Augsburger Allgemeine (Land West)
Soldaten schildern Gräuel auf dem Schlachtfeld
Josef Völk und Franz Xaver Wagner haben ihre Erlebnisse und Gefühle im Ersten Weltkrieg aufgeschrieben. Eine Lesung im Pfarrheim Ustersbach gibt einen ergreifenden Einblick in die Gefühlswelt der Frontsoldaten
Ustersbach 27 junge Ustersbacher fielen im Ersten Weltkrieg an der Front. Der Festakt zum 100. Gründungsjubiläum des Krieger- und Soldatenvereins Ustersbach-Mödishofen am Sonntag, 17. November, im Forum lenkt daher zwangsläufig den Blick darauf. Einen Einblick in das Leben und die Gefühlswelt der damaligen Soldaten ermöglichten die Gemeindebewohner Josef Völk und Franz Xaver Wagner. Sie hatten Kriegstagebücher geführt. Das war zwar strengstens verboten – doch heute stellen sie einen historischen Schatz dar.
Josef Völk wurde 1882 geboren. Sein Militärdienst als Feldzugsoldat begann am 8. August 1914, dem vierten Mobilmachungstag. In einem Brief teilte ihm ein Nachbar euphorisch mit, dass zu Hause „volle Kriegsbegeisterung“herrsche. „Vielleicht würde er anderer Meinung sein, wenn er bei uns wäre“, notierte Völk. Rund um ihn sei „die größte Schlacht, die je die Welt gesehen“habe. „Von einer kultivierten und zivilisierten Welt ist nicht mehr zu reden. Ganze Regimenter werden in den Kampf geworfen und nur ein kleines Häufchen kommt zurück.“
Ein andermal schrieb er: „Unzählige Opfer fordert der grausame Tod. Tag für Tag. Heute meint es der Gegner mit uns besonders gut. Er legt das Feuer direkt auf den
Verbandsplatz. Es war herzzerreißend. Unsere beiden Sanitätswagen samt den Medikamenten wurden in Brand geschossen. Einige hundert Meter von mir entfernt traf eine Granate in eine Munitionskolonne und tötete acht Mann sowie zwölf Pferde. Ein grausamer Anblick!“
Über seinen Dorfgenossen Jakob Meierhörmann brachte er zu Papier: „Er wollte einem Kameraden einen Notverband anlegen. Als er aufstand, durchbohrte eine feindliche Kugel sein Herz. Ich will ihm ein stetes Andenken bewahren.“Der zermürbende und zugleich verlustreiche Kampf hinterließ Spuren:
„Vier Jahre Krieg und noch keine Aussicht auf Frieden. Der Mut und die Siegeszuversicht bei unseren Truppen ist gering. Die Übermacht des Gegners wird von Tag zu Tag größer.“Am 11. November 1918 hieß es in seinem Tagebuch: „Heute Mittag wurde Waffenstillstand bekannt gemacht. Gott sei Dank.“Zu Hause kam er am 20. Dezember an: „Abends um 9 Uhr erreichte ich Mödishofen. Am Bahnhof traf ich meinen lieben Vater, Bruder Albert und Ludwig und mehrere Kameraden. Das war ein freudiges Wiedersehen.“Bereits ein Jahr später heiratete Josef Völk. Er erwarb eine kleine Landwirtschaft in der Ustersbacher Hauptstraße. 1946 starb er.
Auch Franz Xaver Wagner vermerkte in seinen Aufzeichnungen die Gräuel auf dem Schlachtfeld: „Als der Morgen graute, legte der Franzose starkes Artilleriefeuer auf unseren Graben. Mir kam es vor, als ob die Hölle los wäre.“Etwas später: „Um 12 Uhr hatten wir den Kampf mit Bajonett, Handgranaten und Maschinengewehr zu unseren Gunsten entschieden. Das war meine Feuertaufe.“
Später wurde ihm das Bayerische Militär-Verdienstkreuz dritter Klasse mit Schwertern verliehen, und er wurde zum Gefreiten befördert. Am 16. Dezember 1915 erhielt er Heimaturlaub: „Was das für einen Feldsoldaten bedeutet, der täglich dem Tod ins Auge schaut, kann ich nicht zu Papier bringen. Man schwelgt förmlich im Glück.“Emotional beschrieb er auch einen Weihnachtsabend in Flandern: „Jeder Soldat trägt eine Weihnachtsstimmung in der Brust. Doch alles hat Alarmbereitschaft. Die gegnerische sowie die eigene Artillerie geben starkes Störungsfeuer. Dennoch denkt das immer hoffende Soldatenherz an kommende, bessere Jahre, wo wieder Friede sein wird auf Erden.“Wagner starb 1964.
Lesung Am heutigen Samstag, 9. November, kommen die Kriegserlebnisse der beiden Ustersbacher um 14 Uhr im Pfarrheim zu Gehör. Dann erfolgt im
Rahmen der 100-Jahr-Feier des Kriegerund Soldatenvereins Ustersbach-Mödishofen und der damit verbundenen Ausstellung „14/18 – mitten in Europa“eine Lesung aus Johannes Schaffners Buch „Wer weiß, ob wir uns wiedersehen“.