Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie ein Urgestein und ein Juso die Lage der SPD sehen
Politik Ist das neue Führungsduo gut für die SPD? In der Augsburger Partei gibt es dazu unterschiedliche Sichtweisen
Es ist ein ernstes Thema. Ministerpräsident Markus Söder ist am Donnerstagmorgen in der Augsburger Synagoge. Es geht um die Sanierung des Gebäudes – und um einen besseren Schutz vor möglichen Attentätern. Der Freistaat wird dafür mehr als doppelt so viel Geld geben als zunächst geplant, rund 7,4 Millionen Euro. Als Söder die Synagoge verlässt, kann sich der CSU-Chef im Hinausgehen einen kleinen Seitenhieb in Richtung des SPD-Landtagsabgeordneten Harald Güller nicht verkneifen. „Und nicht so schnell aus der Großen Koalition austreten“, ruft er ihm im Vorbeigehen zu. Für ein Koalitions-Aus, entgegnet Güller, werde er beim Bundesparteitag der SPD, der am Freitag beginnt, auch nicht stimmen.
So mancher Juso träumt allerdings schon vom „Groko-Aus zu Nikolaus“. Der Augsburger JusoVorsitzende Vladyslav Klymov macht keinen Hehl daraus, dass er kein Freund der Großen Koalition auf Bundesebene ist. Einen vorschnellen Ausstieg hält er trotzdem nicht für den richtigen Weg. „Aber ich erwarte mir von dem neuen Führungsduo mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans schon, dass sie noch einmal auf den Koalitionspartner zugehen. Und, falls sie da auf Unnachgiebigkeit stoßen sollten, auch, dass die SPD aus der Groko aussteigt. Aber mit Bedacht.“
Klymov ist froh, dass Esken und Walter-Borjans das Rennen um den Vorsitz knapp für sich entschieden haben. Auch er selbst hat beim Mitgliederentscheid
für die beiden gestimmt. „Ich habe sie auf dem Bundeskongress der Jusos erlebt und sie haben einen soliden und ehrlichen Eindruck gemacht.“Nun hofft der 21-Jährige auf einen positiven Impuls und auf einen Linksruck seiner Partei – und er sagt ganz deutlich: „Ich bin einfach nur froh, dass es nicht Olaf Scholz geworden ist. Denn das wäre garantiert ein ,Weiter so‘ gewesen.“
Das Oberhauser SPD-Urgestein Dieter Benkard sieht die Sache ganz anders: „Ich bin nicht zufrieden. Ich hätte mir Scholz gewünscht und den habe ich auch gewählt“, so der
Stadtrat. Wenn man in der jetzigen Situation aus der Koalition ausschere, mache man nur noch mehr kaputt. Die neue Mannschaft an der Parteispitze solle zunächst Ruhe hineinbringen und klarmachen, was sie alles bewegen will. „Ich bin schon für Erneuerung, aber die sollen erstmal ein bisschen lernen, wie man mit den Bürgern umgeht.“
Augsburgs SPD-Fraktionsschef Florian Freund gibt sich in Sachen neue Parteispitze wesentlich diplomatischer. „Ich glaube, die Wahl ist schon in Ordnung. Ich bin sehr optimistisch, dass wir mit den beiden stärker als bisher deutlich machen können, wofür die SPD steht.“Wen er gewählt hat, will Freund nicht verraten. Allerdings schätze er Norbert Walter-Borjans sehr für dessen Rückgrat beim Ankauf von SteuerCDs, als er Finanzminister in Nordrhein-Westfalen war. „Da ist erheblicher Druck auf ihn ausgeübt worden.“Freund glaubt nicht, dass beim Parteitag ein Ausstieg aus der
Großen Koalition beschlossen wird. „Aber wir müssen uns Gedanken machen, was wir noch umsetzen und erreichen wollen.“
Ein schnelles Ende der Koalition wünscht sich auch die Augsburger SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr nicht. „Es sind ja sehr viele gute Sachen auch gelaufen. Und es gibt auch einiges, was noch zu Ende gebracht werden soll.“
Als Delegierte wird sie am Wochenende beim Parteitag das neue Führungsduo aus nächster Nähe kennenlernen können. Saskia Esken ist Ulrike Bahr bereits aus dem Bundestag bekannt. Mit Norbert Walter-Borjans habe sie bisher keine Berührungspunkte gehabt. „Aber es wird sicherlich bald ein Gespräch mit der Fraktion geben. Natürlich ist die neue Spitze sehr grokokritisch. Aber ich bin fest überzeugt, dass die beiden verantwortlich mit ihrer Führungsaufgabe umgehen. Es ist wichtig, dass die SPD hier zusammenhält.“