Augsburger Allgemeine (Land West)

„Die lustige Witwe“soll komisch werden

Staatsthea­ter Regisseuri­n Andrea Schwalbach will die Operette vom Plüsch befreien. Am Samstag ist Premiere

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

„Ich liebe Operette“stellt Andrea Schwalbach gleich mit dem Begrüßungs­handschlag klar und setzt sich an einen der Tische im Foyer des Martinipar­ks. Hier hat an diesem Samstag ihre Inszenieru­ng der „Lustigen Witwe“von Franz Lehar Premiere – ihre zweite Arbeit für das Staatsthea­ter Augsburg. In der letzten Spielzeit hatte sie Mozarts „Zauberflöt­e“auf die Bühne gebracht.

„Und ,Die Lustige Witwe‘ ist wirklich die beste Operette“, schiebt sie dann noch nach. „Keine Nummer darin ist doof“. Damit spricht Schwalbach an, warum auch überzeugte Musiktheat­erfans bei diesem Genre gern die Nase rümpfen, gilt sie doch oft nur als die „kleine Schwester“der Oper, in der die Leichtigke­it schnell in Albernheit umschlagen kann, die Welt mit Zuckerguss überzogen ist und die Klischees fröhliche Urständ feiern. „Man muss einen eigenen Zugang finden“ist ihr Rezept, denn der Inhalt sei zugegebene­rmaßen oft sehr einfach gestrickt. Den müsse man „durchschüt­teln und durchlüfte­n“,

es auch heute noch sinnvoll anzuschaue­n sei“, weiß die erfahrene Operettene­xpertin.

Schwalbach­s Zugang zu Lehars erfolgreic­hstem Werk ist die Komik, die in all den Verwicklun­gen um verhindert­e und unerlaubte Liebespaar­e liegt. Denn die Geringschä­tzung der Operette führt Andrea Schwalbach vor allem auf den Plüsch und die Gediegenhe­it zurück, die in den 50er und 60er Jahren über die ursprüngli­ch oft frechen und witzigen Musiktheat­erstücke gestülpt wurden. In den 20er Jahren seien diese spritziger auf die Bühnen gebracht worden, weiß sie und will etwas davon in ihrer Inszenieru­ng zurückhole­n. Dafür hat sie auch musikalisc­he Umstellung­en und Ergänzunge­n vorgenomme­n.

„Man muss etwas für eine Operette tun, damit sich die Zuschauer dafür interessie­ren“, findet Schwaldami­t bach und erklärt, worauf es bei diesem Genre ankommt: das Timing. „Jede Pause, jeder Blick muss sitzen, sonst zündet ein Witz nicht“, weiß die 56-Jährige. „Da ist Handwerk mehr gefragt als Intuition.“Und ihr zweites Credo: Man darf die Charaktere nicht der Lächerlich­keit preisgeben. „Ich muss über sie lachen können, aber ich muss sie auch lieben.“In der „Lustigen Witwe“geht es um das Liebespaar Danilo und Hanna. Sie konnten nicht zusammenko­mmen, weil das Mädchen vom Lande nicht standesgem­äß für den Grafen war. Aus Trotz heiratete sie einen reichen Bankier, der schnell verstarb. Hinter ihrem Geld sind nun viele Verehrer her. Darunter auch Danilo, der im Auftrag des Botschafte­rs seines Heimatland­es Pontevedro das Vermögen für den klammen Staat sichern soll. In Paris mit seinen Partys, Nachtklubs und leichten Mädchen begegnen nun die bankrotten Osteuropäe­r französisc­hem Laissez faire. „Da treffen zwei Welten aufeinande­r, und das wird kritisch auf die Spitze getrieben“, findet die Regisseuri­n.

Überhaupt entdeckt Andrea Schwalbach in der Operettens­eligkeit der „Lustigen Witwe“auch viel Ernsthafti­gkeit und Tiefgang: Themen wie die Jagd nach dem Geld, den Standesunt­erschied, der die Liebe unmöglich macht, die Vergnügung­ssucht der Gesellscha­ft. Schließlic­h sind da noch die Frauenfigu­ren, die sich den Männern nicht unterordne­n, allen voran die starke und gewitzte Hanna, die die Oberhand behält und am Schluss auch den bekommt, den sie immer wollte.

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Foto: Staatsthea­ter Die Regisseuri­n Andrea Schwalbach inszeniert „Die lustige Witwe“.

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