post. Nun lautet seine Aufgabe, das angekratzte Image Huaweis aufzupolieren. Er ist einer von mehr als einem Dutzend Aus
die das chinesische Unternehmen als Teil einer Charme-Offensive für die PR-Abteilung angeheuert hat. „Huawei hat keinen guten Job in der Vergangenheit gemacht, sich selbst und seine Technologie zu erklären. Diesen Preis zahlen wir jetzt“, sagt er.
Der Preis ist hoch. Die Kosten des Handelskonflikts zwischen den USA und China beziffert Firmengründer Ren Zhengfei auf 30 Milliarden US-Dollar Gewinneinbußen für die nächsten zwei Jahre. Umgerechnet 27 Milliarden Euro also. Huawei etwa war per gerichtlichem Beschluss verboten worden, technische Ausrüstung aus den USA zu importieren. Laut Firmenangaben sei man jedoch nicht mehr abhängig von der Technologie der Vereinigten Staaten. Zudem verkauft Huawei nur ein Prozent seiner Smartphones in den USA – in China ist man mit mehr als 42 Prozent Marktführer.
Dennoch fürchtet Huawei den Druck der US-Regierung auf deren Verbündete, ihm Marktzugänge in
Europa und anderen Ländern zu verbauen. US-Präsident Donald Trumps Argumentation heißt: Wer das chinesische Unternehmen beim Ausbau von 5G-Netzwerken einbindet, läuft Gefahr, von Peking vollständig überwacht zu werden.
Zwei Autostunden nördlich des Stadtzentrums von Shenzhen öffnet Huawei westlichen Journalisten sogar die Pforten zu seiner Smartphone-Produktion. In einem Fabrikkomplex von 1400 Quadratkilometern Fläche sorgen 20000 Angestellte dafür, dass jeden Monat mehr als zwei Millionen Mobiltelefone vom Band gehen. Etwa das Modell P30. An einer 120 Meter langen Fertigungsstraße arbeiten von der Herstellung seiner Leiterplatte bis zum Anbringen des Barcodes nur 17 Mitarbeiter. Fast alle Produktionsschritte werden von Robotern erledigt, viele aus firmeneigener Fertigung. Wenn das Smartphone am Ende mehr als sechs Gramm über der Norm wiegt, müssen alle Einzelteile nochmals überprüft werden.
Das Herzstück des „HuaweiShenzhen,
Campus“aber befindet sich zwischen Heidelberg, Verona und Versailles. Denn unter der chinesischen Sonne hat die Firma ein MiniaturEuropa gebaut, in dem die Büros der Forschungsabteilung untergebracht sind. Dass Huawei seinen Ingenieuren ein luxuriöses Freizeitpark-Ambiente sponsert, passt ins Konzept: Satte 14 Prozent seines Umsatzes von 105 Milliarden US-Dollar investierte Huawei letztes Jahr in Forschung und Entwicklung.
Damit bleibt das Unternehmen attraktiv für junge Talente wie den 27-jährigen Zhou Yuhao. Der Ingenieur hatte nach seinem Master-Abschluss an der Columbia Universität in einem New Yorker Start-up gearbeitet. Dennoch ließ er sich 2018 trotz niedrigeren Gehalts von Huawei in sein Heimatland abwerben. „Einerseits wollte ich näher bei meiner Familie sein. Aber vor allem ist es eine Ehre, für Huawei zu arbeiten“, sagt er.
Der Stolz Chinas auf seinen TechGiganten manifestiert sich im ultramodernen Huawei Flagship-Store in
seiner Vorzeige-Filiale: Auf Präsentiertischen werden die neuen Smartphones von kaufkräftigen Kunden bestaunt; eine VideoBloggerin gibt gerade einen SocialMedia-Kurs. Die Dachterrasse gibt den Blick frei auf die futuristische Innenstadt Shenzhens, die Abu Dhabi, Vancouver oder Chicago ähnelt. Die auffallend sauberen Gehsteige werden gesäumt von LEDWerbetafeln über 5G, das soeben flächendeckend eingeführt wurde.
Es ist kein Zufall, dass die Erfolgsgeschichte des Huawei-Imperiums ausgerechnet im südchinesischen Shenzhen begann: Noch Anfang der 70er Jahre bestand das verschlafene Fischerdorf aus wenig mehr als ein paar Hütten am Meer. Heute beherbergt die Zwölf-Millionen-Metropole eine der modernsten Skylines des Landes. Die Berge an der Küste wurden einst mit Dynamit weggesprengt; auf das neu gewonnene Land errichteten Arbeitsmigranten das 599 Meter hohe Ping An International Finance Center, eine architektonische Machtdeländern, monstration von 115 Stockwerken. Acht U-Bahn-Linien sind in Betrieb, weitere fünf sind im Bau. Der Sound Shenzhens ist ein konstantes Summen: Taxen, öffentliche Busse und ein Drittel aller Autos werden elektrisch betrieben.
1978 errichtete hier der Reformer Deng Xiaoping aufgrund der Nähe zu Hongkong die erste Sonderwirtschaftszone Chinas. Und Ren Zhengfei sah seine große Chance gekommen: Nur 0,2 Prozent aller Chinesen besaßen damals einen Festnetzanschluss. Also importierte der Geschäftsmann aus der Sonderverwaltungszone Hongkong sogenannte Festnetzverteiler und verkaufte sie in den Provinzen Chinas weiter. Die eigene Produktion folgte später: Der Schritt von Billigelektronik bis hin zu Premium-Smartphones schafften die Ingenieure in Shenzhen in nur zwei Jahrzehnten.
Wie die Zukunft des Mobilfunks, die 5G-Zukunft, aussieht, wird auf dem Huawei-Campus demonstriert; ein Silicon-Valley-Abklatsch aus dutzenden Forschungslabors in verspielter Architektur. Ein Ingenieur in Schlips, randloser Brille und Soldatenfrisur erläutert die aktuellen Innovationen: Mithilfe von 5G werden in einem Pilotprojekt in der Inneren Mongolei schon Minentransporter durch die Kohlewerke fahrerlos betrieben. Zudem steuert der Hafen in Ningbo seine Frachtcontainer ohne Menschenhand.
Zugleich feilt Huawei an umfassender Überwachungs-Technologie, die unter Datenschützern in Europa die Alarmglocken schrillen lässt. Zum Beispiel Gesichtserkennungs-Kameras mit Ganzkörperscannern. „Diese werden bald anhand der Bewegungsabläufe im Ansatz erkennen können, ob etwa ein Passant ein Messer zückt. So lassen sich Verbrechen verhindern“, sagt der Huawei-Ingenieur. „Unsere
Huawei hat sich in China ein Miniatur-Europa gebaut
Ein Ingenieur zeigt stolz Überwachungstechnologie
Kameras erfassen bis zu 300 Gesichter gleichzeitig. Das ist hilfreich an öffentlichen Plätzen mit vielen Menschen, wie etwa dem Platz des Himmlischen Friedens. Dort sind unsere Kameras bereits installiert.“Ausgerechnet an jenem historischen Ort in der Pekinger Innenstadt, an dem das chinesische Militär 1989 einen Volksaufstand brutal niedergeschlagen hat. Mithilfe von 5G und Künstlicher Intelligenz hätte die Bewegung der Demokratie-Aktivisten damals wohl im Keim erstickt werden können.
Dass ein 5G-Mobilfunknetz mit Huawei-Technik Spionagekanäle zur chinesischen Regierung ermöglicht, schließt Firmengründer Ren Zhengfei im Gespräch kategorisch aus und bietet überraschend eine vertragliche Garantie dafür an: „Ein solches Sicherheitsabkommen können wir jederzeit unterschreiben.“Er verstehe nicht, sagt er dann noch, warum europäische Unternehmen das durch den Handelskrieg der Vereinigten Staaten mit China entstandene Vakuum geschäftlich für sich nicht besser handhaben. „Wenn es Geld zu machen gibt, wieso nicht die Chance nutzen?“