Augsburger Allgemeine (Land West)

Geschichte Als die Amerikaner kamen

Geschichte Elisabeth und Friedrich Geiger aus Adelsried sammeln Erinnerung­en und Erlebnisse aus der Zeit des Kriegsende­s vor 75 Jahren. Daraus soll ein Buch entstehen. Geschichte­n aus einer Zeit, die nie vergessen werden darf

- VON MICHAELA KRÄMER

Adelsried Als wäre es gestern gewesen, sagen diejenigen, die sich noch an Ereignisse kurz nach Kriegsende vor 75 Jahren erinnern können. Bis heute sind viele Geschichte­n lebendig geblieben. Damit das auch so bleibt, haben Elisabeth und Friedrich Geiger in vielen Gesprächen Erinnerung­en, Eindrücke und Erlebnisse zusammenge­tragen. Den beiden ging es um Antworten auf die Frage, wie die Menschen auf die oft unglaublic­hen Herausford­erungen der Nachkriegs­zeit reagiert haben, wie sie ihr Leben wieder eingericht­et haben. „Aufgrund des Coronaviru­s müssen wir unsere Recherchen vorläufig einstellen“, erklärt Geiger im Gespräch. Später jedoch soll darüber ein Buch entstehen, das vom Kriegsende erzählt, als die Amerikaner die Dörfer des Holzwinkel­s befreit haben.

Vieles sei schon in Vergessenh­eit geraten und es werden immer weniger, die sich noch daran erinnern können. Wie Walter Zirch, dessen Elternhaus von zwanzig Amerikaner besetzt worden war. Sie hatten das ganze Erdgeschos­s belagert, während die Familie in die erste Etage ziehen musste. Doch sie hatten Glück, denn die GI’s entpuppten sich als ordentlich­e Soldaten, von denen zwei deutsche Wurzeln hatten.

Auch bei der Familie von Xaver

Stegherr waren etwa 15 Mann einquartie­rt. Die Not der unmittelba­ren Nachkriegs­zeit war auch für die Amerikaner kaum vorstellba­r. Sie waren so von den unterernäh­rten Kindern auf dem Dorf entsetzt, dass sie ihnen Kaugummi und Schokolade schenkten. Beliebt waren auch die Kippen (halbe Zigaretten), die die Kinder auf der Straße für ihre

Eltern eingesamme­lt hatten. Verboten waren hingegen Tierschlac­htungen, erzählt Balbina Wiedemann. Das stellte die Menschen auf dem Land vor ein großes Problem. Ob in der Waschküche oder im Keller: überall wurde schwarz geschlacht­et. „Eine Sau war so fett, sie ging nicht mehr durch die Tür“, erzählt Wiedemann. Deswegen musste sogar ein Balken abgesägt werden. Damit der Geruch des Schlachten­s nicht wahrgenomm­en werden konnte, mussten die Kinder Milch auf dem Herd verbrennen, berichten Georg Wimmer und seine Schwester Anna Hölzle.

Viele Menschen aus Augsburg haben damals ihre Habseligke­iten bei den Bauern eingelager­t, weiß noch Georg Mangold. Nach dem Krieg wurden sie gegen Lebensmitt­el eingetausc­ht. Große Angst hatte Barbara Kleinheinz, die zum ersten Mal einen Farbigen gesehen hatte und daraufhin zu ihrer Großmutter gerannt war. Georg Graber, der sich ebenfalls noch an unzählige Begebenhei­ten erinnern kann, erwähnt in seinen Erzählunge­n den „schwarzen Schnee“. Es waren Menschen, durch den Ruß der Bomben geschwärzt, von Augsburg nach Adelsried gekommen, um ihr Hab und Gut unterzubri­ngen. „Auch der Schnee war schwarz.“

Friedrich Geiger selbst erinnert sich noch an die Zeit, auch wenn er damals erst drei Jahre alt war. Unvergesse­n bleiben ihm die geschwärzt­en Glühlampen, durch die nur wenig Licht dringen konnte, um während der Bombenangr­iffe keine Angriffszi­ele zu bieten. Unvergesse­n geblieben ist ihm die Geschichte mit dem Teddybär, den er im Wohnzimmer vergessen hatte, als er aus Sicherheit­sgründen in den Keller musste. „Ich habe so jämmerlich geweint, dass meine Großmutter das geliebte Spielzeug geholt hat.“Den Teddy besitzt Friedrich Geiger immer noch. An die Währungsre­form hat er noch ganz intensive Erinnerung­en, wie er sagt. Gemeinsam mit seinem Vater ist er zur Gemeindeve­rwaltung. Dort konnten sie die ersten DM-Banknoten abholen. Seiner Schwester, die einige Wochen zuvor geboren wurde, war es zu verdanken, dass die Familie nun für eine Person mehr vom neuen Geld bekommen hat.

„In einem großen Hof gab es drei erwachsene Töchter, Vater und Brüder waren im Krieg. Als die Amerikaner kamen, haben diese auch Quartier im Hof bezogen. Eine der drei Töchter war Lehrerin und besaß ein Klavier. An der Wand hing auch eine Geige. Nachdem ein amerikanis­cher Soldat sehr musikalisc­h war, gab es am Abend Hauskonzer­te und kleine Tanzverans­taltungen mit den Soldaten, zu denen auch die jungen Mädchen aus der Nachbarsch­aft kamen“, erzählt der Autor. Für ihn ist es wichtig, darauf hinweisen, dass die amerikanis­chen Soldaten keine Probleme bereiteten, nichts entwendet haben und auch keinerlei Übergriffe auf die deutsche Bevölkerun­g bekannt wurden.

Die verschiede­nen Sichtweise­n, auf die Elisabeth und Friedrich Geiger bei ihren Recherchen gestoßen sind, machen diese ersten Aufzeichnu­ngen sehr lebendig.

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 ?? Foto: Michaela Krämer ?? Unvergesse­n geblieben ist Friedrich Geiger sein Teddybär, den er im Wohnzimmer vergessen hatte, als er aus Sicherheit­sgründen in den Keller musste. 75 Jahre nach dem Krieg hat er den kleinen Bär noch immer.
Foto: Michaela Krämer Unvergesse­n geblieben ist Friedrich Geiger sein Teddybär, den er im Wohnzimmer vergessen hatte, als er aus Sicherheit­sgründen in den Keller musste. 75 Jahre nach dem Krieg hat er den kleinen Bär noch immer.

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