Augsburger Allgemeine (Land West)
Drei Augsburgerinnen haben noch immer Schule
Die Jugendlichen sind Teil eines besonderen Projekts: Sie lernen auf einem Segelschiff. Doch auch sie hat die Corona-Krise inzwischen im Griff. Und sie wissen noch nicht einmal, ob die Heimkehr wie geplant klappt
Seit mittlerweile fast drei Wochen sind die Schulen in Augsburg geschlossen, Schulstunden werden höchstens online abgehalten. Doch drei Augsburger Schülerinnen sind von den bayernweiten Schließungen nicht betroffen, sie dürfen weiterhin Referaten lauschen und mit ihren Klassenkameraden im selben Raum sitzen. Der Grund: Die drei sind Teil des Projekts „Klassenzimmer unter Segeln“und werden an Bord eines Schiffes unterrichtet. Wegen des Coronavirus verläuft aber auch ihre Reise anders als geplant.
Mitte Oktober begann für Magdalena Rieder, Emma Hartmann und Miriam Holzapfel die Reise mit dem Segelschiff „Thor Heyerdahl“. Im Rahmen des Projekts „Schule unter Segeln“, welches seit 2008 von der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen organisiert wird, werden sie zusammen mit 31 anderen Schülern aus ganz Deutschland auf hoher See unterrichtet. An Bord übernehmen die Schüler dabei auch praktische Aufgaben und lernen andere Länder und Kulturen kennen. Die Reiseroute führt das Schiff einmal über den Atlantik und zurück. Aktuell liegt die „Thor Heyerdahl“in einem Hafen auf den Azoren. Wegen des Coronavirus darf aber niemand das Schiff verlassen.
Der Unterricht laufe aktuell wie geplant weiter, erzählen die Jugendlichen. Die Prüfungen seien schon geschrieben, jetzt gebe es noch Referate und „Freiarbeit“, um sich auf den Unterricht in der Heimat vorzubereiten. Dass dort die Schulen geschlossen sind, haben die Schülerinnen auf hoher See erfahren. „Unsere Projektleitung in Deutschland hat uns E-Mails und Artikel der
Deutschen Welle geschickt. Die wurden dann im Gang aufgehängt, sodass alle sie lesen konnten“, erzählt Magdalena Rieder. „Wir haben uns viele Gedanken gemacht und die Stimmung war anfangs sehr geknickt an Bord, weil die schlechten Nachrichten nur so auf uns eingestürzt sind“, berichtet Rieder. Doch nach Telefonaten mit ihren Eltern und der Projektleitung in Deutschland ging es ihr schon deutlich besser, erzählt sie. „Wie durften auch einen Filmabend machen, was zu guter Stimmung geführt hat“, sagt die 16-jährige.
Trotzdem sei die Situation erst einmal sehr surreal gewesen, sagt Emma Hartmann vom PeutingerGymnasium. „Man ist mitten auf dem Atlantik und dann erfährt man, dass zu Hause alle Schulen zu sind“, erzählt sie. Trotz Telefonaten mit der Familie könne sie sich immer noch nicht richtig vorstellen, wie es gerade zu Hause ist, so die Schülerin. Auch Magdalena Rieder bestätigt: „Die Vorstellung ist ziemlich komisch. Ich dachte, wir kommen nach Hause und alles ist wie davor, aber so wird es nicht sein.“
Wirklich mit dem Virus konfrontiert wurden die Schülerinnen bei der Ankunft im Hafen von Horta auf der Azoren-Insel Faial. Miriam Holzapfel erzählt, dass ihr dort erst klar geworden sei, was gerade in der Welt passiert. „Im Hafen habe ich mich sehr erschrocken, als auf einmal zwei Menschen mit Schutzanzügen, Mundschutz und Handschuhen an der Pier aufgetaucht sind und eingepackte Sachen an Bord gegeben haben“, erzählt die Schülerin vom Stetten-Institut. Selbst diese Güter haben man erst nach drei weiteren Tagen anrühren dürfen, um jede Infektionsgefahr auszuschließen, schildert Holzapfel. Das Coronavirus wirkt sich auch auf ihre weitere Reise aus. Es sei nicht klar, ob man bis zur geplanten Ankunft in Kiel am 25. April nochmals einen Hafen anlaufen dürfe oder von Bord könne, so Hartmann. „Dann wären wir fast zwei Monate am Stück an Bord, das ist heftig.“
Die Mädchen sind auch gespannt, wie die Ankunft in Kiel ablaufen wird. „Ich stelle mir oft die Frage, wie das wird, wenn wir ankommen. Eigentlich hatten wir eine große Willkommenszeremonie erwartet“, sagt die Schülerin des LeonhardWagner-Gymnasiums in Schwabmünchen. Trotz der Einschränkungen sei sie froh bei „Klassenzimmer unter Segeln“mitgemacht zu haben. Auf der „Thor Heyerdahl“sei man gerade am „sichersten Ort der Welt“. „Wir bereuen keine Sekunde, mitgefahren zu sein.“