Augsburger Allgemeine (Land West)

„Die Kritik ist mir zu eindimensi­onal“

Daniel Baier verteidigt Trainer Martin Schmidt, auch wenn er nicht immer seiner Meinung ist. Der FCA-Kapitän erklärt, warum das Spiel in Paderborn kein Selbstläuf­er wird, er aber trotzdem optimistis­ch ist

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Ich frage jetzt provokant, ärgerten Sie sich nach der Niederlage gegen Schalke mehr über Trainer Martin Schmidt, dass er Reece Oxford eingewechs­elt hat, oder über Oxfords Fehlpass, der das 2:3 einleitete?

Baier: Wir sind eine Mannschaft. Wir gewinnen und verlieren zusammen. Ich bekomme natürlich auch mit, dass jetzt der Trainer kritisiert wird, weil er Reece eingewechs­elt oder das System umgestellt hat, aber die genauen Gründe für die Einwechslu­ngen wissen die Außenstehe­nden doch gar nicht.

Was waren denn die Gründe?

Baier: Erstens war es vor allem ein verletzung­sbedingter Wechsel. Marco Richter war angeschlag­en und auch ich habe in der Halbzeit schon gesagt, ich halte nicht mehr so lange durch. Von daher war das natürlich beim Trainer im Hinterkopf. Reece hat vorher gute Spiele gemacht und dann unterläuft ihm dieser unglücklic­he

Daniel Baier über den Nerv an der Achillesse­hne, der immer wieder schmerzt

Fehler. Da kann der Trainer nichts dafür. Diese Situation kann Reece sicher besser lösen, das haben wir auch thematisie­rt, aber Fehler kommen immer wieder vor. Wir müssen uns hauptsächl­ich darüber ärgern, dass wir die Standards nicht besser verteidigt, dass wir in der ersten Hälfte die Tore nicht gemacht und in der zweiten die letzten Pässe nicht mehr an den Mann gebracht haben. Darüber ärgere ich mich, weil das in unserer Macht lag.

Wie bewerten Sie es, dass der Trainer wie nach dem Gladbach-Spiel wieder heftig in der Kritik steht?

Baier: Man braucht doch nur die Tabelle in der Bundesliga unten durchzugeh­en. Bei jeder Mannschaft, die dort steht, wird der Trainer kritisiert. In Paderborn ist das ein wenig anders, weil Steffen Baumgart mit ihnen aufgestieg­en ist und einen großen Bonus genießt. Aber bei allen anderen Mannschaft­en wird in den Medien über den Trainer diskutiert. Das kommt aber vonseiten der Medien. Hier in Augsburg habe ich noch nie von einem Verantwort­lichen oder einem Spieler gehört: Der Trainer macht einen Scheißjob. Das wird von außen herangetra­gen. Das ist heutzutage leider das Geschäft, obwohl die Problemati­k doch viel komplexer ist.

Wie meinen Sie das?

Baier: Die Kritik ist mir zu eindimensi­onal. Der Trainer hat eine Riesenvera­ntwortung. Er ist für mich der wichtigste Mann im Team. Aber es steckt ja mehr dahinter. Wir haben eine neue Mannschaft, unser individuel­les Leistungsn­iveau noch nicht konstant abgerufen und machen noch zu viele individuel­le Fehler innerhalb der Spiele. Wir treffen vorne das Tor nicht, obwohl wir uns gute Chancen herausspie­len. Dafür kann der Trainer nichts, aber er wird immer herausgepi­ckt.

Aber es war zu lesen, dass Martin Schmidt auch innerhalb der Mannschaft umstritten ist, dass bei seinen Analysen des Öfteren Spieler das Gesicht verzogen haben.

Baier: Wie so etwas zustande kommt, kann ich mir nicht erklären.

Geschichte­n sind nicht seriös. Ich habe noch keinen Spieler gesehen, der bei einer Ansprache des Trainers die Augen verdreht hat. Dass man als Spieler nicht mit allem d’accord geht mit dem, was der Trainer entscheide­t, ist doch normal. Das war ich bei Jos Luhukay nicht, bei Markus Weinzierl nicht und auch bei Manuel Baum nicht.

Aber so eine Geschichte zu machen, aus der nicht hervorgeht, wer was behauptet, finde ich nicht okay.

Was den FCA bisher immer ausgezeich­net hat, war eine klare Hierarchie in der Mannschaft. Die fehlt in dieser Saison. Mit Ihnen, Alfred Finnbogaso­n und Jeffrey Gouweleeuw saßen zum Beispiel schon alle drei Spielführe­r auf der Ersatzbank. Baier: Wir haben viele ältere erfahrene Spieler in den letzten Jahren verloren. Da müssen andere Spieler in die Verantwort­ung wachsen. Es dauert, bis sich da neue Hierarchie­n bilden. Bei uns drei ist einfach Fakt, dass wir alle verletzt waren. Jeff war ein halbes Jahr draußen, Alfred hatte lange Probleme und ich war auch die letzten vier, fünf Wochen mit einer Verletzung außer Gefecht. Als Außenstehe­nder kann man vielleicht sagen, dass die Hierarchie auf dem Platz nicht immer zu erkennen war, aber wir kommen ja zurück.

Wie geht es Ihnen gesundheit­lich? Baier: Ich war nicht vier oder fünf Wochen komplett weg, nur weil ich fünf Spiele in Folge nicht gespielt habe. Ich habe ja immer, wenn auch dosiert, trainiert. Es ist ein Nerv an der Achillesse­hne, der immer wieder ausstrahlt und den man schlecht kontrollie­ren kann. Ich kann schmerzfre­i trainieren und dann kommt es plötzlich wieder. Ich hoffe, dass er nun Ruhe gibt.

Sie sind der einzige Spieler, der in der Saison 14/15 beim letzten Auswärtssp­iel in Paderborn mit dabei war. Baier: Daran kann ich mich gut erinnern. Das war im April. Paderborn stand unten und wir in der oberen Tabellenhä­lfte. Wir gerieten 0:1 in Rückstand, dann macht PierreEmil­e Højbjerg ein super Tor. Letztlich verlieren wir aber 1:2. Am Ende der Saison haben wir uns dennoch für die Europa League qualifizie­rt.

Ein gutes Omen?

Baier: Solche Spielereie­n brauche ich nicht. Wir fahren nach Paderborn, um ein Bundesliga-Spiel zu gewinnen. Wir wissen, dass es sehr schwer wird. Es wird ein hitziges Spiel, Paderborn macht es gut und sie haben einen Trainer, der sehr engagiert ist. Das gefällt mir. Es wird ein ganz anderes Spiel als gegen Wolfsburg, Bayern oder Schalke. Das muss jedem bewusst sein. Wir müssen Entschloss­enheit in den Zweikämpfe­n und vor dem Tor zeigen, die Effizienz wird wichtig sein.

Paderborn ist der Auftakt zu einer Serie von Spielen gegen Gegner, gegen die jetzt gepunktet werden muss. Nach Paderborn spielen Sie gegen Hertha, Köln und Mainz.

Baier: Jetzt kommen für mich die wirklich schweren Gegner. Denn nun kommt auch der Kopf hinzu, der Druck von außen. Das sind die Spiele, in denen die Erwartungs­haltung so ist, dass sie gewonnen werden müssen. Aber in der Bundesliga gewinnst du nicht einfach so ein Spiel. Wir können gegen jede MannDiese schaft gewinnen, auch gegen Bayern oder Schalke. Wir können aber auch gegen jeden verlieren. Es kommt auf Kleinigkei­ten an.

„Ich hoffe, dass er nun Ruhe gibt.“

Aber es wird erwartet, dass man gegen Paderborn, Köln oder Mainz gewinnt. Baier: Das ist auch nicht schlimm. Wenn du in der neunten Saison in der Bundesliga spielst, hast du nicht mehr den Bonus wie Paderborn oder Union Berlin. Dort ist auch die Euphorie der Fans nach dem Aufstieg noch da. Das war bei uns am Anfang doch genauso. Von uns hat keiner etwas erwartet, wir waren in jedem Spiel der Underdog. Das ist natürlich nach neun Jahren nicht mehr so. Dieser Situation sind wir uns bewusst. Wir müssen aber trotzdem dankbar sein, dass wir jedes Wochenende Bundesliga spielen dürfen. Uns ist klar, dass es kein Spiel gibt, zu dem wir einfach hinfahren und gewinnen. Diese Qualität haben wir nicht. Selbst Bayern kommt nicht einfach zu uns und gewinnt mal schnell. Wenn sie nicht vollkommen konzentrie­rt sind, geht es eben 2:2 aus. Daran sieht man, wie eng es Woche für Woche in der Bundesliga zugeht.

Durch die Verpflicht­ung von Martin Schmidt wurden die Erwartunge­n geweckt, dass der FCA einen attraktive­n, emotionale­n und vor allem mutigen Fußball spielen wird. Das gelingt aber nur phasenweis­e.

Baier: Wir haben im April losgelegt wie die Feuerwehr, das hat sicherlich die Erwartunge­n geschürt, aber dann war die Luft nach dem vorzeitige­n Klassenerh­alt raus. Dass wir von dem bisherigen Saisonverl­auf enttäuscht sind, da brauchen wir nicht herumreden. Wir haben einfach zu wenig Spiele gewonnen.

Der FCA war noch nie ein Frühstarte­r. Was macht Ihnen Mut, dass Ihrer Mannschaft auch diesmal die Wende gelingt?

Baier: Die Art und Weise, wie wir reagieren. Nach dem GladbachSp­iel standen wir zu Recht in der Kritik, haben dann gegen Bayern, Wolfsburg und auch Schalke eine gute Antwort gegeben. Wir werden weiter Spiele verlieren, aber wir müssen die Einstellun­g haben, dass wir alles geben, um zu gewinnen. Der Zusammenha­lt in der Mannschaft, die Stimmung in der Mannschaft, das Training, aber auch unsere Zuschauer, die auch nach der Niederlage gegen Schalke und nach dem Rückstand gegen die Bayern da waren, das stimmt mich positiv. Wenn wir weiter daran arbeiten, werden wir auch wieder Spiele gewinnen.

Interview Robert Götz

● Daniel Baier spielt seit dem

1. September 2009 mit einer kleinen Unterbrech­ung beim FCA. Der 35-Jährige absolviert­e bisher 256 Bundesliga­spiele für den FCA. Damit ist er mit Abstand der Rekordspie­ler. Er erzielte insgesamt sechs Tore.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Daniel Baier ist der einzige Augsburger Spieler, der im April 2015 in Paderborn auf dem Platz stand. Der FCA verlor 1:2, qualifizie­rte sich aber später für die Europa League.
Foto: Ulrich Wagner Daniel Baier ist der einzige Augsburger Spieler, der im April 2015 in Paderborn auf dem Platz stand. Der FCA verlor 1:2, qualifizie­rte sich aber später für die Europa League.

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