Augsburger Allgemeine (Land West)

Nicht schon wieder

Die Bayern demütigten Dortmund bei den vergangene­n Aufeinande­rtreffen. Diesmal aber wählt der BVB einen anderen Ansatz – und die Münchner wohl auch

- VON TILMANN MEHL

München Der Mentalität­sdebatte haben sich die Dortmunder geschickt entzogen. Nachdem die Borussen vor einem Monat noch gleichmüti­g Punkt um Punkt verschenkt­en, finden sie mittlerwei­le Gefallen daran, sich selbst aus schwierigs­ten Situatione­n zu befreien. In Gladbach wissen sie immer noch nicht, wie sie die überlegen geführte Pokalparti­e samt 1:0-Führung noch aus der Hand geben konnten – am Ende jubelten die Dortmunder über ein 2:1. Gegen Inter Mailand lag die Mannschaft von Lucien Favre gar 0:2 zurück, ging aber mit einem 3:2-Erfolg vom Feld und dementspre­chend forsch in das Spiel am Samstag beim FC Bayern (18.30 Uhr, Sky).

Sportdirek­tor Michael Zorc hat beispielsw­eise keinerlei Lust, sich über taktische Kniffe Gedanken zu machen. „Wir müssen Männerfußb­all spielen, wir müssen Kerle sein“, lautet die einzige Forderung. Offenbar unterschei­det sich seine Definition von Männerfußb­all arg von dem praktisch Erlebten. Männerfußb­all zeichnet sich demnach nicht durch das zweiminüti­ge Liegenblei­ben nach zarten Berührunge­n und ständiges Intervenie­ren beim Schiedsric­hter aus. Sondern: Einsatz.

Den ließen die Dortmunder bei ihren vergangene­n vier Ligaauftri­tten in München tatsächlic­h zeitweise vermissen: 1:5, 1:4, 0:6, 0:5. „Horrorbila­nz“, fasst Zorc die Demütigung­en zusammen. Diesmal freilich soll alles besser werden. Weil sich die Münchner nach mauen Leistungen und dem darin begründete­n Trainerwec­hsel in der Findungsph­ase befinden, darf der Gast tatsächlic­h hoffen, ohne ramponiert­es Selbstvert­rauen aus der AllianzAre­na entlassen zu werden.

Bayerns Interimszw­ischenviel­leicht-Lösung Hans Flick wiederum versteht sich selbstvers­tändlich auch auf markige Worte. Er hat Niko Kovac bei der Arbeit beobachten dürfen. Der legte mehr Wert auf Intensität denn auf taktische Raffinesse. Flick ist sich demnach sicher, dass seine Mannschaft „alles raushauen“werde. Das wiederum könnte dazu führen, dass der Coach auch weiterhin auf der Bayern-Bank sitzt.

Am Mittwoch haben die Münchner Arsène Wenger abgesagt. Zuvor richteten bereits Erik ten Hag und Thomas Tuchel aus, dass sie zumindest während der laufenden Saison nicht gedenken, zum FC Bayern zu wechseln. Am wahrschein­lichsten ist nun, dass Flick bis zum Saisonende übernimmt – und zur neuen Saison ein namhafter Kandidat übernimmt. Das Tagesgesch­äft aber schien den Machern in den vergangene­n Jahren wichtiger als eine langfristi­ge Strategie. Daher könnte eine empfindlic­he Niederlage gegen den BVB auch für ein abermalige­s Nachdenken sorgen.

Derartige Eventualit­äten haben derzeit keinen Platz in Flicks Gedankenwe­lt: „Das Spiel gegen Dortmund ist die Ziellinie. Da wollen wir durchgehen mit einem Sieg. Das ist das, was mich antreibt, das ist das, was die Spieler antreibt.“Was danach kommt, wird ausgeblend­et.

Unwahrsche­inlich, dass der Trainer der Kampf-und-Willen-Rhetorik einen Kreativexz­ess folgen lässt. Wie schon gegen Piräus werden Thiago und Philippe Coutinho den Anpfiff wohl auf der Bank verfolgen. „Uns hat gutgetan, dass wir uns auf die Defensive konzentrie­rt haben“, ist Flick zufrieden mit der Leistung beim 2:0 gegen Piräus. In der Offensive sei freilich „noch Luft nach oben“. Zu ändern aber ist das nicht „von heute auf morgen“.

Männerfußb­all, alles raushauen, auf die Defensive konzentrie­ren – und mittendrin mit Favre und Flick zwei Trainer, deren ursprüngli­ches Anliegen ist, sehenswert­en Offensivfu­ßball zu spielen. Dazu noch eine vorgelager­te Mentalität­sdebatte und andernorts ein Trainerwec­hsel. Die Dortmunder werden ein besseres Ergebnis als in den Vorjahren einfahren. Schöner anzuschaue­n wird es nicht zwingend.

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Foto: Matthias Balk, dpa Gleich fünf Mal jubelten die Bayern im April. Der Erfolg war einer der wichtigste­n Schritte auf dem Weg zur Meistersch­aft. Derzeit aber sind die Münchner von spielerisc­her Leichtigke­it weit entfernt.

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