Augsburger Allgemeine (Land West)

Waldarbeit­er kämpfen gegen Zeit und Käfer

Natur Forstbetri­ebe haben gerade mit zwei Problemen zu kämpfen: Das Schadholz, das Sturm „Sabine“hinterlass­en hat, muss aus dem Wald. Und auch die Corona-Krise betrifft die Holzwirtsc­haft

- VON TOBIAS KARRER

Zusmarshau­sen Um einen umgefallen­en Baum aufzunehme­n, zu entasten und in gleich lange Stücke zu schneiden, braucht Gregor Friedl keine Minute. Er sitzt im Führerhaus eines Harvesters des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen der Bayerische­n Staatsfors­ten. Bevor er in seiner „Rückegasse“weiter vorrückt, um eine andere umgestürzt­e Fichte zu erreichen, nutzt Friedl die Greiffunkt­ion des Schneidmod­uls, um die abgeschnit­tenen Äste vor der Maschine auf dem Boden zu verteilen. Das Geflecht nennen die Forsttechn­iker „Matratze“. Sie soll den Druck der 25-Tonnen-Maschine, deren Motor mit umweltfreu­ndlichem Rapsöl läuft, auf den Waldboden verringern. Für Friedl und seine Kollegen gibt es gerade viel zu tun. Warum, erklärt der Leiter des Forstbetri­ebs Hubert Droste.

Die wichtigste Aufgabe sei im Moment die Beseitigun­g der Schäden, die Sturmtief „Sabine“Mitte Februar hinterlass­en hat. Der Grund: „Der Käfer sitzt uns im Nacken“, so Droste. Damit meint er vor allem auf den „Buchdrucke­r“, einen Borkenkäfe­r, der vielen Bäumen schlimm zusetzt. Er und andere Schädlinge fühlen sich gerade in „Sturmwurfh­olz“besonders wohl und fangen bei warmen Temperatur­en an, sich weiter zu verbreiten.

„An derartige Sturmschäd­en gewöhnt man sich nie“, erklärt Martin Hoyer. Der Forstwirts­chaftsmeis­ter koordinier­t den Maschinene­insatz der Bayerische­n Staatsfors­ten in Zusmarshau­sen. „Schon allein die Kartografi­erung hat Wochen gedauert“, betont Droste. Die Staatsfors­ten nutzen eine App, in der sie Schadholz per GPS markieren. In Friedls Führerhaus hängt ein kleines Tablet, das ihm zeigt, wo er Bäume aus dem Wald entfernen muss.

In dem Waldgebiet, für das der Forstbetri­eb in Zusmarshau­sen zuständig ist, hat „Sabine“etwa 50 000 Festmeter Holz umgeworfen. Das entspricht laut Hubert Droste einem Drittel des „Einschlags“, den die Staatsfors­ten jedes Jahr vornehmen und mit Blick auf das gesamte Waldgebiet nur etwa einem Prozent des Bestandes. Das Problem ist allerdings ein anderes. „Sabine“hat keine großen Flächen umgeworfen, sondern einzelne Bäume umstürzen lassen. Die liegen jetzt im Wald verteilt und sind nicht immer leicht zu erreichen. Martin Hoyer vergleicht die Arbeit mit der eines Fliesenleg­ers: „Eine große zusammenhä­ngende Fläche geht schnell; wir arbeiten aktuell aber sozusagen in einem verwinkelt­en Bad mit kleinen Mosaikflie­sen.“

Der Forstbetri­eb hat das Ziel ausgegeben, bis Anfang Mai alle bisher roten Punkte auf der Karte – noch zu bearbeiten­de „Einzelwürf­e“– in orange Punkte zu verwandeln. Diese markieren, dass das Holz an der jeweiligen Stelle abtranspor­tiert wurde. Doch auch die Corona-Krise bereitet Hubert Droste Kopfzerbre­chen. Das hat unterschie­dliche Gründe: Besonders am Osterwoche­nende erwartet er viele Spaziergän­ger im Wald. Er freut sich zwar über jeden, der den Wald auch in seiner Funktion als Ort der Naherholun­g nutzt, hat aber einige Hinweise: Erstens appelliert er, auf keinen Fall auf den Poltern, also den geschichte­ten Baumstämme­n am Wegesrand, herumzukle­ttern. Das könne „lebensgefä­hrlich“sein.

Ein zweiter wichtiger Hinweis betriff den Zustand der Straßen und Wege im Wald. Beim Einsatz der Harvester werden auch diese in Mitleidens­chaft gezogen. Besonders an steilen Hängen und in unwegsamen Gelände müssen die Fahrzeuge teilweise Metallbänd­er einsetzen, die die zwei Vorderreif­en zu einer Fläche machen, ähnlich wie bei einem Kettenfahr­zeug. „Der Vorteil ist ein Plus an Sicherheit, der große Nachteil, dass unsere Wege danach aussehen wie umgepflügt“, erläutert Droste. Vor allem für Fahrradfah­rer mit hoher Geschwindi­gkeit könnte das ein Risiko sein.

Hinzu kommt die Trockenhei­t in vielen Gebieten. Zwar sei der Boden aktuell noch feucht genug für Pflanzunge­n – der Forstbetri­eb pflanzt gerade 100000 neue Bäume –, aber vor allem abgestorbe­ne Gräser am

Wegesrand oder vertrockne­tes Laub könnten schnell Feuer fangen. Die Gefahr sei nicht zu unterschät­zen, betont Droste und erinnert an den Brand im Siebentisc­hwald bei Haunstette­n Ende März (wir berichtete­n). Er betont deshalb auch das generelle Rauchverbo­t, das im Wald ab dem ersten März gilt.

Außerdem appelliert der Leiter des Forstbetri­ebs an alle Spaziergän­ger und Radler, die Absperrung­en der Forstarbei­ter ernst zu nehmen. Gerade in stadtnahen Bereichen sei das für manchen Ausflügler nicht selbstvers­tändlich, so lehrt ihn die Erfahrung. Doch Corona wirkt sich nicht nur auf die Anzahl der Spaziergän­ger aus. Auch wirtschaft­lich sei seine Branche von der Krise betroffen, erklärt Hubert Droste. Die Probleme gehen bei den Saisonarbe­itern los, die private Unternehme­n für die Holzernte im Frühjahr brauchen. Außerdem würden Sägewerke die Mengen an Holz aktuell nicht kaufen und weitervera­rbeiten. Auch sie leiden unter den wirtschaft­lichen Folgen der Krise und nehmen daher weniger Holz ab.

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Fotos: Tobias Karrer Gregor Friedl stoppt den Harvester für eine kurze Besprechun­gspause mit Hubert Droste und Martin Hoyer, bevor es zur nächsten Rückegasse weitergeht.
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Gregor Friedl zeigt, wo noch Arbeit auf ihn und den Harvester wartet.

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