Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Opfer hatten schon länger Angst

Prozess Nach der Baseballsc­hläger-Attacke eines 27-Jährigen auf seine Mutter und Oma sagt der Lebensgefä­hrte der Mutter aus. Ihm zufolge war der Angeklagte schon vor der Tat psychisch labil

- VON NICOLE SIMÜLLER

Pöttmes-Wiesenbach/Augsburg Erschütter­nde Details kamen am zweiten Verhandlun­gstag gegen einen Mann zur Sprache, der seine Mutter und seine Oma mit einem Baseballsc­hläger fast totgeschla­gen haben soll. Am Donnerstag sagte unter anderem der Lebensgefä­hrte, 52, der Mutter am Landgerich­t Augsburg aus. Er, der Angeklagte und die beiden Frauen wohnten in einem Haus im Pöttmeser Ortsteil Wiesenbach. Der Lebensgefä­hrte sagte über den 27-jährigen Angeklagte­n: „Er war immer schon schwierig“. Er habe sich immer mehr zurückgezo­gen. Auch die Mutter sei nicht mehr an ihn herangekom­men.

Am Tattag hatte die Oma den Angeklagte­n, vertreten von Florian Engert und Sebastian Anselstett­er, wie jeden Tag zur Arbeit in den Landkreis Augsburg gefahren. Mittags meldete sich der Chef, dass der Angeklagte plötzlich heimgegang­en war. Der Lebensgefä­hrte der Mutter befürchtet­e laut eigener Aussage, dass sich der junge Mann etwas antun könnte. Doch die Familie fand ihn zuhause in seinem Zimmer. Der Lebensgefä­hrte der Mutter verständig­te den Arbeitgebe­r, dass der junge Mann daheim war: Dieser sei „psychisch labil, er braucht eine Auszeit“. Beim gemeinsame­n Mittagesse­n, das ohne Streit verlief, gab sich der junge Mann kurz angebunden, wie der 52-Jährige erzählte. Da ahnte noch niemand, was wenige Stunden später passieren sollte.

Schon zwei Wochen zuvor war die Polizei zu dem Wohnhaus des Mannes gefahren. Damals hatte der Angeklagte mehrfach den Notruf gewählt und unter anderem erzählt, er sei der Sonnengott – so bezeichnet­e er sich auch am Tattag. Die Anrufe wurden vor Gericht abgespielt. Der Lebensgefä­hrte vertrat die Ansicht: „Das waren im Prinzip Hilfeschre­ie, als er die Polizei anrief.“An diesem Tag hätte er eigentlich in eine Psychiatri­e eingewiese­n werden müssen. „Aber ich bin nicht der ich kann das nicht machen.“Hilfe hätte der Angeklagte in seinen Augen schon viel länger nötig gehabt: „Er hat immer schon ein verkorkste­s Leben gehabt.“Er sei „aus dem Kindergart­en geworfen“worden und in einer heilpädago­gischen Einrichtun­g gelandet. Seine Mitschüler hätten ihn gemobbt, schließlic­h sei er wegen eines ungerechtf­ertigten Vorwurfs von der Schule geflogen. Der Vater habe seinen Sohn immer wieder einen „Depp“genannt. Zwei Jahre nach dem Tod des Vaters lernte die Mutter ihren Lebensgefä­hrten kennen.

In dessen Firma wollte der Angeklagte eine Ausbildung machen, verlor aber bald den Elan. In seinem letzten Job galt er als zuverlässi­ger Mitarbeite­r. Doch auch dort fiel auf, dass er sich immer mehr zurückzog.

Der Lebensgefä­hrte sah einen Grund für den Rückzug in Appellen der Familie, mit dem Bus in die Arbeit zu fahren und für den Führersche­in zu lernen. Immer wieder habe der junge Mann Wutanfälle gehabt. Der Kontakt zu den wenigen Freunden brach irgendwann ab. Bei einem Streit zwischen Angeklagte­m, Mutter und Oma hätten die Frauen Angst gehabt, der Mann könnte zum Messer greifen und ihnen etwas antun, sagte der Zeuge.

Laut Anklage griff er am 1. April 2019 stattdesse­n zu einem Baseballsc­hläger und versetzte den Frauen „eine Vielzahl wuchtiger Schläge gegen den Kopf“. Die Opfer hätten schwerste Schädelhir­nverletzun­gen erlitten und sich in einem akut lebensbedr­ohlichen Zustand befunden, als der Angeklagte sie zurückVate­r, ließ. Er stellte sich am Tattag. Was die Schläge anrichtete­n, schilderte­n zahlreiche Ärzte und ein Sachverstä­ndiger vor der Strafkamme­r unter Vorsitz von Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er. Die Mutter, zur Tatzeit 51, erlitt unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Weil ihr Gehirn bedrohlich anschwoll, war laut Arzt eine Not-OP nötig. Nach einem längeren Aufenthalt auf der Intensivst­ation folgte eine Reha. Eine Fachärztin beschrieb deren Verlauf als „komplizier­t“. Die Frau habe „erhebliche kognitive Defizite“gehabt, ebenso Lähmungser­scheinunge­n und Krampfanfä­lle. Auch bei der Entlassung ein halbes Jahr nach der Tat konnte sie nur kurze Strecken alleine gehen. Ihrem Lebensgefä­hrten zufolge hat sie nach wie vor schwere

Defizite. An die Tat kann sie sich ebenso wenig erinnern wie die Oma.

Beide Frauen machen vom Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch. Die Oma trug ein schweres SchädelHir­n-Trauma und Brüche an der Schädeldec­ke davon. Ein Arzt sagte: „Sie hat überrasche­nderweise sehr gut überlebt.“Auch die zur Tatzeit 70-Jährige hat bis heute mit gesundheit­lichen Folgen zu kämpfen. Ein Sachverstä­ndiger sagte zu den Verletzung­en der Frauen, solche Schädelbrü­che sehe er sonst nur bei Toten. Es sei ein Wunder, dass sie überlebt hätten. Beide bekamen seiner Aussage nach jeweils mindestens zwei Schläge ab. Sie seien mit großer Gewalt geschehen – zumal der Baseballsc­hläger aus Aluminium ist. Der Angeklagte verfolgte den Prozess ohne erkennbare Regung.

 ??  ?? Ein Mann attackiert­e seine Mutter und seine Oma mit einem Baseballsc­hläger. Sie leiden noch heute.
Symbolfoto: Marius Becker, dpa
Ein Mann attackiert­e seine Mutter und seine Oma mit einem Baseballsc­hläger. Sie leiden noch heute. Symbolfoto: Marius Becker, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany