Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Verteidiger und seine Eisprinzessin
Panther privat Im Alltag von AEV-Profi Henry Haase und der ehemaligen Eiskunstläuferin Sarah Hecken dreht sich fast alles um Sohn Stephan. Bleibt nur die Frage: Wer ist der bessere Schlittschuhläufer?
Stephan wirkt anfangs verschlafen und ein wenig misstrauisch dem Gast gegenüber, der die Wohnung in Pfersee zum Interview betritt. Der 14 Monate alte Bub genießt die Sicherheit in den Armen von Mama oder Papa. Dafür kennt Balu keine Scheu. Der Golden Retriever beschnuppert den Besucher eingehend und setzt seinen Schwanz freudig als Peitsche ein. Man kann gar nicht anders, als sich bei der jungen Familie sofort willkommen zu fühlen. Hausbesuch bei Haase und Hecken, einem Sportler-Paar. Henry steckt mitten in seiner zweiten Saison bei den Augsburger Panthern und hat sich im vergangenen Jahr als kompromissloser Verteidiger und kerniger Bursche in die Herzen der Fans gespielt. Der 26-Jährige zählte zum umjubelten AEV-Team, das mit Rang drei die beste VorrundenPlatzierung aller Zeiten erreichte und die Fans in den Play-offs gegen Düsseldorf und München begeisterte. Sarah Hecken hat in ihrer Karriere größere Erfolge als ihr Partner gefeiert. „Da ist unglaublich viel an Pokalen und Trophäen zusammengekommen. Die würden locker fünf große Eishockeytaschen füllen“, sagt Haase.
Als vierfache deutsche Eiskunstlauf-Meisterin zählte die gebürtige Mannheimerin zur nationalen Spitze. Mit ihrem ersten Titel 2008 in Dresden schrieb sie Sportgeschichte. Als 14-Jährige ist Hecken die bislang jüngste deutsche Titelträgerin der Deutschen Eislauf-Union. Mit eineinhalb Jahren stand sie erstmals auf dem Eis.
Zu den Winterspielen 2010 in Vancouver reiste die Eiskunstläuferin mit 16 Jahren als jüngste Sportlerin der deutschen Olympiamannschaft. Das Küken belegte den 18. Platz. Intensives Training und Verletzungen forderten jedoch frühzeitig ihren Tribut. „2015 hatte ich mir zwei Wirbel angebrochen. Die Ärzte rieten mir aufzuhören, denn beim nächsten Sturz hätte noch Schlimmeres passieren können“, erzählt die 26-Jährige.
In dieser Zeit, zu Silvester 2014, lernte sie Henry kennen. Am Sportforum in Hohenschönhausen liefen sich die Eissportler über den Weg. Er trainierte im „Welli“, im Wellblechpalast der Eisbären Berlin, sie in der benachbarten Halle der Eiskunstläufer. Ein gemeinsamer Freund lud sie zur Party am Jahresende ein und dann hat es gefunkt. Haase erinnert sich: „Wenig später bin ich mit dem Auto von Berlin nach Luxemburg gefahren, um bei ihrem letzten Wettkampf dabei zu sein.“Diese Überraschung kommt bei Sarah bis heute gut an.
Seit fünf Jahren sind die beiden ein Paar. Die Geburt des gemeinsamen Sohnes fiel auf ein besonderes Datum und verlief abenteuerlich. Der 14. September 2018 war der erste Spieltag der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). So weit nicht ungewöhnlich, doch der Kindsvater lag kurz zuvor nach einem Kieferbruch noch im Krankenhaus und konnte seiner hochschwangeren Freundin kaum helfen. „Wir waren neu in der Stadt und haben kaum Leute gekannt. Gott sei Dank wurde er zwei Tage vor der Geburt entlassen und konnte mich gleich wieder im Zentralklinikum besuchen“, erinnert sich Sarah. Der schwersten Verletzung seiner Karriere kann der Profi eine gute Seite abgewinnen: „Durch meinen Kieferbruch konnte ich die ersten drei Wochen von Stephan auf der Welt intensiv verfolgen.“
Henry, den die Teamkollegen nur „Hank“rufen, steckte ebenfalls sehr früh in Schlittschuhen, mit vier Jahren. Schuld daran war sein Stiefvater, der den Pimpf zu den Eisbären mitgenommen hat. Nach Siegen die Profis an der Bande abzuklatschen, hat im kleinen Henry den Wunsch geweckt: „Wenn ich groß bin, will ich das auch machen.“Sein Idol war der Kanadier Mike Bullard. „Als meine Eltern mir gesagt haben, dass Bullard die Eisbären verlässt, habe ich fürchterlich angefangen zu flennen. Und ich habe sonst nicht wegen jeder Kleinigkeit geheult.“
Haase durchlief die Nachwuchsteams, verteidigte für den Oberligisten Fass Berlin und ackerte sich hoch in die DEL, in der er für die Berliner auch an der Seite von Nationalverteidiger Frank Hördler spielte. 2016 wechselte Haase nach Düsseldorf und stand nach zwei Jahren im Dienst der DEG im Frühjahr 2018 ohne Vertrag da. „Augsburg bot mir die beste sportliche Perspektive und ich muss sagen: Es war die beste Entscheidung, hierher zu kommen. Ich habe mich spielerisch weiterentwickelt und habe meine Rolle in der Mannschaft übernommen.“Der Berliner gilt als robuster Defensiv-Spezialist, der Zweikämpfe sucht und vor dem eigenen Kasten mit seiner Statur (1,91 Meter groß, rund 100 Kilo schwer) die Gegner aus dem Weg räumt, um seinem Torwart freie Sicht auf die Scheibe zu ermöglichen.
Er würde auch gerne das Überzahlspiel lenken, Tore schießen, Scorerpunkte sammeln, um dadurch seinen Marktwert zu steigern. „Ich biete mich an. Aber es gibt zur Zeit Bessere für diese Position. Und ich bin keiner, der in der Kabine Stunk macht und eine andere Rolle fordert.“Im Alter von 26 Jahren, so urteilen Experten, hat ein Eishockey-Verteidiger ausgelernt. Haase ist also im besten Alter für einen Abwehrspezialisten.
Augsburg war auch aus privater Sicht eine gute Entscheidung. Sarah
„Die Ärzte rieten mir aufzuhören. Beim nächsten Sturz hätte Schlimmeres passieren können.“Ex-Eiskunstläuferin Sarah Hecken
zu ihrem Karriereende
„Es gibt zur Zeit Bessere. Ich bin keiner, der in der Kabine Stunk macht und eine andere Rolle fordert.“
Panther-Profi Haase zu seinem Powerplay-Wunsch
will demnächst eine Ausbildung zur Erzieherin beginnen, Henry hat sich bereits für die kommende Saison an den Klub gebunden. Aktuell geht es darum, mit den Panthern in die Play-off-Ränge zu klettern. „Wir haben zuletzt mit dem 5:2 gegen München gezeigt, dass wir alle Gegner schlagen können. Wir müssen es nur zeigen und am besten eine Serie starten“, sagt der Verteidiger vor der Partie bei seinem Ex-Klub Düsseldorfer EG (Freitag) und dem Heimspiel gegen Iserlohn (Sonntag, 14 Uhr).
Die Einsätze ihres Partners verfolgt die Eiskunstläuferin aufmerksam. Haase wiederum sieht sich Eiskunstlaufen im Fernsehen an – keine Selbstverständlichkeit für einen Eishackler. „Wenn man weiß, wie viel Aufwand und Training dahinterstecken, hat man noch mehr Respekt davor“, sagt der Mann mit der Rückennummer vier. Wenn es nur ums Schlittschuhlaufen geht, sind sich beide einig: Hecken ist die bessere Eisläuferin.
Während die ehemalige Eis-Prinzessin und der AEV-Abräumer über ihre Sportarten diskutieren, hat Stephan längst seine Scheu vor dem Besucher abgelegt und lässt ein Spielzeugauto übers Parkett sausen. Balu liegt zu Füßen seines Chefs unter dem Esstisch und döst.