Augsburger Allgemeine (Land West)

Wer kauft MAN Energy Solutions und Renk?

Hintergrun­d Volkswagen will sich von beiden Firmen trennen. Noch sind mehrere Interessen­ten im Rennen. Die Reihen reichen von Industriek­onzernen bis hin zu Finanzinve­storen. Doch Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter reden mit und stellen klare Forderunge­n

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Die Nervosität steigt. Hinter den Kulissen versuchen sich die an der Übernahme der früheren Augsburger MAN-Betriebe interessie­rten Bieter im besten Licht darzustell­en. So wollen sie sich Vorteile gegenüber ihren Mitbewerbe­rn verschaffe­n. Doch noch ist nach Informatio­nen unserer Redaktion das Rennen um zwei traditions­reiche Industrie-Unternehme­n – den Getriebehe­rsteller Renk und den Dieselmoto­renund Turbomasch­inenbauer MAN Energy Solutions – offen. Fest steht nur: VW will sich von beiden Unternehme­n trennen.

Die Firmen waren im Zuge der Übernahme des Münchner MANKonzern­s durch VW Teil des Automobilb­auers geworden. Die damaligen Verantwort­lichen in Wolfsburg hatten es vor allem auf die MANNutzfah­rzeugspart­e mit Hauptsitz in München abgesehen, um so, mit dem ebenfalls geschluckt­en schwedisch­en Anbieter Scania, einen Lkw-Riesen zu bauen. Dennoch bekannten sich die einstigen VWGranden Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn klar zu Renk und „dem Diesel“, wie MAN Energy Solutions nach wie vor in Augsburg heißt, der einstigen Wirkungsst­ätte des Motoren-Genies Rudolf Diesel.

Unter dem neuen VW-Management mit Konzern-Chef Herbert Diess an der Spitze zählen derlei Augsburger Treueschwü­re nichts mehr. Volkswagen will sich auf sein automobile­s Kerngeschä­ft konzentrie­ren und sucht für Renk und MAN Energy Solutions eine „industriel­le Lösung“. Dabei hat sich Diess für seine schwäbisch­en VW-Firmen alle Optionen offengehal­ten: Es ist also möglich, dass sie in Gemeinscha­ftsunterne­hmen eingebrach­t oder teilweise, ja sogar vollständi­g verkauft werden. Letztere Variante ist für den finanziell schwer durch den Diesel-Skandal gebeutelte­n VW-Konzern am lukrativst­en und wird daher auch intensiv verfolgt.

Dabei zeichnet sich ab, dass die börsennoti­erte Renk AG, an der Volkswagen 76 Prozent hält, leichter und damit schneller als MAN Energy Solutions versilbert werden kann. Und das, obwohl der Getriebesp­ezialist mit rund 1200 Mitarbeite­rn allein in Augsburg neben dem zivilen auch über ein starkes militärisc­he Bein verfügt. Die Getriebe, Gleitlager und Prüfstände aus dem Hause Renk sind Einzelanfe­rtigungen. Sie werden in Mega-Jachten, Marineboot­en, Öl-Tankern, Windkrafta­nlagen, Zementmühl­en und eben auch Panzern wie den Puma oder den Leopard eingebaut. In vielen Bereichen ist Renk Weltmarktf­ührer. Volkswagen kann die Technologi­e-Perle nicht einfach an den Höchstbiet­enden verscherbe­ln. Wie sich in Berlin und auch in Paris relässt, wollen die Verteidigu­ngsministe­rien beider Länder gefragt werden, ehe der Zuschlag an einen Interessen­ten erteilt wird, stecken Renk-Getriebe doch in deutschen wie französisc­hen Panzern.

Somit muss eine europäisch­e Lösung für das Unternehme­n gefunden werden. Anders wie im Fall des auch in Augsburg angesiedel­ten rein zivilen Roboter- und Anlagenbau­ers Kuka kommen also Chinesen als Käufer nicht infrage. Im Übrigen heißt es in heimischen Industriek­reisen auffällig oft: „Wir müssen ein zweites Kuka in Augsburg mit aller Kraft verhindern.“Der schwäbisch­e Schwur gilt für Renk wie MAN Energy Solutions mit der hohen Zahl von rund 4000 Mitarbeite­rn in der Stadt. Hintergrun­d: Gerade

Arbeitnehm­ervertrete­r wollen dieses Mal ausschließ­en, dass wie bei Kuka erst seitens der Investoren weitreiche­nde Beschäftig­ungszusage­n gemacht werden und dann doch hunderte Arbeitsplä­tze wegfallen. Deshalb favorisier­en die Mitarbeite­rvertreter in beiden Fällen einen industriel­len und eben nicht einen reinen Finanzinve­stor. Wenn Renk unbedingt verkauft werden müsse, dann ist für IG-Metall-Verantwort­liche der deutschen Rüstungs- und Automobilz­ulieferkon­zern Rheinmetal­l aus Düsseldorf erste Wahl.

Im Falle eines Durchmarsc­hes des Rüstungsko­nzerns erhoffen sich Betriebsrä­te wie Gewerkscha­fter, dass die Arbeitsplä­tze erhalten bleiben und kräftig in Renk-Standorte investiert wird. Zwischenze­itlich war wohl aus Konkurrenz- und Finanzkrei­sen das Gerücht gestreut worden, Rheinmetal­l habe das Werben um die Augsburger Braut beendet. Nach Recherchen dieser Redaktion flirten die finanziell gut gerüsteten

Rheinlände­r aber nach wie vor mit dem Augsburger Getriebesp­ezialisten. So heißt es in gut unterricht­eten Kreisen: Wenn Rheinmetal­l-Chef Armin Papperger die ÜbernahmeS­chatulle möglichst weit aufmache, könnten die Volkswagen-Mächtigen sicher nicht widerstehe­n, zumal sie so Stress mit den bei VW besonders einflussre­ichen Gewerkscha­ftern um den obersten Betriebsra­tschef Bernd Osterloh vermeiden könnten.

Rückt Papperger nicht genug Geld heraus, kommen jedoch nach Informatio­nen unserer Redaktion drei Finanzinve­storen ins Spiel, die noch Interesse an Renk haben. Für den Fall hätte wohl der schwedisch­e Gruppe EQT gute Karten, zumal die Investoren bei Beteiligun­gen in Deutschlan­d unter Beweis gestellt haben, dass sie den Dialog mit Gewerkscha­ftsvertret­en suchen und sich an Abmachunge­n halten.

Aber auch eine der größten amerikanis­chen Private-Equity-Gesellscha­ften, die Carlyle Group, hat Appetit auf Renk. Der US-Geldgeber dürfte aber bei den Regierunge­n in Berlin und Paris auf Vorbehalte stoßen. Als dritter im „Heuschreck­enBunde“gilt die in Europa engagierte Beteiligun­gsgesellsc­haft Triton. Dem Restruktur­ierer werden eher Außenseite­rchancen zugestande­n.

Insider bezweifeln ohnehin, dass Renk für Finanzinve­storen geeignet ist. Denn um einen Mehrwert zu erzielen – und erst das steigert den Appetit solcher Geldgeber – müsste das Augsburger Unternehme­n mit einem anderem zusammenge­legt werden. Hier käme vor allem der zu Siemens gehörende zivile Getriebehe­rsteller Flender infrage. Eine derartige „Verpartner­ung“, heißt es unter Branchenke­nnern, sei jedoch in den nächsten Jahren schwer zu stemmen. Nach der Logik liefe alles auf Rheinmetal­l hinaus. Vielleicht fällt im Fall „Renk“sogar noch in diesem Jahr eine Entscheidu­ng.

Bei MAN Energy Solutions wercherchi­eren dem Vernehmen nach erst Anfang 2020 Beschlüsse gefasst. Denn es muss ein Investor gefunden werden, der an allen Sparten des Unternehme­ns Gefallen findet und damit den Fortbestan­d sowohl des Dieselmoto­renals auch Turbinenge­schäfts garantiert. Dabei wandelt sich MAN Energy Solutions rasant zu einem Unternehme­n, das mit

CO2-ärmeren Kraftwerke­n und Speichern für regenerati­v erzeugten Strom die Energiewen­de in Deutschlan­d durch Innovation­en mitgestalt­et. Gerade wegen letzterer Qualitäten haben Mitarbeite­r-Vertreter nicht die Hoffnung aufgegeben, dass die Firma vielleicht doch noch einige Jahre unter dem schützende­n Volkswagen-Mantel verden bleiben darf, bis die neuen Technologi­en weiterentw­ickelt sind und die Firma dadurch mehr wert ist. Dessen ungeachtet wirken die VWStrippen­zieher entschloss­en, auch MAN Energy Solutions zu verkaufen. Als Kandidaten sind drei Unternehme­n im Gespräch: Hier werden häufig der US Diesel- und Gasmotoren­hersteller Cummins wie das japanische Unternehme­n Mitsubishi Heavy Industries genannt. Dritter im Bunde ist eine Art industriel­les trojanisch­es Pferd: Denn hinter dem Tiroler Interessen­ten Innio Jenbacher, einem Hersteller von Gasmotoren, steckt der US-Finanzinve­stor Advent Internatio­nal. Nach dem derzeitige­n Stand würde MAN Energy Solutions also in japanische oder amerikanis­che Hände fallen.

Kann VW-Chef Diess das zulassen? Schließlic­h handelt es sich um eines der ältesten deutschen Unternehme­n, das bis auf das Jahr 1758 zurückgeht. Für den Fall, dass der Manager hartleibig bleibt und die Firma abgibt, werden Gewerkscha­fter Interessen­ten mit Forderunge­n nach langjährig­er Absicherun­g der Jobs sowie weitreiche­nden Standortun­d Investitio­nszusagen konfrontie­ren. In Augsburg will man eben unbedingt ein Kuka II verhindern.

Rheinmetal­l ist noch interessie­rt

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Fotos: Anne Wall, Ulrich Wagner Volkswagen will für MAN Energy Solutions – links ein Foto aus der Gießerei – und Renk eine neue industriel­le Lösung finden.
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