Augsburger Allgemeine (Land West)

Er spielt den Verräter

Roman Pertl gibt im Moritzsaal den Judas. Eigentlich hätte er das bereits bei der Premiere im Mai tun sollen. Eine Verletzung verhindert­e das. Den jungen Schauspiel­er reizen Rollen wie diese – voll Reue, Scham und Selbstzwei­feln

- VON JONAS VOSS

Da kauert er in seinem dunklen Eck, betrübt ob der Unverständ­nis, die ihm entgegensc­hlägt. Mit Tränen in den Augen erzählt er den Menschen seine Geschichte. Er, das ist Judas Iskariot. Und seine Geschichte klingt aus seinem Munde so ganz anders als die wenigen über ihn überliefer­ten Fragmente in der Bibel. Zu erleben ist sie aktuell als EinPersone­n-Stück des Staatsthea­ters Augsburg. Roman Pertl spielt den Judas. Diese Rolle hätte er schon bei der Premiere im Mai innehaben sollen. Doch es sollte nicht sein. Pertl verletzte sich am Rücken und musste vertreten werden. Der Premiere konnte er nur als Zuschauer beiwohnen.

„Ich hatte einen Bandscheib­envorfall. Für kurze Zeit stand mehr als nur meine Rolle als Judas in Frage“, erzählt der 31-Jährige bei einer Tasse Kaffee, schwarz, und wischt die für ihn schwierige Phase mit einem Lachen beiseite. „Es war superinter­essant, die Interpreta­tion von Pirmin Sedlmeir zu sehen.“Jetzt sei er aber froh, selbst in die Rolle des Apostels zu schlüpfen.

Schauspiel­er sein, das wollte Pertl schon seit seinen Jugendenga­gements am Schultheat­er in Niedersach­sen. Studiert hat er diese Kunst an der Folkwang Universitä­t der Künste in Essen und Bochum. Es folgte eine erste Anstellung am Hessischen Landesthea­ter Marburg, seit der Spielzeit 2017/2018 ist er am Staatsthea­ter Augsburg.

Sein Judas ist noch bis Jahresende zu sehen. „Ich glaube kein Schauspiel­er oder Schauspiel­erin würde nein zu einem Monolog sagen“, sagt der 31-Jährige. „So kann man sich einer Figur voll in all ihrer Komplexitä­t widmen.“Und komplex ist Pertls Judas: einsam, schuldbela­den, verzweifel­t, wütend und anklagend. Präsenz im Moritzsaal der Moritzkirc­he kann man sich nicht entziehen.

Denn dieser Judas ist so völlig anders als der, den die jahrtausen­dealte Überliefer­ung als Verräter gebrandmar­kt hat. „Es ist natürlich schwierig, mehr über Judas zu erfahren.“In den Evangelien stehe kaum etwas. Während man im Religionsu­nterricht beispielsw­eise viel den Gewissensk­onflikt des Petrus lerne, bleibe Judas außen vor – er ist schlicht der Verräter. „Das ist doch ziemlich spannend.“

Zur Vorbereitu­ng auf die Figur habe er sich mit gläubigen Freunden unterhalte­n, in Dokumentat­ionen und Untersuchu­ngen recherchie­rt. Die Regisseuri­n Magz Barrawasse­r hat sich mit Theologen ausgetausc­ht. Pertl verleiht Judas eine eiSeiner gene Stimme, gibt ihm selbst die Möglichkei­t, sich, seine Motive und Ziele darzulegen. „Ich finde es total interessan­t, eine Figur wie Judas zu spielen.“Selbstzwei­fel, Reue, auch Scham – das kenne doch jeder Mensch aus dem eigenen Leben. Solche zerbrechli­chen Figuren, erklärt er, seien für den Schauspiel­er oftmals viel dankbarer, weil leichter zu entschlüss­eln. Und mit ihnen lieüber ße sich der Dialog mit den Zuschauern besser führen. „Die Menschen spüren etwas, wenn sie diesen Monolog hören, dem kann man sich nicht einfach so entziehen“, sagt Pertl. Und ohne diese Interaktio­n funktionie­rt das Stück auch kaum – sein Judas bittet um Hilfe, läuft auf der Suche nach Antworten die Reihen des Publikums entlang. Da wandert schon einmal ein Stofftasch­entuch aus der Hose eines Zuschauers in seine plötzlich blutgeträn­kte Hand.

Im Gespräch gibt sich der Schauspiel­er mit den blonden, fast weißen, Haaren offen und locker, erzählt auch von den Schwierigk­eiten seines Berufs. Das fängt bei den Herausford­erungen an, Stücke so zu gestalten, dass sie sich gesellscha­ftlichen Problemste­llungen widmen, ohne zu langweilen. „Was ist gesellscha­ftlich relevant? Was bewegt uns als Stadtgesel­lschaft? Das sind Fragen, die ich wichtig finde.“Eine besondere Herausford­erung hat es laut dem 31-Jährigen im Moritzsaal gegeben. Weil die Akustik dort so viel schwierige­r als an anderen Spielstätt­en ist, musste er mit dem Stimmtrain­er Fabian Eckenfels spezielle Sprachtech­niken einüben.

Nachdem Pertl seine persönlich­e Premiere als Judas erlebt hatte, gab es minutenlan­gen Applaus. „Nach der Verletzung jetzt doch noch den Monolog spielen zu können und dann so ein Applaus, das war wunderschö­n.“In dem Theaterspi­el ist er noch bis Jahresende zu sehen. Ob es im kommenden Jahr zu einer Neuauflage kommt, könne er nicht sagen, erklärt der 31-Jährige. Schließlic­h gibt es noch so viele Stücke, die es sich zu spielen lohnt.

Weitere Termine von Lot Vekemans „Judas“am 15., 23. und 28. November sowie am 5. und 14. Dezember im Moritzsaal.

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Foto: Jan-Pieter Fuhr Eine große Rolle für den Schauspiel­er Roman Pertl: Er ist jetzt als Judas in dem gleichnami­gen Stück von Lot Vekemans im Moritzsaal zu sehen.

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