Augsburger Allgemeine (Land West)
Krise! Oder doch nicht?
Warum die Konjunkturprognosen so verschieden sind
Augsburg Die Anzahl der Firmen, die Kurzarbeit beantragen, steigt. Der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger macht sich Sorgen um die Konjunktur im Freistaat. Der Abschwung kommt in Schwaben an – alles Beispiele für veröffentlichte Meldungen aus den vergangenen Wochen. Das Credo lautet meist: Die Konjunktur kühlt sich ab, der deutschen Wirtschaft geht es schlechter. Doch nun sind plötzlich andere Töne zu hören. Deutschlands Exporteure verkauften allein im Monat September Waren im Wert von 114,2 Milliarden Euro ins Ausland. Das waren 4,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Auch die Wirtschaftsweisen sagten jüngst ein Wachstum von 0,5 Prozent für dieses und 0,9 Prozent für das kommende Jahr voraus. Das ist nicht besonders viel. Aber die Experten sagen auch: Eine schwere Krise wird es wohl nicht geben. Und das monatliche Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist im Oktober im Vergleich zum September sogar leicht gestiegen. Ist die Krise also vorbei, bevor sie auf dem Arbeitsmarkt angekommen ist?
Ganz so einfach ist das nicht, erklärt Professor Timo Wollmershäuser. Er ist beim Ifo-Institut in München für die Konjunkturprognosen zuständig. Und er erklärt, dass es in Deutschland momentan zwei wichtige Bereiche gebe, die in unterschiedliche Richtungen weisen. Zum einen ist das die Industriekonjunktur, also die wirtschaftliche Lage in der Auto- und Chemieindustrie und im Maschinenbau. Sie macht etwa ein Viertel des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus – und hat zuletzt ziemlich geschwächelt. „Wir konnten in der Industrie auch einen Beschäftigungsrückgang feststellen“, sagt Wollmershäuser. Zwar nicht im großen Stil, aber Stellen, die frei wurden, wurden nicht neu besetzt. Grund für die Schwäche war die Exportorientierung der deutschen Industrie. Doch gerade der Außenhandel war mit vielen Unsicherheiten belegt: Kommt ein harter Brexit? Streiten sich Trump und China weiter? Bestraft Trump auch europäische Autobauer mit Zöllen? All dies machte das Planen für Industrie-Unternehmen schwer.
Die große Frage war nun, ob die Industrie-Schwäche auf die anderen Bereiche überspringt – die anderen drei Viertel der Wirtschaftsleistung. Und dort kam bislang wenig vom Abschwung an. Handel, Baugewerbe und Handwerk sind gewachsen. „In diesen Branchen werden weiter Fachkräfte gesucht“, sagt Wollmershäuser. Das hätte anders ausgesehen, wäre es in der Industrie zu Massenentlassungen gekommen. Die Kaufkraft wäre gesunken, die Menschen hätten weniger konsumiert. Die noch gute wirtschaftliche Lage im Handel, der Gastronomie, dem Handwerk und in der Baubranche wäre ebenfalls eingebrochen. Doch von diesem schlimmsten Fall war bislang keine Konjunkturprognose ausgegangen. Und das scheint sich nun zu bestätigen.
Dazu kommt: Auch die Chefs in der Industrie sind wieder optimistischer. Also werden auch die Konjunkturprognosen wieder besser.