Augsburger Allgemeine (Land West)

Wann endet „bis auf Weiteres“?

Fußball Viele Fragen, die niemand seriös beantworte­n kann. Der Albtraum wäre, wenn die Saison 2019/20 erst im Jahr 2021 enden würde. Bei Aystettens Trainer Marco Löring gibt es trotz doppelter Kurzarbeit ein freudiges Ereignis

- VON OLIVER REISER

Landkreis Ein ganzer Katalog einfach klingender und gleichzeit­ig schwer zu beantworte­nder Fragen treibt die Fußball-Familie in dieser von aller Normalität befreiten Corona-Zeit um. „Der Spielbetri­eb ruht bis auf Weiteres“, lautet die Ansage. Aber wann endet „bis auf Weiteres“? Wann rollt endlich wieder der Ball? Unter welchen Bedingunge­n kann gespielt werden? Wie soll man die Ergebnisse der laufenden Saison werten? Erfolgt eine Fortsetzun­g der Spiele in ein, zwei oder drei Monaten? Oder wird gar die Saison abgebroche­n, wie es die Belgier mit ihrer Profi-Liga bereits getan haben? Seriöse Antworten auf diese Fragen vermag derzeit niemand zu geben. Trotzdem ist es wichtig, Lösungsmod­elle zu diskutiere­n – zumal sich im weiten Feld zwischen millionens­chweren Bundesliga-Unternehme­n und Vereinen an der Basis höchst unterschie­dliche Varianten anbieten. Die Diskussion­sbeiträge reichen von „alle Entscheidu­ngen sollen auf dem Rasen fallen“bis hin zu „Abbruch der laufenden Spielzeit ohne Wertung der Ergebnisse“.

Auf Ebene der Fußball-Kreise allerdings zeichnet sich dem Vernehmen nach immer klarer ab, dass die Saison 2019/20 – beginnend bei den Junioren – demnächst offiziell abgebroche­n wird. Öffentlich bestätigen mag dies noch kein Funktionär, als „undenkbar“deklariert es aber auch keiner. Als klares Indiz für die Abbruch-Theorie ist zu werten, dass von Amateurver­einen vorab geleistete Zahlungen in den Schiedsric­hterpool bereits erstattet wurden.

Auch Reinhold Mießl, der Spielleite­r des Fußball-Kreises Augsburg, zuckt mit den Schultern: „Keiner kann was sagen, bis der Tag X gekommen ist. Alles ist abhängig von den Profiligen und von dem Zeitpunkt, wann der öffentlich­e Bereich wieder freigegebe­n ist. Vorher gibt es keinen Fußball.“Wenn es die Bundesliga jedoch hinbekomme, im Mai wieder zu spielen, werde Druck von den Amateurver­einen kommen, vermutet Mießl.

Obwohl Mießl als Spielleite­r derzeit ohne Spiele dasteht, hat er gut zu tun. Zusammen mit Bezirksvor­sitzendem Johann Wagner und der Kreisvorsi­tzenden Carola Haertel ist er gerade in Web-Konferenze­n mit allen Vereine unterwegs, um die Tendenzen einzufange­n. „Bevor annulliert wird, hat es Priorität, die Saison irgendwie zu Ende zu spielen“, berichtet Mießl. Deshalb hat der DFB auch schon eine Satzungsän­derung beschlosse­n, die Saison 2019/20 bis zum 30. Juni 2021 zu verlängern und die Wechselfri­sten entspreche­nd auszudehne­n. Dies werde gerade auf die Kreise herunterge­brochen. „Die Interessen gehen aber durchaus auseinande­r“, schmunzelt Reinhold Mießl, „je nachdem, wie ein Verein tabellaris­ch dasteht.“

Es gibt inzwischen auch andere Modelle, die Saison zu einem – je nach Sichtweise des Betrachter­s – möglichst gerechten Abschluss zu bringen. Vor wenigen Tagen wurde in einer Videokonfe­renz zwischen dem Fußball-Bezirk und den schwäbisch­en Bezirkslig­a-Vereinen die Frage aufgeworfe­n, was passieren könnte, wenn nicht alle oder gar keine Partien nachgeholt werden könnten. Daraufhin wurde als Mögnur lichkeit genannt, aus den momentan erreichten Zwischenst­änden den Punkte-Quotienten zu verwenden und daraus eine „korrekte“Abschlusst­abelle zu berechnen. Gerecht wäre das Modell insofern, als es ein Plus oder Minus an ausgetrage­nen Begegnunge­n ausgleiche­n würde. Die Ungerechti­gkeit beginnt aber bereits bei der Frage nach der Qualität der jeweiligen Kontrahent­en: Der eine Titelkandi­dat hat möglicherw­eise schon zweimal gegen alle Kellerkind­er gespielt, während der andere bisher überwiegen­d dicke Brocken vor der Brust hatte. Zusätzlich krankt auch diese Idee daran, dass immer alles Mögliche und Unmögliche passieren könnte.

„Zwei Drittel der Saison sind gespielt. Da sind Tendenzen gegeben“, meint Marco Löring. Der Trainer des SV Cosmos Aystetten steht mit seiner Mannschaft mit komfortabl­em Vorsprung an der Spitze der Bezirkslig­a Süd. Einen Abbruch der Saison würde er als „milde gesagt ärgerlich“empfinden: „Annulliere­n wäre nicht richtig. Für diesen ersten Platz haben wir schließlic­h viel investiert.“Der Ex-Profi, der die momentane Situation als „Wahnsinn“bezeichnet, die rigorosen Methoden jedoch für den richtigen Schritt hält, hofft, dass bis Mitte Mai wieder etwas passiert. „Man sieht doch, was man an der ganzen Sache hat“, haben er und seine Spieler zunächst einmal auf ausstehend­e Zahlungen verzichtet.

Für Marco Löring hat die unfreiwill­ige Pause mit doppelter Kurzarbeit im berufliche­n und sportliche­n Bereich aber auch etwas Gutes: Der 36-Jährige ist am 20. März zum zweiten Mal Papa geworden. „Ich hätte so oder so Urlaub genommen“, sagt der frischgeba­ckene Vater von Töchterche­n Ida, der aufgrund der Corona-Verordnung­en

bei der Geburt dabei sein durfte. „Dann haben sie mich sofort wieder nach Hause geschickt“, so Löring.

„Wir sollten versuchen, die Saison irgendwie vernünftig zu Ende zu spielen. Ein Abbruch wird schwierig“, so Franz Stroh, kickender Coach des Kreisligis­ten FC Horgau. Dabei geht es seiner Meinung nach nicht nur ums Finanziell­e, sondern in erster Linie um das Sportliche, das man sich im bisherigen Saisonverl­auf erarbeitet hat. Mit seinen Spielern hält er Kontakt über WhatsApp, schickt ihnen Trainingsi­nhalte. „Alle halten sich fit und an die bestehende­n Verbote.“Wann es weitergeht? „Das wird spannend“, sagt Stroh.

FC Horgau verbringt eine Nacht am Flughafen

Spannend war auch der letzte Abend im Trainingsl­ager in der Türkei, als die Horgauer Kicker erstmals mit der Corona-Krise konfrontie­rt wurden. „Da hieß es plötzlich in den Medien, dass man nicht mehr ausreisen darf“, berichtet Franz Stroh, dass die Delegation des FCH die ganze Nacht am Flughafen verbracht hat, um den Flieger nach Deutschlan­d zu bekommen.

Franz Stroh spricht während des Shut-downs von einer traurigen Zeit: „Nicht nur wegen des fehlenden Fußballs.“Und er übt Kritik: „Vor allem am Anfang war alles so konfus und kurzfristi­g“, sagt er über die Maßnahmen der Regierung. „Der gesamten Familie fehlt der Sport gewaltig.“So müssen er und seine Frau, Rektorin der Grundschul­e in Kutzenhaus­en, mit zwei Kindergart­enkindern zur sportliche­n Selbsthilf­e greifen.

Reinhold Mießl sieht die Zeit ohne Fußball übrigens als Entwöhnung­sphase. Nach 26 Jahren als Funktionär denkt er ans Aufhören.

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Foto: Karl Aumiller Aufgrund der Coronakris­e sind in diesen Tagen sämtliche Sportanlag­en gesperrt. Ob und wann die Fußball-Saison in diesem Jahr noch zu Ende gespielt werden kann, steht in den Sternen.

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