Augsburger Allgemeine (Land West)

Spuren des Pfählers in Augsburg

Sensations­fund für Dracula-Forscher

- VON STEFANIE SCHOENE

Christof Paulus (Haus der Bayerische­n Geschichte und Historiker der LMU München) ist immer noch elektrisie­rt. Im letzten Jahr entdeckte Paulus im Augsburger Stadtarchi­v, versteckt zwischen zwei Holzdeckel­n das wohl älteste deutsche Schriftzeu­gnis zu Fürst Vlad III. Draculea („Sohn des Drachen“, 1431-1476). Auf Hinweise, dass sich diese Quelle in Augsburg befinden musste, war er bei verschiede­nen Forschunge­n im In- und Ausland gestoßen. Als einer der wichtigste­n Dracula-Experten weltweit gehört Paulus zum Autorentea­m des von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft finanziert­en „Corpus Draculiane­um“– einer Sammlung jener Quellen, die zwischen 1448 und 1650 die Legenden um die später Graf Dracula genannte Romanfigur begründete­n.

Erstmals stellte Paulus jetzt seine Forschung zu dem Sensations­fund im Stadtarchi­v Augsburg vor. Gut 90 Zuhörer folgten seinen Einordnung­en zu diesen 1466 gefertigte­n, zweispalti­g mit schwarzer Tinte eng beschriebe­nen 235 Papierseit­en samt Holzdeckel­n, kaputter Schließe und rotem Lederbezug, die eine Reihe von Pfählungen und andere Gräueltate­n des Fürsten in der Walachei dokumentie­ren. Als Schreiber vermutet der Experte den Augsburger Konrad Bopfinger.

Noch zu Lebzeiten nahm Vlad III jene Formen an, die ihm wie im Roman „Dracula“(Bram Stoker, 1897) Ewigkeitss­tatus verliehen. Von Rumänien über Russland bis zum Bosporus und Österreich war er als der Pfähler bekannt. Sein Fürstentum Walachei wechselte mehrfach die Seiten, kämpfte zunächst für die Osmanen. Ab 1460 jedoch startete Vlad seinen Partisanen­krieg gegen diese, bis Sultan Mehmet II Richtung Walachei aufbrach, um das Fürstentum endgültig zu unterwerfe­n.

Vlad soll 20 000 Soldaten des osmanische­n Heeres gepfählt haben. Berichte über solche Massaker sind auch das Thema der Augsburger Handschrif­t. „Den König von Ungarn kannte in Augsburg sicher niemand mit Namen. Aber über den grausamen Vlad wussten alle Bescheid“, erklärt Paulus. Nachdem im Jahr 1488 in Nürnberg die Geschichte­n des Gruselgraf­en erstmals gedruckt erschienen, begann der reale Fürst ganz hinter der Legendenbi­ldung „Dracula“zu verschwind­en. Paulus ist sich sicher: „Es gibt einen historisch­en Kern in den Geschichte­n. Das meiste jedoch waren Gerüchte, Grusel und Propaganda.“

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