Augsburger Allgemeine (Land West)
Was den Wahlkampf besonders macht
Sechs Jahre lang regierten CSU, SPD und Grüne gemeinsam. Nun müssen sie sich plötzlich voneinander abgrenzen. Themen, die einst als beschlossen galten, werden neu diskutiert. Eine Analyse
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n gut vier Monaten wählen die Augsburger eine neue Stadtregierung. Gefühlt ist die Kommunalwahl im März zwar noch weit weg, für die Parteien jedoch hat der Wahlkampf längst begonnen: Die meisten haben ihre Stadtratslisten aufgestellt und ihre Oberbürgermeisterkandidaten gekürt. Auch wenn die Bürger sich vor Ende der Weihnachtsferien kaum mit der Wahl beschäftigen werden, beharken sich die Parteien bereits jetzt so intensiv, als befänden sie sich im Endspurt. Was man ebenso spürt: Der Ton wird rauer – vor allem zwischen CSU, SPD und Grünen.
Derzeit regieren diese drei Parteien noch gemeinsam. Eben diese Konstellation ist es, die den Wahlkampf 2020 in Augsburg besonders macht: Sechs Jahre lang hielten die Regierungspartner zusammen. Zwar gab es auch Unstimmigkeiten, doch am Ende siegte stets der Wille, die GroKo – Zyniker sprechen
Die Grünen haben eine große Chance verpasst
gar von einer Über-GroKo – zu erhalten. Die Opposition hatte es da schwer: Sie bestand aus zwei, drei Stadträten, die sich zu Wort meldeten, wenn etwas aus ihrer Sicht nicht gut lief. Die meisten anderen nahmen still, ja beinahe verzweifelt, hin, wie Abstimmungen in politischen Gremien im Sinn der Regierungspartner ausgingen.
Nun langsam dreht sich die Stimmung: Grüne und SPD wollen selbst den nächsten Augsburger Oberbürgermeister stellen und suchen so nach Themen, mit denen sie sich vom übermächtigen Koalitionspartner CSU abgrenzen können. Leicht ist das nicht, schließlich haben beide Parteien wichtige Entseine scheidungen mitgetragen und stecken jetzt in einer Zwickmühle.
Im Wahlkampf dürfte dies zum ein oder anderen Richtungswechsel führen. Den Anfang machte vor Kurzem SPD-Oberbürgermeisterkandidat Dirk Wurm: Während seine Partei noch vor drei Jahren für eine Generalsanierung des Theaterstandorts am Kennedyplatz stimmte, stellt Wurm diese zentrale Lösung nun infrage. Er wird gut argumentieren müssen, um diese Abkehr vom einstigen Beschluss zu begründen, ohne die SPD als wankelmütig dastehen zu lassen.
Das Geld wird dabei ein Hauptargument sein. Wurm schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen war die Theatersanierung wegen ihrer hohen Kosten von Anfang an bei vielen Bürgern umstritten. Zum anderen trifft er damit
größte Konkurrentin: CSUOB-Kandidatin Eva Weber hat als Finanzreferentin der aktuellen Stadtregierung die Entscheidung für das Millionenprojekt wesentlich beeinflusst und mitgetragen. Über Geld ist sie am ehesten angreifbar.
Hohe Ausgaben für vermeintliche Prestigeprojekte und steigende Kosten in Millionenhöhe sind Aufreger, mit denen sich im Wahlkampf polarisieren lässt. Deshalb dürften Theater und Hauptbahnhof in den nächsten Monaten eine große Rolle spielen, obwohl die meisten Bürger andere Sorgen als das Theater haben: Ihnen geht es um bezahlbaren Wohnraum, um eine lebenswerte Stadt ohne Verkehrschaos und dicke Luft, um gut ausgestattete Schulen sowie um sichere Arbeitsplätze in einem prosperierenden Wirtschaftsraum.
14 Oberbürgermeisterkandidaten sind bis jetzt ins Rennen gegangen und haben die Chance, all diese Themen aufzugreifen. Mehrere kleinere Parteien und Gruppierungen müssen erst noch genügend Unterstützer finden, um im März 2020 wirklich antreten zu können. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Augsburger Wähler zwischen so vielen Bewerbern wählen können wie lange nicht. Dass es eine Stichwahl geben wird, ist deshalb so gut wie sicher: Obwohl Eva Weber als Favoritin im Rennen um den OB-Sessel gilt, wird es ihr kaum gelingen, bereits im ersten Anlauf die notwendige Mehrheit zu holen.
Wer am Ende die Kandidaten einer Stichwahl sind, bleibt spannend. Wählen die Augsburger nach Partei, hätte Grünen-Kandidatin
Martina Wild eine Chance. Ihre Partei schnitt bei vergangenen Wahlen auch in Augsburg gut ab. Doch während Weber und Wurm aus der herausgehobenen Position städtischer Referenten für sich werben, arbeitete Grünen-Fraktionschefin Wild bislang eher im Hintergrund. Ihr mangelt es damit an der Popularität, die gerade für eine Kommunalwahl wichtig ist. Die Chance, einen zugkräftigen Kandidaten von extern zu holen und damit zur echten Konkurrenz für die CSU zu werden, haben die Grünen ungenutzt verstreichen lassen.
Geht es nach dem Bekanntheitsgrad, wäre neben Eva Weber damit eher als Dirk Wurm ein Anwärter auf die Stichwahl. Doch bislang sind das natürlich nicht mehr als Spekulationen. Entschieden wird in gut vier Monaten.