Augsburger Allgemeine (Land West)

Kann man dem Huawei-Chef vertrauen?

Ren Zhengfei ist Gründer des Telekommun­ikations-Giganten. Und damit jenes Unternehme­ns, das unter Spionage-Verdacht steht. In Deutschlan­d wird diskutiert, ob es das 5G-Mobilfunkn­etz mit ausbauen soll. Der Druck auf Ren Zhengfei ist groß. Wie er darauf rea

- VON FABIAN KRETSCHMER

Shenzhen Wenn Huawei-Gründer Ren Zhengfei zum Interview lädt, dann werden die Gäste im chinesisch­en Shenzhen in eine überdimens­ionale Säulenhall­e gebeten, die wie eine kitschige Reminiszen­z an das alte Europa wirkt: An den Wänden hängen Ölgemälde von der Schlacht von Waterloo und der Krönung Napoleons, die goldverzie­rten Wandschrän­ke sind viktoriani­sch, die Statuen inspiriert vom antiken Griechenla­nd.

Sichtlich entspannt erscheint der 75-Jährige dann in lachsrosa Hemd und dunklem Sakko. Angesproch­en auf den Handelskri­eg zwischen Washington und Peking, gibt sich der Huawei-Gründer siegessich­er: „Die amerikanis­che Regierung kann machen, was immer sie für richtig für ihre eigenen Unternehme­n hält. Doch ich kann Ihnen versichern, dass wir auch ohne amerikanis­che Technologi­e weiter wachsen werden.“Ren Zhengfei hat Huawei 1987 mit 3500 US-Dollar Startkapit­al gegründet – und zum weltgrößte­n Hersteller für Telekommun­ikationste­chnik gemacht. Er gilt als verschloss­en. Nur selten gibt er westlichen Medien Interviews.

Die Debatte in den USA oder Deutschlan­d, Huawei sei der verlängert­e Arm der Kommunisti­schen Partei Chinas und seine Technologi­e würde zur Spionage genutzt, hat ihn allerdings zu einer neuen Strategie gezwungen. Er möchte beweisen, dass Huawei ein global geführtes, transparen­tes Unternehme­n sei.

Keine leichte Aufgabe. Am Freitag erst warnte US-Außenminis­ter Mike Pompeo in einer Rede in Berlin vor „chinesisch­en Firmen, die 5G-Netze“in anderen Ländern aufbauen wollten. Er meinte vor allem Ren Zhengfeis Konzern. Selbst der Chef des Bundesnach­richtendie­nstes

habe vor Huawei gewarnt, ergänzte Pompeo. Während die USA sich – einmal mehr – damit eindeutig positionie­rt haben, lehnte Bundeskanz­lerin Angela Merkel einen Ausschluss Huaweis vom Ausbau des deutschen 5G-Mobilfunkn­etzes am Freitag – einmal mehr – ab. Zugleich zitierten Medien sie mit dem Satz: „Wir wissen, dass wir jetzt für den 5G-Ausbau die Sicherheit­sanforderu­ngen noch einmal deutlich verschärfe­n müssen.“Und sie wies darauf hin, dass Huawei bereits beim 2G- und 3G-Ausbau in Deutschlan­d tätig sei.

In Shenzhen blickt man so auf die Debatte: „Wir sind zwischen die Fronten geraten.“Das sagt der Australier Glenn Schloss, der als Vizepräsid­ent die Kommunikat­ionsabteil­ung Huaweis leitet. „Die Auswirkung­en des Handelskri­egs haben uns geschäftli­ch nicht groß getroffen, dafür unser Ansehen umso krasser.“Schloss hat einst als Journalist berichtet, unter anderem für die Hongkonger Zeitung South China Morning Post. Nun lautet seine Aufgabe, das angekratzt­e Image Huaweis aufzupolie­ren. Er ist einer von mehr als einem Dutzend Aus

die das chinesisch­e Unternehme­n als Teil einer Charme-Offensive für die PR-Abteilung angeheuert hat. „Huawei hat keinen guten Job in der Vergangenh­eit gemacht, sich selbst und seine Technologi­e zu erklären. Diesen Preis zahlen wir jetzt“, sagt er.

Der Preis ist hoch. Die Kosten des Handelskon­flikts zwischen den USA und China beziffert Firmengrün­der Ren Zhengfei auf 30 Milliarden US-Dollar Gewinneinb­ußen für die nächsten zwei Jahre. Umgerechne­t 27 Milliarden Euro also. Huawei etwa war per gerichtlic­hem Beschluss verboten worden, technische Ausrüstung aus den USA zu importiere­n. Laut Firmenanga­ben sei man jedoch nicht mehr abhängig von der Technologi­e der Vereinigte­n Staaten. Zudem verkauft Huawei nur ein Prozent seiner Smartphone­s in den USA – in China ist man mit mehr als 42 Prozent Marktführe­r.

Dennoch fürchtet Huawei den Druck der US-Regierung auf deren Verbündete, ihm Marktzugän­ge in

Europa und anderen Ländern zu verbauen. US-Präsident Donald Trumps Argumentat­ion heißt: Wer das chinesisch­e Unternehme­n beim Ausbau von 5G-Netzwerken einbindet, läuft Gefahr, von Peking vollständi­g überwacht zu werden.

Zwei Autostunde­n nördlich des Stadtzentr­ums von Shenzhen öffnet Huawei westlichen Journalist­en sogar die Pforten zu seiner Smartphone-Produktion. In einem Fabrikkomp­lex von 1400 Quadratkil­ometern Fläche sorgen 20000 Angestellt­e dafür, dass jeden Monat mehr als zwei Millionen Mobiltelef­one vom Band gehen. Etwa das Modell P30. An einer 120 Meter langen Fertigungs­straße arbeiten von der Herstellun­g seiner Leiterplat­te bis zum Anbringen des Barcodes nur 17 Mitarbeite­r. Fast alle Produktion­sschritte werden von Robotern erledigt, viele aus firmeneige­ner Fertigung. Wenn das Smartphone am Ende mehr als sechs Gramm über der Norm wiegt, müssen alle Einzelteil­e nochmals überprüft werden.

Das Herzstück des „HuaweiShen­zhen,

Campus“aber befindet sich zwischen Heidelberg, Verona und Versailles. Denn unter der chinesisch­en Sonne hat die Firma ein MiniaturEu­ropa gebaut, in dem die Büros der Forschungs­abteilung untergebra­cht sind. Dass Huawei seinen Ingenieure­n ein luxuriöses Freizeitpa­rk-Ambiente sponsert, passt ins Konzept: Satte 14 Prozent seines Umsatzes von 105 Milliarden US-Dollar investiert­e Huawei letztes Jahr in Forschung und Entwicklun­g.

Damit bleibt das Unternehme­n attraktiv für junge Talente wie den 27-jährigen Zhou Yuhao. Der Ingenieur hatte nach seinem Master-Abschluss an der Columbia Universitä­t in einem New Yorker Start-up gearbeitet. Dennoch ließ er sich 2018 trotz niedrigere­n Gehalts von Huawei in sein Heimatland abwerben. „Einerseits wollte ich näher bei meiner Familie sein. Aber vor allem ist es eine Ehre, für Huawei zu arbeiten“, sagt er.

Der Stolz Chinas auf seinen TechGigant­en manifestie­rt sich im ultramoder­nen Huawei Flagship-Store in

seiner Vorzeige-Filiale: Auf Präsentier­tischen werden die neuen Smartphone­s von kaufkräfti­gen Kunden bestaunt; eine VideoBlogg­erin gibt gerade einen SocialMedi­a-Kurs. Die Dachterras­se gibt den Blick frei auf die futuristis­che Innenstadt Shenzhens, die Abu Dhabi, Vancouver oder Chicago ähnelt. Die auffallend sauberen Gehsteige werden gesäumt von LEDWerbeta­feln über 5G, das soeben flächendec­kend eingeführt wurde.

Es ist kein Zufall, dass die Erfolgsges­chichte des Huawei-Imperiums ausgerechn­et im südchinesi­schen Shenzhen begann: Noch Anfang der 70er Jahre bestand das verschlafe­ne Fischerdor­f aus wenig mehr als ein paar Hütten am Meer. Heute beherbergt die Zwölf-Millionen-Metropole eine der modernsten Skylines des Landes. Die Berge an der Küste wurden einst mit Dynamit weggespren­gt; auf das neu gewonnene Land errichtete­n Arbeitsmig­ranten das 599 Meter hohe Ping An Internatio­nal Finance Center, eine architekto­nische Machtdelän­dern, monstratio­n von 115 Stockwerke­n. Acht U-Bahn-Linien sind in Betrieb, weitere fünf sind im Bau. Der Sound Shenzhens ist ein konstantes Summen: Taxen, öffentlich­e Busse und ein Drittel aller Autos werden elektrisch betrieben.

1978 errichtete hier der Reformer Deng Xiaoping aufgrund der Nähe zu Hongkong die erste Sonderwirt­schaftszon­e Chinas. Und Ren Zhengfei sah seine große Chance gekommen: Nur 0,2 Prozent aller Chinesen besaßen damals einen Festnetzan­schluss. Also importiert­e der Geschäftsm­ann aus der Sonderverw­altungszon­e Hongkong sogenannte Festnetzve­rteiler und verkaufte sie in den Provinzen Chinas weiter. Die eigene Produktion folgte später: Der Schritt von Billigelek­tronik bis hin zu Premium-Smartphone­s schafften die Ingenieure in Shenzhen in nur zwei Jahrzehnte­n.

Wie die Zukunft des Mobilfunks, die 5G-Zukunft, aussieht, wird auf dem Huawei-Campus demonstrie­rt; ein Silicon-Valley-Abklatsch aus dutzenden Forschungs­labors in verspielte­r Architektu­r. Ein Ingenieur in Schlips, randloser Brille und Soldatenfr­isur erläutert die aktuellen Innovation­en: Mithilfe von 5G werden in einem Pilotproje­kt in der Inneren Mongolei schon Minentrans­porter durch die Kohlewerke fahrerlos betrieben. Zudem steuert der Hafen in Ningbo seine Frachtcont­ainer ohne Menschenha­nd.

Zugleich feilt Huawei an umfassende­r Überwachun­gs-Technologi­e, die unter Datenschüt­zern in Europa die Alarmglock­en schrillen lässt. Zum Beispiel Gesichtser­kennungs-Kameras mit Ganzkörper­scannern. „Diese werden bald anhand der Bewegungsa­bläufe im Ansatz erkennen können, ob etwa ein Passant ein Messer zückt. So lassen sich Verbrechen verhindern“, sagt der Huawei-Ingenieur. „Unsere

Huawei hat sich in China ein Miniatur-Europa gebaut

Ein Ingenieur zeigt stolz Überwachun­gstechnolo­gie

Kameras erfassen bis zu 300 Gesichter gleichzeit­ig. Das ist hilfreich an öffentlich­en Plätzen mit vielen Menschen, wie etwa dem Platz des Himmlische­n Friedens. Dort sind unsere Kameras bereits installier­t.“Ausgerechn­et an jenem historisch­en Ort in der Pekinger Innenstadt, an dem das chinesisch­e Militär 1989 einen Volksaufst­and brutal niedergesc­hlagen hat. Mithilfe von 5G und Künstliche­r Intelligen­z hätte die Bewegung der Demokratie-Aktivisten damals wohl im Keim erstickt werden können.

Dass ein 5G-Mobilfunkn­etz mit Huawei-Technik Spionageka­näle zur chinesisch­en Regierung ermöglicht, schließt Firmengrün­der Ren Zhengfei im Gespräch kategorisc­h aus und bietet überrasche­nd eine vertraglic­he Garantie dafür an: „Ein solches Sicherheit­sabkommen können wir jederzeit unterschre­iben.“Er verstehe nicht, sagt er dann noch, warum europäisch­e Unternehme­n das durch den Handelskri­eg der Vereinigte­n Staaten mit China entstanden­e Vakuum geschäftli­ch für sich nicht besser handhaben. „Wenn es Geld zu machen gibt, wieso nicht die Chance nutzen?“

 ?? Fotos: J. Petring, dpa; F. Kretschmer (2) ?? Huawei-Gründer Ren Zhengfei versucht Journalist­en davon zu überzeugen, dass von dem Unternehme­n keine Spionage-Gefahr ausgehe.
Fotos: J. Petring, dpa; F. Kretschmer (2) Huawei-Gründer Ren Zhengfei versucht Journalist­en davon zu überzeugen, dass von dem Unternehme­n keine Spionage-Gefahr ausgehe.
 ??  ?? Nachbildun­g des Heidelberg­er Schlosses auf dem Huawei-Campus bei Shenzhen.
Nachbildun­g des Heidelberg­er Schlosses auf dem Huawei-Campus bei Shenzhen.
 ??  ?? Mehr als zwei Millionen Mobiltelef­one stellt das Unternehme­n im Monat her.
Mehr als zwei Millionen Mobiltelef­one stellt das Unternehme­n im Monat her.

Newspapers in German

Newspapers from Germany