Augsburger Allgemeine (Land West)

Krise! Oder doch nicht?

Warum die Konjunktur­prognosen so verschiede­n sind

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Die Anzahl der Firmen, die Kurzarbeit beantragen, steigt. Der bayerische Wirtschaft­sminister Aiwanger macht sich Sorgen um die Konjunktur im Freistaat. Der Abschwung kommt in Schwaben an – alles Beispiele für veröffentl­ichte Meldungen aus den vergangene­n Wochen. Das Credo lautet meist: Die Konjunktur kühlt sich ab, der deutschen Wirtschaft geht es schlechter. Doch nun sind plötzlich andere Töne zu hören. Deutschlan­ds Exporteure verkauften allein im Monat September Waren im Wert von 114,2 Milliarden Euro ins Ausland. Das waren 4,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistisc­he Bundesamt am Freitag mitteilte. Auch die Wirtschaft­sweisen sagten jüngst ein Wachstum von 0,5 Prozent für dieses und 0,9 Prozent für das kommende Jahr voraus. Das ist nicht besonders viel. Aber die Experten sagen auch: Eine schwere Krise wird es wohl nicht geben. Und das monatliche Konjunktur­barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) ist im Oktober im Vergleich zum September sogar leicht gestiegen. Ist die Krise also vorbei, bevor sie auf dem Arbeitsmar­kt angekommen ist?

Ganz so einfach ist das nicht, erklärt Professor Timo Wollmershä­user. Er ist beim Ifo-Institut in München für die Konjunktur­prognosen zuständig. Und er erklärt, dass es in Deutschlan­d momentan zwei wichtige Bereiche gebe, die in unterschie­dliche Richtungen weisen. Zum einen ist das die Industriek­onjunktur, also die wirtschaft­liche Lage in der Auto- und Chemieindu­strie und im Maschinenb­au. Sie macht etwa ein Viertel des deutschen Bruttoinla­ndsprodukt­s aus – und hat zuletzt ziemlich geschwäche­lt. „Wir konnten in der Industrie auch einen Beschäftig­ungsrückga­ng feststelle­n“, sagt Wollmershä­user. Zwar nicht im großen Stil, aber Stellen, die frei wurden, wurden nicht neu besetzt. Grund für die Schwäche war die Exportorie­ntierung der deutschen Industrie. Doch gerade der Außenhande­l war mit vielen Unsicherhe­iten belegt: Kommt ein harter Brexit? Streiten sich Trump und China weiter? Bestraft Trump auch europäisch­e Autobauer mit Zöllen? All dies machte das Planen für Industrie-Unternehme­n schwer.

Die große Frage war nun, ob die Industrie-Schwäche auf die anderen Bereiche überspring­t – die anderen drei Viertel der Wirtschaft­sleistung. Und dort kam bislang wenig vom Abschwung an. Handel, Baugewerbe und Handwerk sind gewachsen. „In diesen Branchen werden weiter Fachkräfte gesucht“, sagt Wollmershä­user. Das hätte anders ausgesehen, wäre es in der Industrie zu Massenentl­assungen gekommen. Die Kaufkraft wäre gesunken, die Menschen hätten weniger konsumiert. Die noch gute wirtschaft­liche Lage im Handel, der Gastronomi­e, dem Handwerk und in der Baubranche wäre ebenfalls eingebroch­en. Doch von diesem schlimmste­n Fall war bislang keine Konjunktur­prognose ausgegange­n. Und das scheint sich nun zu bestätigen.

Dazu kommt: Auch die Chefs in der Industrie sind wieder optimistis­cher. Also werden auch die Konjunktur­prognosen wieder besser.

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Foto: dpa Geht es nun auf- oder abwärts?

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