Augsburger Allgemeine (Land West)

Was den Wahlkampf besonders macht

Sechs Jahre lang regierten CSU, SPD und Grüne gemeinsam. Nun müssen sie sich plötzlich voneinande­r abgrenzen. Themen, die einst als beschlosse­n galten, werden neu diskutiert. Eine Analyse

- VON NICOLE PRESTLE

Inip@augsburger-allgemeine.de

n gut vier Monaten wählen die Augsburger eine neue Stadtregie­rung. Gefühlt ist die Kommunalwa­hl im März zwar noch weit weg, für die Parteien jedoch hat der Wahlkampf längst begonnen: Die meisten haben ihre Stadtratsl­isten aufgestell­t und ihre Oberbürger­meisterkan­didaten gekürt. Auch wenn die Bürger sich vor Ende der Weihnachts­ferien kaum mit der Wahl beschäftig­en werden, beharken sich die Parteien bereits jetzt so intensiv, als befänden sie sich im Endspurt. Was man ebenso spürt: Der Ton wird rauer – vor allem zwischen CSU, SPD und Grünen.

Derzeit regieren diese drei Parteien noch gemeinsam. Eben diese Konstellat­ion ist es, die den Wahlkampf 2020 in Augsburg besonders macht: Sechs Jahre lang hielten die Regierungs­partner zusammen. Zwar gab es auch Unstimmigk­eiten, doch am Ende siegte stets der Wille, die GroKo – Zyniker sprechen

Die Grünen haben eine große Chance verpasst

gar von einer Über-GroKo – zu erhalten. Die Opposition hatte es da schwer: Sie bestand aus zwei, drei Stadträten, die sich zu Wort meldeten, wenn etwas aus ihrer Sicht nicht gut lief. Die meisten anderen nahmen still, ja beinahe verzweifel­t, hin, wie Abstimmung­en in politische­n Gremien im Sinn der Regierungs­partner ausgingen.

Nun langsam dreht sich die Stimmung: Grüne und SPD wollen selbst den nächsten Augsburger Oberbürger­meister stellen und suchen so nach Themen, mit denen sie sich vom übermächti­gen Koalitions­partner CSU abgrenzen können. Leicht ist das nicht, schließlic­h haben beide Parteien wichtige Entseine scheidunge­n mitgetrage­n und stecken jetzt in einer Zwickmühle.

Im Wahlkampf dürfte dies zum ein oder anderen Richtungsw­echsel führen. Den Anfang machte vor Kurzem SPD-Oberbürger­meisterkan­didat Dirk Wurm: Während seine Partei noch vor drei Jahren für eine Generalsan­ierung des Theatersta­ndorts am Kennedypla­tz stimmte, stellt Wurm diese zentrale Lösung nun infrage. Er wird gut argumentie­ren müssen, um diese Abkehr vom einstigen Beschluss zu begründen, ohne die SPD als wankelmüti­g dastehen zu lassen.

Das Geld wird dabei ein Hauptargum­ent sein. Wurm schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen war die Theatersan­ierung wegen ihrer hohen Kosten von Anfang an bei vielen Bürgern umstritten. Zum anderen trifft er damit

größte Konkurrent­in: CSUOB-Kandidatin Eva Weber hat als Finanzrefe­rentin der aktuellen Stadtregie­rung die Entscheidu­ng für das Millionenp­rojekt wesentlich beeinfluss­t und mitgetrage­n. Über Geld ist sie am ehesten angreifbar.

Hohe Ausgaben für vermeintli­che Prestigepr­ojekte und steigende Kosten in Millionenh­öhe sind Aufreger, mit denen sich im Wahlkampf polarisier­en lässt. Deshalb dürften Theater und Hauptbahnh­of in den nächsten Monaten eine große Rolle spielen, obwohl die meisten Bürger andere Sorgen als das Theater haben: Ihnen geht es um bezahlbare­n Wohnraum, um eine lebenswert­e Stadt ohne Verkehrsch­aos und dicke Luft, um gut ausgestatt­ete Schulen sowie um sichere Arbeitsplä­tze in einem prosperier­enden Wirtschaft­sraum.

14 Oberbürger­meisterkan­didaten sind bis jetzt ins Rennen gegangen und haben die Chance, all diese Themen aufzugreif­en. Mehrere kleinere Parteien und Gruppierun­gen müssen erst noch genügend Unterstütz­er finden, um im März 2020 wirklich antreten zu können. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Augsburger Wähler zwischen so vielen Bewerbern wählen können wie lange nicht. Dass es eine Stichwahl geben wird, ist deshalb so gut wie sicher: Obwohl Eva Weber als Favoritin im Rennen um den OB-Sessel gilt, wird es ihr kaum gelingen, bereits im ersten Anlauf die notwendige Mehrheit zu holen.

Wer am Ende die Kandidaten einer Stichwahl sind, bleibt spannend. Wählen die Augsburger nach Partei, hätte Grünen-Kandidatin

Martina Wild eine Chance. Ihre Partei schnitt bei vergangene­n Wahlen auch in Augsburg gut ab. Doch während Weber und Wurm aus der herausgeho­benen Position städtische­r Referenten für sich werben, arbeitete Grünen-Fraktionsc­hefin Wild bislang eher im Hintergrun­d. Ihr mangelt es damit an der Popularitä­t, die gerade für eine Kommunalwa­hl wichtig ist. Die Chance, einen zugkräftig­en Kandidaten von extern zu holen und damit zur echten Konkurrenz für die CSU zu werden, haben die Grünen ungenutzt verstreich­en lassen.

Geht es nach dem Bekannthei­tsgrad, wäre neben Eva Weber damit eher als Dirk Wurm ein Anwärter auf die Stichwahl. Doch bislang sind das natürlich nicht mehr als Spekulatio­nen. Entschiede­n wird in gut vier Monaten.

 ?? Archivfoto: Anne Wall ?? Am 15. März 2020 ist Kommunalwa­hl, bislang haben 14 Parteien und Gruppierun­gen ihre Oberbürger­meister-Kandidaten nominiert. Dem Wähler stehen dabei so viele Möglichkei­ten offen, wie lange nicht. Doch drei Favoriten zeichnen sich längst ab.
Archivfoto: Anne Wall Am 15. März 2020 ist Kommunalwa­hl, bislang haben 14 Parteien und Gruppierun­gen ihre Oberbürger­meister-Kandidaten nominiert. Dem Wähler stehen dabei so viele Möglichkei­ten offen, wie lange nicht. Doch drei Favoriten zeichnen sich längst ab.
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