Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum Eva Webers Wahlsieg historisch ist
Politik Der Blick zurück zeigt: Nur einmal holte ein Oberbürgermeister in der Nachkriegszeit mehr Stimmanteile als die CSU-Kandidatin jetzt. Im Stadtrat gab es dramatische Machtverschiebungen – vor allem zulasten der SPD
Eva Weber will es nicht überbewerten. Aber sie ist schon stolz darauf, dass sie die erste Frau an der Spitze der Stadt Augsburg ist – „nach 2035 Jahren“, wie sie am Wahlabend in einem ersten Statement sagte. Auch wenn es zu Römerzeiten noch keinen Oberbürgermeister gab, historisch ist ihre Wahl damit dennoch. Bemerkenswert ist aber auch noch eine zweite Tatsache: Die Kandidatin der CSU hat bei der Stichwahl am Sonntag das zweitbeste Ergebnis bei einer OB-Wahl in der Augsburger Nachkriegszeit eingefahren.
Der Blick auf die Stimmanteile bei den Wahlen in den vergangenen Jahrzehnten zeigt das. Eva Weber bekam bei der Stichwahl 62,3 Prozent der Wählerstimmen. Für ein besseres Ergebnis, was die Stimmenanteile angeht, muss man länger zurückschauen. Nur der CSU-OB Klaus Müller holte im Jahr 1958 noch mehr raus – und kam auf 65,2 Prozent. Die Zahlen sind aufgelistet im statistischen Jahrbuch der Stadt Augsburg. Auch beliebte und langjährige Oberbürgermeister wie Peter Menacher (CSU) oder Hans Breuer (SPD) schafften keine höheren Prozentwerte.
Was man bei den Vergleichen allerdings auch beachten muss: In einer Stichwahl, in der nur noch zwei Kandidaten antreten, ist es leichter, relativ viele Prozentpunkte einzusammeln. So holte der aktuelle Amtsinhaber Kurt Gribl (CSU) bei seiner Wiederwahl im Jahr 2014 zwar „nur“51,8 Prozent. Er setzte sich aber schon im ersten Wahlgang gegen immerhin acht Konkurrenten durch. Zuletzt gab es bei den OBWahlen immer eine ganze Reihe von Bewerbern. Auch deshalb, weil sich damit auch eine kleinere Gruppierung mehr öffentliche Aufmerksamkeit sichern kann – selbst wenn von vorneherein klar ist, dass ihr Kandidat keine Chance auf das Amt des Oberbürgermeisters hat.
Auffällig ist auch das offenbar zunehmende Desinteresse der Augsburger daran, wer ihre Stadt regiert. Die Wahlbeteiligung ist über die Jahrzehnte stark zurückgegangen. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten lag die Beteiligung bei Stadtratsund OB-Wahlen fast ausnahmslos im Bereich zwischen 65 und 75 Prozent. Ab den 1990er Jahren zeigt die Kurve dann deutlich nach unten. Der Tiefpunkt bisher liegt im Jahr 2014, als nur noch 41,2 Prozent der
mit abstimmten. In der Kommunalpolitik vermuten viele, das hänge mit dem starken Zuzug zusammen. Und damit, dass Menschen heute – meist beruflich bedingt – öfter den Wohnort wechseln. Viele interessierten sich dann wohl weniger für das, was vor Ort politisch so laufe, so der Verdacht.
Bei der Stichwahl zwischen Eva Weber und SPD-Konkurrent Dirk
Wurm am vorigen Wochenende lag die Beteiligung nun bei immerhin 48,1 Prozent. Bei der Stadt geht man davon aus, dass die leicht gestiegene Wählerzahl damit zusammenhängt, dass es wegen der Coronakrise nur eine Briefwahl gab – und deshalb alle Wahlberechtigten die Stimmzettel nach Hause geschickt bekamen. Die Hürde, sich am Wahlsonntag extra ins Wahllokal begeWahlberechtigten ben zu müssen, ist damit weggefallen. Das gesunkene Interesse an den Wahlen kann man auch an der absoluten Zahl der Stimmen ablesen. Exakt 63762 Augsburgerinnen und Augsburger haben bei der Stichwahl ihr Kreuz bei Eva Weber gemacht. Auf ähnlich hohe Werte kamen OBKandidaten schon in den 1960er und 1970er Jahren – obwohl Augsburg damals noch deutlich weniger Einwohner hatte als heute.
Bitter ist der Blick auf die Vergangenheit vor allem für die Sozialdemokraten. Der SPD-OB-Kandidat Dirk Wurm kann sich noch damit trösten, dass er trotz der grünen Konkurrenz die Stichwahl erreicht hat und dort ordentliche 37,7 Prozent holte. Es gab in all den Jahren auch schon einige SPD-Kandidaten, die schlechter abgeschnitten haben. Bei der Stadtratswahl sind die Sozialdemokraten aber weit abgestürzt – vor allem, wenn man sich einen längeren Zeitraum anschaut. In den 60er, 70er und 80er Jahren holte die SPD in der Arbeiterstadt Augsburg regelmäßig mehr als 40 Prozent der Stimmen und war dabei auch mehrfach stärkste Kraft im Rat. Seit 2002 zeigt der Trend aber konstant nach unten – aktuell landete die SPD nur noch bei 14,3 Prozent, erstmals hinter den Grünen. „Wir haben als Team versucht, das Bestmögliche rauszuholen“, kommentierte Wurm die Wahl. „Mehr war nicht drin.“
Die CSU musste bei der aktuellen Stadtratswahl auch Federn lassen – ist aber noch immer klar die stärkste Kraft im Stadtrat. Und hat, wenn man sehr lang zurückschaut, sogar schon mal schlechter abgeschnitten. Im Jahr 1948 erzielte die Union bei der Stadtratswahl nur 29,9 Prozent. Damals war die Bayernpartei, die Bayern in den ersten Nachkriegsjahren noch zu einem eigenen Nationalstaat machen wollte, stark – mit 20,1 Prozent. Dann ging es mit der Bayernpartei aber rasant bergab. Nach mageren zwei Prozent bei der Wahl 1966 ist die Partei in Augsburg gar nicht mehr angetreten. So gnadenlos kann Politik auch sein.