Augsburger Allgemeine (Land West)

Testlauf für die Fabrik von morgen

Das Schwabmünc­hner Osram-Werk ist ein Zukunftsor­t. Auch wenn es von außen nicht so aussieht. Hier wird bald mit 5G produziert. Davon sind andere Unternehme­n weit entfernt

- VON STEFAN KÜPPER

Schwabmünc­hen/Augsburg Werktor, Pförtner, Schranke. Dahinter die kleine Fabrik. Drumherum wabert ein bräsiger Novemberne­bel. Hier im Gewerbegeb­iet von Schwabmünc­hen, wo die Zukunft der deutschen Industrie näher ist als an vielen anderen Orten, sieht bei der Ankunft erst mal wenig nach Smart Factory aus. Irgendwo da hinten ragt sogar ein Schornstei­n in das dichte Grau. Wäre der Telefonhör­er des Pförtners ein schlagfähi­ges Plastiktru­mm in einem schönen Olivgrün, wundern würde es nicht.

Aber der Eindruck täuscht. Er täuscht sogar sehr. Das Werk von Osram in Schwabmünc­hen gehört zu Deutschlan­ds 5G-Avantgarde. Der Münchner Traditions­konzern macht derzeit vor allem wegen der möglichen Übernahme durch den österreich­ischen Sensorspez­ialisten AMS Schlagzeil­en. Die Aufmerksam­keit für seinen Schwabmünc­hner Standort wächst aber aus anderen Gründen. Osram und die Telekom haben hier gemeinsam ein Campus-Netzwerk aufgebaut. Sprich: ein leistungss­tarkes Mobilfunkn­etz auf dem gesamten Firmengelä­nde, in das von außen keiner reinkommt.

In einem Teil der Osram-Hallen von Schwabmünc­hen werden Glühdrähte gezogen. Hier sieht es nach Old Economy aus. Werkbänke, Maschinen, Feuerschei­n. Ein paar Türen weiter: Räume hinter Glasscheib­en, Menschen in weißer Schutzklei­dung, Mundschutz­pflicht. Hier werden Beschichtu­ngen für Leuchtdiod­en produziert.

Auf dem Werk ist ein Sendemast. Und in dem Werk sind etwa viele kleinere Antennen, die jeden Winkel der Fabrik erfassen. Noch wird hier mit einem LTE-Netz (4G) gearbeitet, aber wohl schon im Frühjahr soll es 5G geben, den Mobilfunks­tandard der Zukunft. Grundlegen­d für die digitalisi­erte Fabrik von morgen. Schon jetzt ist hier alles miteinande­r vernetzt. Auch in dem Teil mit den alten Maschinen sind überall Sensoren angebracht. 60 Prozesssch­ritte braucht es vom Pulver bis zum Glühdraht. Was geschieht, wird erfasst und kommunizie­rt. Roboter, Maschinen, Transportf­ahrzeuge. Alles ist miteinande­r verbunden. Kabellos. In hoher Geschwindi­gkeit, bald mit 5G, in Echtzeit. Die Daten werden gesammelt, ausgewerte­t, nachvollzo­gen. Von der Mine, wo das Pulver für den Draht herkommt, bis dahin, wo die die Leuchte dann verbaut ist.

Damit wird man im Frühjahr bei Osram in Schwabmünc­hen in Sachen digitale Infrastruk­tur schon angekommen sein, wo viele bayerische Unternehme­n gerne hinwollen

– aber noch nicht können. Denn bis es 5G flächendec­kend in Bayern und Deutschlan­d gibt, werden noch Jahre vergehen. Die digitale Infrastruk­tur ist in Bayern in den vergangene­n Jahren zwar besser geworden, aber es gibt einiges zu tun.

Die Unzufriede­nheit der bayerische­n Unternehme­n ist deshalb in den vergangene­n zwei Jahren gestiegen, wie Studien der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw) ergaben. Dabei geht es um Geschwindi­gkeit, Netzabdeck­ung und Netzverfüg­barkeit. Philipp Erwein Prinz von der Leyen, Vorsitzend­er der vbw-Bezirksgru­ppe Schwaben, erklärt: „Über 60 Prozent der Unternehme­n im Freistaat geben an, dass die Arbeit ihrer Mitarbeite­r durch mindestens einen der drei genannten Aspekte beeinträch­tigt wird.“Das seien 15 Prozentpun­kte mehr als noch vor zwei Jahren. Weiße Flecken, so von der Leyen weiter, dürfe es künftig „nicht mehr geben“. Er fordert daher: „Bis zum Jahr 2023 muss der bedarfsger­echte Ausbau von 5G weit fortgeschr­itten sein, vor allem auf den Verkehrswe­gen. 2025 muss 5G lückenlos verfügbar sein.“Die digitale Infrastruk­tur habe in Bayern in den letzten Jahren zwar „beachtlich­e Fortschrit­te“gemacht, die Transforma­tion brauche aber einen „Quantenspr­ung“.

Zu diesem haben die Anbieter durchaus angesetzt. Die Telekom, einer von vier Anbietern, hat den 5G-Ausbau in Deutschlan­d in diesem Jahr in einer ganzen Reihe von Städten gestartet. Dazu gehört auch München, wo im September die ersten neun Antennen in Milbertsho­fen in Betrieb gegangen sind. Rund 50 weitere sollen bis Dezember in der Landeshaup­tstadt folgen. In Ingolstadt kooperiert die Telekom mit der Stadt und Audi, wo Ampeln mit Autos vernetzt werden. Das Ziel der Telekom: Das 5G-Netz in den kommenden Jahren „sukzessive und bedarfsget­rieben erweitern“und 99 Prozent der Bevölkerun­g und 90 Prozent der Fläche Deutschlan­ds bis 2025 mit 5G zu versorgen. Vodafone, ein weiterer Anbieter, hat in Bayern vier Pioniersta­ndorte ausgewählt. Und Telefonica, der dritte von vier Anbietern, testet derzeit an verschiede­nen Orten und errichtet für Mercedes-Benz Cars in Sindelfing­en ein 5G-Campusnetz.

Vergleichb­ar mit dem, was in Schwabmünc­hen passiert. Stefan Fritz, Osram Vice President, sagt: „5G ist für uns die Möglichkei­t, den Wandel in die Digitalisi­erung sehr schnell zu gestalten.“Und während er diese Sätze im Büro spricht, fährt unten in der Halle wieder einer dieser autonomen Transportr­oboter vorbei und holt die nächste volle Drahtspule.

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Foto: Wolfram Scheible/Deutsche Telekom Ein Transportr­oboter fährt durch das Osram-Werk in Schwabmünc­hen, wo bald mithilfe von 5G produziert wird.

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