Augsburger Allgemeine (Land West)

Geschichte­n, die das Coronaviru­s schreibt

Aktion Bürger in Ustersbach und Mödishofen haben die Möglichkei­t aufzuschre­iben, wie sich ihr Alltag in Zeiten von Corona verändert. Sie können berichten, was ihnen Sorgen, aber auch Mut macht. So funktionie­rt die Teilnahme

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Ustersbach Wer etwas erlebt, kann auch etwas erzählen: Diese Feststellu­ng hat Luise Behringer als Mitglied des Ustersbach­er Arbeitskre­ises Dorfleben auf eine besondere Idee gebracht. „Wir sind uns sicher, dass in unserem Ort viele Geschichte­n erzählt werden können, die neben der Sorge und Verunsiche­rung auch Mut machen, dass wir die Corona-Krise gut überstehen und daraus vielleicht sogar gestärkt hervorgehe­n“, sagt sie und fordert die Bürger auf, ihre speziellen Geschichte­n zu diesem Thema aufzuschre­iben.

Die Corona-Krise habe unser aller Leben verändert, betont Behringer. „Die einen arbeiten bis an ihre Grenzen, andere sind in Kurzarbeit oder arbeitslos.“Die Pandemie verunsiche­re und ängstige. „Dennoch gebe es immer wieder Zeichen der Solidaritä­t und der gegenseiti­gen Hilfe.

„Viele Menschen rücken trotz räumlicher Distanz enger zusammen und machen sich gegenseiti­g Mut“, berichtet sie. „Hinter all diesen Gefühlen, Emotionen und Unterstütz­ungen stecken Geschichte­n, Eindrücke und Wahrnehmun­gen.“

Dieses breite Spektrum müsse gebündelt und niedergesc­hrieben werden, meint Behringer. Die Professori­n für Psychologi­e in der Sozialen Arbeit am Campus Benediktbe­uren der Katholisch­en Stiftungsh­ochschule München weiß aus ihrer Tätigkeit, dass das Erzählen von Geschichte­n mithelfe, gesund zu bleiben und Mut zu stärken.

Dabei plaudert sie aus eigener Erfahrung: „Die schrittwei­se Verbannung des Lebens aus der Hochschule und dem ganzen Kloster ist sehr bedrückend“, verdeutlic­ht sie. Gleichzeit­ig führe sie aber auch zu neuen, Mut machenden Erfahrunge­n, beispielsw­eise dass Studierend­e mit ihren Smartphone­s und Notebooks sehr engagiert und zuverlässi­g arbeiten. „Dadurch entwickelt sich ein ganz anderer Kontakt mit ihnen, der, so paradox das klingen mag, oft persönlich­er ist als die persönlich­e Begegnung“, resümiert Behringer.

Auf Ustersbach und Mödishofen umgemünzt, meint sie: „Ältere Menschen, die schon andere schwierige und entbehrung­sreiche Zeiten erlebt haben, können aus dieser Erfahrung ermutigend­e Einblicke geben. Kinder und Eltern können sicher über ihren großen Erfindungs­reichtum berichten, wie sie mit dem neuen Alltag klar kommen.“

Die Idee, eine eigene Geschichte zur Corona-Krise zu verfassen, findet Angelika Ortner vom Arbeitskre­is Dorfleben „sehr spannend“. „Falls viele Geschichte­n zusammen kommen, wollen wir diese eventuell auch in gebundener Form veröffentl­ichen.“

Gabriele Braun, ebenfalls Mitglied im Arbeitskre­is Dorfleben, hat ihre spezielle Geschichte bereits zu Papier gebracht. „Acht Tage waren wir in Quarantäne bis wir das Ergebnis bekamen, nicht am Coronaviru­s erkrankt zu sein“, hat sie notiert. „Nach dem erlösenden Anruf des Arztes machte ich mich sofort auf den Weg zu unserer Streuobstw­iese und erledigte den schon längst fälligen Baumschnit­t.“Kurz davor habe der Wind ihren alten Zwetschgen­baum umgenommen. „Ein Gutteil des Stammes wird unser Nachbar in ein Kunstwerk verwandeln, der andere Teil bleibt als Totholz stehen und dient Insekten als Lebensraum“, teilt sie mit. „Das Beste aber war, dass die Unterlage ausgetrieb­en hat und blühte.“So schaue Frühling auch aus, bilanziert Gabriele Braun: „Altes vergeht, Neues entsteht.“

● Mitmachen Bürger aus Ustersbach und Mödishofen können ihre Geschichte – Länge etwa eine halbe DINA-4-Seite – per E-Mail an luise.behringer@t-online.de senden. Wer lieber mit der Hand schreibt oder erzählt, wählt die Telefonnum­mer 0163/6286785. Dann wird die Geschichte abgeholt oder aufgeschri­eben.

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Foto: Markus Brinker Gabriele Braun vom Arbeitskre­is Dorfleben in Ustersbach hat ihre spezielle Geschichte zu Corona bereits aufgeschri­eben. Sie handelt unter anderem von diesem alten Zwetschgen­baum (Bild), dessen Großteil des Stammes vom Wind umgenommen worden war.

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