Augsburger Allgemeine (Land West)
Neuer Straßenname? Geschäftsleute wehren sich
Diskussion Die Langemarckstraße erinnert an eine Weltkriegsschlacht, die von der NS-Propaganda genutzt wurde. Die Stadt plant deshalb eine Umbenennung. Ein Hotelchef und ein Raumausstatter machen sich jetzt große Sorgen
Gerade mal neun Wochen ist es her, dass Claus Denk das Raumausstattergeschäft seines Vaters in der Langemarckstraße übernommen hat. Neue Visitenkarten und Briefköpfe ließ er drucken, die Autos wurden neu beschriftet, die komplette Kundenund Lieferantenkartei hat er angeschrieben und über den Inhaberwechsel informiert. Viel Zeit und insgesamt um die 10000 Euro habe das gekostet. Arbeit und Kosten, die bald noch einmal auf den 30-Jährigen zukommen könnten. Denn die Stadt plant, die Langemarckstraße umzubenennen.
Der Grund für die geplante Umbenennung: Der Name, eine belgische Ortschaft, erinnert an eine blutige Schlacht im Ersten Weltkrieg, die in der Zeit des Nationalsozialismus glorifiziert wurde. So wurde 1939 aus der Habsburgerstraße die Langemarckstraße. Nun soll sie einen anderen Namen bekommen. Eine endgültige Entscheidung will der Stadtrat im April treffen und vorher auch mit den Bürgern ins Gespräch kommen. Claus Denk hofft inständig, dass sich die Räte noch mal besinnen. „Mich als Jungunternehmer trifft das volle Breitseite, ich habe genug andere Herausforderungen“, sagt der Raumausstatter, der vor dem Einstieg in den Familienbetrieb Betriebswirtschaftslehre studiert hat.
Seine Stammkundschaft bestehe in der Hauptsache aus älteren Menschen, sagt Claus Denk. „Wenn die einen neuen Boden brauchen, holen sie nach 20 Jahren die alte Rechnung mit der Adresse heraus. Nur dass sie uns dann vielleicht gar nicht mehr finden.“Dann fahren sie eben woanders hin, fürchtet er. Er macht sich ernsthafte Sorgen. „Ich habe Verantwortung für drei Mitarbeiter. Was soll ich denen denn sagen, wenn ich zumachen muss, weil mich die Kunden nicht mehr finden?“Dass die Schlacht und damit der Straßenname von den Nazis instrumentalisiert wurde, sieht auch Claus Denk kritisch. Er meint aber: „Das ist nun mal unsere Geschichte und ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, sie mit einer Umbenennung einfach zu löschen.“
Ein Mahnmal oder ein erläuterndes Zusatzschild, wie es in der Hans-Watzlik- oder in der Professor-Messerschmitt-Straße geplant ist, hält Claus Denk für zielführender. Ganz ähnlich sieht es Alexander Gnann, der ein paar hundert Meter weiter das Hotel Langemarck betreibt. Vor zwölf Jahren hat er es schon unter diesem Namen übernommen. „Ich habe damals im Internet dazu recherchiert, aber da waren die Informationen noch etwas spärlich und es stand da, dass es dort eine Schlacht im Ersten Weltkrieg gab.“Gnann behielt den Namen des Hotels bei. „Wenn eine Straße so heißt, hatte ich nicht das Gefühl, dass das ein Problem werden könnte.“Mit dem Vorstoß der Stadt hat sich die Lage für Gnann nun allerdings geändert. Viel hat er in den vergangenen Wochen zur Langemarckschlacht und dem dazugehörigen Mythos recherchiert. Warum die Straße nun plötzlich umbenannt werden soll, versteht er trotzdem nicht. Ja, meint er, die Nazis hätten die Schlacht für ihre Propaganda genutzt. Doch letztlich erinnere der Name an eine Schlacht, bei der viele deutsche Soldaten gestorben seien.
Ebenso wie die Straßennamen ringsherum. „Viele Straßen im Areal um die ehemalige Kaserne haben einen solchen Bezug. Sommestraße, Vogesenstraße, Flandernstraße, Saarburgstraße – das soll alles so bleiben. Da wird mit zweierlei
Maß gemessen“, findet der 38-Jäh- rige. Was ihn außerdem stört, sind die hohen Kosten, die eine Änderung verursachen würde. Auch bei der Stadt. Für Dinge wie die dringend nötige Einrichtung eines sicheren Überwegs für Kinder in der Straße sei kein Geld da, für eine teure Straßenumbenennung aber schon. Wie Claus Denk hofft auch Alexander Gnann, dass es doch noch eine andere Lösung gibt. Denn klar ist für ihn: „Wenn ich den Hotelnamen ändern würde, wäre das für mich ein wirtschaftlicher Totalschaden.“Der Name des Hotels sei nun mal stark mit der Straße verknüpft.
So ist es auch bei der Kita Langemarckstraße, die wie alle städtischen Kindertagesstätten nach der Straße benannt ist, an der sie liegt. Sollte der Straßenname geändert werden, wird sie wohl einen neuen Namen bekommen. Das, sagt Leiterin Heike Hölzle, sei unter den Eltern bisher noch kein Thema. „Wir warten jetzt einfach die Entscheidung der Stadt ab“, sagt Hölzle. Zumindest die Verwechslungsgefahr mit der Langenmantelstraße wäre dann aber gebannt. „Das begegnet mir immer wieder.“Entspannt sieht die mögliche Umbenennung auch Werner Weishaupt, Chef der Arbeiterwohlfahrt, die in der Langemarckstraße das Marie-Juchacz-Zentrum betreibt. „Die AWO, die unter dem
Briefe und Pakete kommen weiter an, sagt die Post
NS-Regime verboten war und gelitten hat, ist selbstverständlich alles andere als dagegen, wenn die Straße umbenannt wird.“Größere Probleme erwartet Weishaupt nicht. „Dann drucken wir den nächsten Flyer eben mit der neuen Adresse und die Lieferanten werden sich glaube ich auch nicht verfahren.“
Und auch die Post würde weiterhin ihren Weg zu den 900 betroffenen Anwohnern finden, versichert Klaus-Dieter Nawrath, Pressesprecher der Post. Im Fall einer Straßenumbenennung empfehle sich immer, den Korrespondenzpartnern die neue Adresse mitzuteilen. „Aber wenn Post mit der alten Adresse versehen ist, werden wir sie natürlich auch zustellen.“Eine automatische Benachrichtigung des Senders über die neue Adresse des Empfängers, wie sie etwa bei einer Umzugsmitteilung buchbar ist, stehe in einem solchen Fall allerdings nicht zur Verfügung.
Die Langemarckstraße